Was ist Bulimie?

Patienten mit Bulimie leiden unter häufigem Heißhunger mit (Anm.: scheinbar) unkontrollierbaren Essanfällen. Charakteristisch für diese Essstörung ist die gleichzeitige und große Angst vor einer Gewichtszunahme. Häufig erbrechen die Betroffenen ihre Mahlzeit wieder. Aber auch andere gegensteuernde Maßnahmen können eingesetzt werden wie exzessiver Sport, Fastenperioden oder Abführmittel, um einem Mehr an Gewicht entgegenzuwirken. Patienten sind dann (Anm.: scheinbar) hilflos einem Kreislauf von Heißhungeranfällen, ständigem Essen und nicht funktionierenden gegensteuernden Maßnahmen ausgesetzt.

Äußerlich ist Bulimie oft nicht so sichtbar wie eine Magersucht. Viele Betroffene sind normalgewichtig. Denn in einer Heißhungerattacke können bis zu 20.000 Kalorien auf einmal konsumiert werden. Zum Vergleich: Eine ganze Portion Spaghetti mit Tomatensoße hat etwa 550 Kalorien. So kann auch bei stetigem Wechsel von essen und erbrechen das Ausgangsgewicht nicht wie zum Beispiel bei einer Magersucht drastisch reduziert werden.


Wie häufig tritt eine Bulimie auf?
Bulimie ist in unserer Gesellschaft recht verbreitet: Bis zu drei Prozent aller Frauen im Alter zwischen 15 und 35 Jahren leiden unter dieser Essstörung. Viele schaffen es erfolgreich und über einen langen Zeitraum, ihre Bulimie vor Freunden und Familie zu verheimlichen. Der Erkrankungsbeginn liegt meist in der Jugend, am häufigsten um das zwanzigste Lebensjahr, sehr selten vor dem 14ten.
Männer sind etwa 10 bis 12-mal weniger betroffen. Etwa ein Drittel der Betroffenen ist vor dem Beginn einer Bulimie magersüchtig. Sättigungsgefühl und natürlicher Hunger sind weitestgehend ausgeschaltet. So können sich nach dem bewussten Verzicht auf Nahrung Heißhungerattacken und unkontrollierbare Essanfälle entwickeln.
Die Zahl der an Bulimie Erkrankten nimmt in den Industrienationen tendenziell zu (aus: Maas, K.: Am Anfang war´s die ideale Lösung- Bulimie als kultureller Spiegel individualisierter Gesellschaften, Berlin 2003.)
"Am Anfang war's die ideale Lösung" - Bulimie als kultureller Spiegel individualisierter Gesellschafte)

1. Bulimie-Anzeichen: Aussehen und Figur sind extrem wichtig.
Ich bin zu dick. Ich muss abnehmen: Wie auch magersüchtige Patienten beschäftigen sich Patienten mit Bulimie auffällig viel mit ihrem Gewicht. Sie konzentrieren sich in Punkto Wertschätzung von anderen vor allem auf Äußerlichkeiten. Ihr Aussehen und ihre Figur sind ihnen extrem wichtig. Schön ist in ihren Augen nur derjenige, der extrem dünn ist.


2. Bulimie-Anzeichen: Angst vor Gewichtszunahme.
Bulimiker haben außerordentlich große Angst vor dem Zunehmen. Mehr Kilos auf die Wage zu bringen ist für sie gleichbedeutend mit weniger Achtung von Freunden und Familie. Betroffene streben daher meist ein Gewicht an, das weit unter dem liegt, was ihnen aus medizinischer Sicht empfohlen würde oder ihrem Gewicht vor Krankheitsausbruch entspricht.
Hier ist der Gedankengang von Magersüchtigen und Bulimikern ebenfalls gleich: Sie möchten unbedingt dünn sein – dünner als alle anderen.

3. Bulimie-Anzeichen: Heißhungerattacken.
Trotz des großen Ideals dünner zu sein als alle anderen, essen Patienten mit Bulimie aber in  bestimmten Phasen unkontrolliert und viel. In solchen charakteristischen Essattacken oder Heißhungeranfällen nehmen Betroffene innerhalb kürzester Zeit weit mehr als die normalen 500 bis 1000 Kalorien pro Mahlzeit zu sich – teilweise bis zu 20.000.  Die Patienten empfinden während der Essattacken die Nahrungsaufnahme als nicht mehr kontrollierbar, so dass sie sie nicht willkürlich beenden können.


4. Bulimie-Anzeichen: chaotisches und zeitraubendes Esssverhalten.
In den meisten Fällen der Bulimie ist das Essverhalten unstrukturiert und chaotisch: Es existiert keine klare zeitliche Struktur der Mahlzeiten, Frühstück oder warme Mahlzeiten werden gerne vollständig gemieden. Wird gegessen, dann heimlich – denn eigentlich möchten die Betroffenen ja gar nicht essen. Die Abfolge von Essanfällen und nachfolgendem Erbrechen kann auch deshalb einen Großteil der verfügbaren Zeit erfordern. Dabei werden sowohl Hunger als auch Sättigung nur undeutlich wahrgenommen.

