Samstag, 12. Oktober 2019

Was tun mit der inneren Leere?

Ja, ich kann mich noch sehr gut daran erinnern und diese Erinnerung schmerzt: Die innere Leere während meiner Zeit mit Bulimie, die ich viele Jahre erlebt habe, war teils so stark, dass ich mir nicht vorstellen konnte, dass jemals besser werden könnte, dass ich sie irgendwann abstreifen könnte. Aber ich habe es geschafft, und ich werde mal etwas darüber schreiben, wie ich es gemacht habe.

In meinen Augen hat es diese innere Leere bei Betroffenen von Bulimie sehr leicht, "sich breit zu machen". Denn ich sehe einen ganz klaren Zusammenhang zwischen dieser inneren Leere und der Betäubung von Emotionen durch FAs. Bei (vielen) gesunden Menschen ohne Essstörung gibt es diese extreme innere Leere nicht, da sie normalerweise in Kontakt zu ihren Emotionen und zu ihrer inneren Stimme stehen. Sobald die innere Stimme durch FAs immer wieder weggedrückt wird, kommt sie immer schwerer "durch" bzw. nach oben ins Bewusstsein. Dadurch entsteht diese extreme innere Leere oder auch Unruhe - instinktiv weiß der Körper eben, dass etwas ganz enorm nicht stimmt.

Die Emotionen, die eigentlich ja wichtige Wegweiser für unser Leben und unseren Alltag sind, werden durch den FA einfach weggedrückt - und wie bei einem schreienden Kind sind sie dann vielleicht erstmal still, aber durch das Wegdrücken ist der Grund des Schreiens ja nicht behoben. Sie kommen irgendwann wieder, wimmern weiter vor sich hin. Irgendwann hat das Kind dann aber auch gelernt, dass es nicht erwünscht ist und lässt das Schreien ganz sein und versucht stattdessen, sich irgendwie anders zu beruhigen, um nicht "zur Last zu fallen".

Nicht ohne Grund gibt es das Bild des Inneren Kinds. Dabei werden Emotionen und Bedürfnisse durch das Innere Kind personifiziert. Man fragt man sich, was braucht mein inneres Kind gerade, wie könnte ich "ihm" (und damit also mir selbst) gerade helfen, um mich wohl zu fühlen? Dabei habe ich selbst auch die Erfahrung gemacht, dass man sich durch diese Vorstellung, dadurch, sich das Innere Kind ja sozusagen als 2. Person vorzustellen (als kindliche Version der eigenen Person) die eigenen Bedürfnisse sehr viel klarer werden, weil man eine gewisse Distanz gewinnt. Das hat auch viel damit zu tun, dass man eine andere Person normalerweise viel respektloser und einfühlsamer behandeln würde, als das bei einer Person mit Bulimie oft der Fall ist - hier herrscht oft ein respektloser und abfälliger "innerer Ton".

Meiner Erfahrung nach kann diese Vorstellung, dass in einem selbst ein Inneres Kind ist, um das man sich kümmern muss, schon einen sehr guten Ansatz liefern, um diese innere Leere wieder aufzufüllen. Die innere Leere ist nichts, was für immer da sein wird. Sie ist vielmehr ein Symptom der Bulimie, das du genau wie die Bulimie loswerden kannst.

Dienstag, 8. Oktober 2019

Der erste Schritt aus der Bulimie

Eine der meistgestellten Fragen überhaupt: Was genau muss ich eigentlich zuerst machen, damit ich es aus der Bulimie schaffe? Dazu will ich heute schreiben, was meiner Meinung nach der allererste Schritt sein muss.

Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie es bei mir damals war. Okay, zugegeben, es ist jetzt schon viele Jahre her - aber die Erinnerung daran ist so stark, dass ich es heute mit dir teilen will. Damals, als ich noch mit der Bulimie zu kämpfen hatte, hätte ich mir nie vorstellen können, dass dieser eine Schritt wirklich so viel in Gang setzen kann: Ich habe mich damals dazu entschlossen, mich nicht mehr zu übergeben. Ja, egal, wieviel ich essen sollte und wie "schlimm" der FA sein sollte - kein Übergeben mehr.

Was danach passiert ist: Ich habe mich vorher (also vor einem FA) viel bewusster gefragt, ob dieser FA jetzt wirklich sein muss. Oft habe ich mich dann doch für einen FA "entschieden" - ja, ich habe endlich wieder die Kontrolle bei mir selbst und nicht der Bulimie gesehen. ICH konnte mich für oder gegen einen FA entscheiden.

Wie ich schon öfter beschrieben habe, habe ich dann zu Beginn auch für mich festgelegt, dass FAs am Wochenende erlaubt sind. Dass ich einen FA haben kann, wenn ich möchte. Und interessanterweise hatte ich dann oft am Wochenende gar keine Lust mehr darauf. Auch hier kam das paradoxe Phänomen zum Tragen, das man auch in anderen Bereichen der Bulimie wiederfindet: Was verboten ist, das wird so interessant und faszinierend, dass man fast keine Kontrolle mehr darüber hat. Sobald man es sich aber bewusst erlaubt, verliert das "Objekt" (wie hier der FA) seine Faszination. Es ist wie ein Schleier, den man davon entfernt und erkennt, dass es gar nicht so spannend und toll ist, wie man vorher dachte. Man fängt nämlich plötzlich an, sich dieses Objekt genauer anzuschauen, in dem Fall den FA: Ist es das jetzt wirklich wert? Ist es das wert, dass ich diese ganze Zeit dafür aufwende, dann mich danach vielleicht übergeben muss (für diejenigen, die es genauso ungern gemacht haben wie ich) und mich danach total ausgelaugt und k.o. fühle? Was genau will ich gerade wegdrücken und betäuben - wäre es nicht viel besser, mich damit direkt auseinanderzusetzen, um etwas Belastendes endlich aus der Welt zu schaffen?

Diese ganzen Fragen haben sich mir nach dieser Entscheidung gestellt. Indem ich mir ganz klar gemacht habe, dass es ab sofort einfach kein Übergeben mehr gibt, dass es keine Option mehr ist, wurden wie bei einem Domino-Effekt viele kleine Schritte angestoßen, die mir letztlich den Weg in die Heilung geebnet haben. Ich wünsche dir, dass du auch diesen Mut hast!