Es gibt im Zusammenhang mit unklaren Gefühls- und Gedanken-"Zuständen" eine recht einfache Methode, die im Grunde so funktioniert, als würde man sich mit einem guten Freund darüber unterhalten. Ein Gespräch mit einem guten Freund ist zwar durch nichts zu ersetzen, bei Bulimie ist es aber in teils sehr unvorhersehbaren Situationen notwendig, sich sofort mit seinen Gefühlen auseinandersetzen, um sich nicht in einen Essanfall abgleiten zu lassen. Darum will ich euch heute diese Methode zeigen, wie ihr selbst mit negativen und undefinierbaren Gefühlen umgehen könnt.
Zunächst ist es natürlich wichtig, das Knäuel im Kopf wahrzunehmen. Oft ist man ja schon so in der bulimischen Verhaltensweise eingefahren, dass recht schnell zur "Lösung" FA gegriffen wird, ohne einen Versuch zu unternehmen, den besagten Knäuel überhaupt als solchen anzuerkennen. Das wäre also der erste Schritt. Es hilft euch vielleicht auch, dieses Gedanken- und Gefühlschaos erstmal nicht zu bewerten, sondern einfach nur wahrzunehmen, dass es da ist, und dass das jetzt einfach so für sich steht.
Der nächste Schritt ist auch recht einfach- je öfter man diese Methode anwendet, desto selbstverständlicher wird sie irgendwann sein, und sie macht vielleicht sogar Spaß. Also: nehmt euer Tagebuch, ein Notizbuch zur Hand oder öffnet ein Textbearbeitungsprogramm am Computer. Dann schreibt ihr auf, wie ihr euch gerade fühlt. Zum Beispiel: "Gerade bin ich total genervt. Was ist eigentlich wirklich mit mir los?" Stellt euch dabei vor, dass ihr das einem guten Freund erzählt, der euch verständnisvoll zuhört und der immer einen guten Tipp bereithält. Stellt euch vor, dass er dann überlegt und euch fragt: "Woran könnte das denn liegen, dass du so genervt bist? Was hast du denn heute schon gemacht? Oder bist du genervt, weil du noch so viel erledigen musst?" Dann antwortest du in Gedanken darauf und schreibst es auf. Überlege dir, warum du dich so fühlst und mach eine Liste mit Dingen, die zu deinen Gefühlen führen. Anschließend kannst du dir vorstellen, wie dein Freund sagt: Ok, wenn das so ist, dann könntest du ja jetzt ... (XY) machen, dann geht es dir bestimmt wieder besser.
Das wars auch schon. Ganz einfach, oder? Ich mache das immer noch, meistens aber nur noch in Gedanken. Ich spiele es also von vorne bis hinten durch, und alleine die Vorstellung, dass ich mir selbst gut zurede und in der Lage bin, selbst eine Lösung zu finden (genau so, wie ich einer Freundin helfen kann, kann ich also auch mir selbst helfen), gibt mir ziemlich viel Mut und es stärkt auch das Selbstbewusstsein. Es hilft mir außerdem sehr, das Problem von außen zu betrachten, es sachlich zu beschreiben und Abstand zu gewinnen. Manches löst sich alleine dadurch fast wie von selbst, weil mir klar wird, dass ich zu sehr in meiner Sichtweise gefangen war, und dass viele Dinge, wenn man sie sachlich beschreibt, unproblematisch klingen und es dann oft auch sind.