Beiden liegt jedoch dieselbe Angst vor negativer Bewertung durch andere zugrunde.
Die Merkmale einer SP sind laut ICD-10:
- Unangemessen starke Angst vor einer prüfenden Betrachtung durch andere Menschen in relativ kleinen Gruppen. In Menschenmengen tritt die Angst seltener oder nicht auf.
- Die Furcht ist auf bestimmte soziale Situationen beschränkt. Sie kann in solchen Situationen auch überwiegen.
- Vermeidung der angstauslösenden Situationen.
- Der Beginn liegt häufig in der Jugend.
Durch diese Verhaltensweise wurden die Ängste von Jahr zu Jahr schlimmer, und von Jahr zu Jahr wurde es schwieriger, den Rückstand aufzuholen und mich in der Interaktion mit anderen noch normal zu fühlen. Ich hatte immer den Eindruck, man würde es mir auf den ersten Blick ansehen, dass ich ein "komischer Kauz" bin, und dass ich mich lieber woanders aufgehalten hätte als unter Menschen- egal welche es waren. Selbst die, die mir wohlgesonnen waren und mich mochten, habe ich dadurch oft vor den Kopf gestoßen. Wie geht man mit jemandem um, der meine Anwesenheit ablehnt?
Nun ist es sicherlich interessant zu erfahren, wie ich mich aus der Käseglocke befreit habe. Diesen Schritt bin ich sehr langsam und wackelig gegangen. Er hat sich wieder über mehrere Jahre hingezogen.
Geholfen hat mir zunächst eine Art stoischer Ansatz. Die Stoiker sagen, dass nichts einen Menschen verletzen kann, auf das er keinen Einfluss hat. Nun könnte man sich eine Sichtweise aneignen, die dem Urteil anderer der eigenen Person gegenüber keine Bedeutung mehr beimisst, weil man nur in begrenztem Maße Einfluss darauf hat. Wenn ich also denke, dass andere sowieso denken, was sie wollen, und es mir infolge dessen egal ist (weil ich sowieso nur in begrenztem Maße Einfluss darauf haben kann), dann verliert diese Angst an Stärke.
Geholfen hat mir auch die Erfahrung, dass der Mensch sich selbst generell sehr viel stärker kritisiert als seinen Mitmenschen. Bei anderen denkt man sich oft "es wird schon seinen Grund haben, warum er dies oder jenes macht", bei einem selbst wertet man das Verhalten schneller als Fehler.
Aus meiner eigenen Erfahrung heraus glaube ich, dass jeder die soziale Phobie überwinden kann. Dabei ist es gut, sich selbst als einen Menschen zu sehen, der "auf dem Weg" ist, und sich immer nur mit sich selbst vergleicht. Selbst wenn man in gewissen Situationen noch schüchtern und gehemmt ist, kann es ein Fortschritt im Vergleich zum eigenen Verhalten in der Vergangenheit sein.
Auch gut ist es, sich Fehler zuzugestehen und, wie immer, eine eigene, ganz individuelle Persönlichkeit. Ein guter Ansatz kann sein, sich selbst nicht als "komisch" zu betrachten, sondern die eigenen scheinbaren Fehler als Teil der Persönlichkeit zu sehen. Erst die kleinen Fehler machen aus einem Menschen einen sympathischen Menschen. Es ist also sehr sehr wichtig, die vermeintlichen Fehler nicht alle ausmerzen zu wollen, sondern zu ihnen zu stehen.