Samstag, 21. März 2015

Ist Bulimie nur eine Gewohnheit?

In der letzten Zeit habe ich aufgrund verschiedener Ereignisse in meinem eigenen Leben wieder daran denken müssen, wie wichtig es ist, sich selbst und anderen Menschen zuzutrauen, dass sie ihr Leben und ihre Gewohnheiten ändern können. Was scheinbar "immer" so war, muss nicht immer so bleiben. Ich selbst habe diese Erfahrung gemacht und bin mir absolut sicher, dass sich jeder Mensch weiterentwickeln kann und letztlich viele seiner Ziele erreichen kann, wenn er sich einer Sache bewusst ist: Das Gehirn ist vollkommen anpassungsfähig. Wird es mit neuen Erfahrungen gefüttert, dann lernt es und bildet in den entsprechenden Gehirnregionen mehr Verbindungen aus. Entsprechend verhält man sich in gewissen Situationen routinierter, souveräner und kann in einem Bereich, in dem man sich zu Beginn absolut nicht ausgekannt hat, zum absoluten Experten und Vorbild werden.

Genau so verhält es sich mit der Bulimie. Bereits in meinem 2. Blogpost überhaupt aus dem Jahr 2010 habe ich dieses Phänomen beschrieben. Und ja, ich bin wieder bei dieser Überzeugung angelangt: Die Bulimie ist nichts weiter als eine Gewohnheit. Sie ist für das Gehirn die einfachste und energiesparendste Methode, um auf die verschiedensten Dinge zu reagieren. Sie ist ganz einfach ins Gehirn "eingebrannt". Werden keine alternativen Gewohnheiten erlernt und angewandt, dann wird sie für immer die Lösung Nummer 1 bleiben.

Bitte, liebe Mädels. Lasst euch das nicht länger einreden. Ihr seid nicht gestört und habt auch keine psychische Krankheit. Überhaupt- was ist schon normal ;) Es ist mittlerweile bekannt, dass die Bulimie psychische Krankheiten verursacht, aber ich bin mir sicher: Nur in ganz wenigen Fällen bestehen sie schon vor der Bulimie. Auch ein geringes Selbstwertgefühl ist keine Ursache einer Bulimie. Es muss endlich Schluss mit dieser Paranoia sein. Aus diesem Grund funktionieren sogenannte "Psychodynamische Therapien" auch in vielen Fällen nicht.

Versteht mich nicht falsch. Es ist immer von Vorteil, mit der Vergangenheit abzuschließen und Dinge, die nicht gut gelaufen sind, zu verstehen und sich mit den Beteiligten auseinanderzusetzen. Aber im Falle der Bulimie, in der so viele chemische und neurologischen Prozesse in Gang gesetzt werden, reicht dieses eindimensionale Vorgehen leider einfach nicht aus.

Interessanterweise beschreibt das amerikanische Buch "Brain over Binge" genau dieses Modell, das ich damals auch schon zur Erklärung herangezogen habe. Es würde mich interessieren, ob es einer von euch schon gelesen hat. Gebt mir gern Bescheid, was ihr davon haltet!

4 Kommentare

  1. Anonym27 März

    Habe das Buch auch gelesen und finde den Erklärungsansatz absolut einleuchtend. Ich denke das Problem ist, dass es vielen nicht leicht fällt alte Gewohnheiten zu durchbrechen. Aber die Idee, dass die Unmündigkeit selbstverschuldet ist (Danke Kant ;)) und man sich nicht in die Ausrede eine Krankheit flüchten kann finde ich sehr gut. Man muss aktiv etwas tun um gesund zu werden und das ist anstrengend aber umso größer ist das Erfolgserlebnis. Dein Blog ist wahnsinnig hilfreich und inspirierend! Danke, danke, danke, dass du ihn betreibst. Ich hätte noch eine Anregung zu einem Artikel über Essstörungen im Leistungssport. Da sie dort sehr verbreitet aind und die Sportler noch mehr Probleme bewältigen müssen (Erfolgsdruck, öffentliches wiegen, starke Überwachung durch Trainer/Umfeld, große körperliche Belastung durch täglich mehrmals Training ect....) Vielleicht hast du ja ma lLust dazu was zu schreiben :-)

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    1. Ja, die selbstgewählte Flucht in die Krankheit im Sinne einer Ausrede begegnet mir auch sehr oft. Ich finde es schlimm, dass seitens der offiziellen Krankheitsbeschreibung dann auch oft noch der Begriff "hilflos ausgeliefert" verwendet wird. Das macht es den Betroffenen erst so richtig schwer.
      Danke für deinen Hinweis bzgl. Leistungssport. Werde beim Verfassen der nächsten Artikel daran denken ;)

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  2. Anonym08 Mai

    Hallo liebe Johanna, mich würde interessieren, welche neuen Gewohnheiten dir geholfen haben, den Fressattacken den Rücken zuzukehren? Man kann ja angeblich nichts weglassen, sondern nur schlechte Gewohnheiten mit neuen Gewohnheiten substituieren. Welche neue Gewohnheit hat dir geholfen? Liebe Grüße aus Bangkok :) Christine

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  3. Liebe Johanna,

    ich habe erst vor wenigen Tagen Deinen Blog entdeckt und danke Dir sehr dafür, dass Du mir eine neue Perspektive, die Bulimie/Essanfälle zu betrachten, ermöglicht hast.
    Ich habe lange Jahre auch mit der Auffassung gelebt, dass die Bulimie eine Krankheit ist, die psychische Ursachen hat und die ich so leicht nicht und schon gar nicht alleine bewältigen kann. Da ich das geglaubt habe, war es dann auch so (selbsterfüllende Prophezeiung). Ich bin zwar seit 3 Jahren "brechfrei", habe aber noch nicht mit den Essanfällen aufhören können. Die Beschäftigung mit Themen aus meiner Kindheit hat mir zwar einige interessante Einsichten gebracht und auch meine Persönlichkeit gestärkt, aber in Sachen "Heilung" nicht dauerhaft etwas geändert. Z. B. habe ich längere Zeit eine Methode probiert, die mit dem "verlassenen inneren Kind" arbeitet und dabei immer wieder Szenen aus der Kindheit aufleben lässt. Natürlich habe ich auch eine klassische Psychotherapie hinter mir. Aber wie gesagt, nichts konnte bisher dauerhaft gegen meine Essanfälle helfen.
    Daher finde ich Deinen Ansatz, die Bulimie als schlechte Gewohnheit zu sehen, die man sich wieder abtrainieren kann, sehr spannend! Ich habe übrigens eine Freundin, die es auch "alleine" aus der Bulimie geschafft hat. Daher bin ich überzeugt, dass das möglich sein muss.

    Nochmals vielen Dank und mach bitte weiter so!

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