„Schuldgefühle und Gewissensbisse sind psychologisch gesehen Ausweichtaktiken. Man ändert sich nicht, solange man übermäßig bereut. Lieber eine gute Tat als tausend Selbstanklagen. Was ohnehin nicht geändert werden kann, verdient keine langatmigen sittlichen Überlegungen.“ [Rattner et al. S. 41]
Obwohl es im Sinne eines FAs ja nicht direkt um „sittliche“, sondern vielmehr um psychologische Überlegungen geht, die das Selbstkonzept - also das, was du über dich selbst denkst - betreffen, lässt sich dieses Zitat auch auf die Selbstanklagen nach einem FA übertragen. Wer fühlt sich nach einem FA schon gut… Viel eher ist man geneigt, den FA als Misserfolg zu verbuchen.
Aber bringt es dich weiter, tagelang an einen Rückfall zu denken und dich deshalb schlecht zu fühlen? Wäre es nicht viel angenehmer, den FA als „in dem Moment nicht besser gekonnt“ zu verbuchen und dann auch aus dem Gedächtnis verschwinden zu lassen? Sich vielmehr zu überlegen: Was mache ich, wenn ich wieder in so eine Situation komme? Wie kann ich das angestrengte, angespannte Gefühl loswerden, ohne mich in einen FA zu stürzen? Und vielmehr in die Zukunft zu blicken, vielleicht eben auch in diese nächste riskante Situation, als immer wieder an die vermasselte letzte, an das Scheitern.
Psychologen bezeichnen das Festhalten an solchen Anklagen als „neurotisches Schulderleben“, und stellen fest, dass sich Menschen, die sich so verhalten, kaum ändern. Lieber erniedrigen sie sich und verbringen Monate oder sogar Jahre damit, sich die Misserfolge vorzuhalten, als sich ehrlich zu fragen: Wo will ich eigentlich hin? Wer will ich eigentlich sein? So kann keine Persönlichkeitsentwicklung stattfinden und sie und nehmen sich selbst die Chance, der Mensch zu werden, der sie eigentlich sein wollen. Und Persönlichkeitsentwicklung ist immer auch Teil des Wegs aus der Bulimie.
Literatur:
Rattner, J., Danzer, G. (2011): Persönlichkeit braucht Tugenden. Positive Eigenschaften für eine moderne Welt. Berlin: Springer.