5. Bulimie-Anzeichen: gegensteuernde Gewichtsregulation.
Patienten mit Bulimie verwenden gegensteuernde Maßnahmen, um trotz der Essanfälle nicht zuzunehmen. Am häufigsten erbrechen Patienten ihre Mahlzeiten. Der Volksmund nennt es "Finger in den Hals stecken". Manche Patienten können aber auch durch bestimmte Muskelanspannungen einen Brechreiz auslösen. Neben dem Erbechen gibt es allerdings auch Patienten mit Bulimie, die auf andere Weise versuchen, ihr Gewicht zu regulieren oder zusätzlich zum Erbrechen folgende Maßnahmen ergreifen:
  • Einnahme von entwässernden Medikamenten
  • Einnahme von Appetitzüglern
  • Einnahme von Schilddrüsenhormonen
  • oder übermäßiger körperlicher Aktivität.

 

6. Bulimie-Anzeichen: depressive Stimmung.
Eine Bulimie geht häufig einher mit Stimmungsschwankungen oder auch Depressionen. Viele Patienten leiden zudem unter einer gestörten Impulskontrolle wie Alkoholmissbrauch, häufigem Partnerwechsel oder zwanghaftem Stehlen (Kleptomanie).
Berufliche Leistungsfähigkeit und soziale Netzwerke mit Beziehungen zu Freunden und Familie leiden unter der Bulimie deshalb ebenfalls ganz erheblich. Mit zunehmender Krankheitsdauer verliert der Betroffene meist immer mehr Personen, die ihm Halt und Hilfe bieten können.


Warnsignale, die auf eine Bulimie hindeuten.


Unzufriedenheit mit dem Äußeren
  • Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper
  • Ständige Beschäftigung mit dem Wunsch, dünner zu werden
  • Angst vor Gewichtszunahme
  • übermäßige sportliche Aktivität
  • verändertes, chaotisches Essverhalten
  • häufige Diäten
  • unkontrollierbare Essanfälle (wird meist vor Außenstehenden verheimlicht)
  • heimliches Erbrechen
  • Einnahme von Abführmitteln, harntreibenden Mitteln oder Appeitzüglern

Körperliche Warnsignale
  • Schmerzen im Hals, Speiseröhre, Magen, Darm
  • Wasseransammlungen unter der Haut
  • Schwellungen der Speicheldrüsen (ähnelt einer Mumpserkrankung)
  • Zahnschmerzen und Zahnzerstöurngen

Emotionale Warnsignale
  • Depression
  • Stimmungsschwankungen
  • Labilität und Impulsivität

Wie entsteht eine Bulimie oder Ess-Brechsucht?
Bei der Entstehung einer Bulimie oder Ess-Brechsucht spielen wie bei vielen Essstörungen verschiedene Faktoren zusammen, die sich gegenseitig beeinflussen. Stress. Angst. Überforderung. Häufig sind familiäre, berufliche oder schulische Konflikte der Auslöser. Hauptursache sind deshalb psychologische, gesellschaftliche und biologisch-genetische Einflüsse.


Psychologische Einflüsse.
Bei der Erkrankung an Bulimie spielt die psychische Verfassung eine wichtige Rolle. Vor allem das Selbstwertgefühl von Betroffenen ist deutlich beeinträchtigt. Sie versuchen dies durch ihr Äußeres Erscheinungsbild, ein übertriebenes Schlankheitsideal, zu kompensieren. Wer schlank ist, der ist schön. Wer schön ist, der wird geliebt – so die unterbewusste Denkweise.
Gleichzeitig sind Bulimie-Betroffene typischerweise durch chronische Belastungen wie Partnerschafts- oder Familienkonflikte, berufliche oder schulische Probleme psychisch verunsichert. Sie sind emotional instabil und können in ihrem Selbstwertgefühl weiterhin sinken.


Gesellschaftliche Einflüsse.
Der Überfluss beim Nahrungsangebot, aber auch lockende Nahrung wie Süßigkeiten oder Schokolade stellen eine Risikosituation für Essstörungen dar. Dazu kommt das ständig drückende Schlankheitsideal: Betroffene versuchen sozialen Normen zu genügen und deshalb ihr eigenes Körpergewicht immer weiter zu senken. Sie beginnen eine Diät. Dies steigert schließlich den Antrieb zu essen so stark, dass die Betroffenen dem keine willentlichen Schranken mehr entgegensetzen können. Dies führt unweigerlich zu der charakteristischen Essattacke einer Bulimie. Die Diät scheitert. Patienten sind hilflos einem Kreislauf von Heißhungeranfällen, ständigem Essen und nicht funktionierenden gegensteuernden Maßnahmen ausgesetzt.


Biologisch-genetische Einflüsse.
Auch biologisch-genetische Faktoren gelten als weitere Ursache einer Bulimie. Begünstigend sind genetische Faktoren, was Zwillingsuntersuchungen und die beobachtete familiäre Häufung von Essstörungen belegen. Die Bedeutung der Erbfaktoren ist bei einer Ess-Brechsucht jedoch geringer als bei der Magersucht.


(Quelle: http://www.schoen-kliniken.de/ptp/medizin/psyche/essstoerung/bulimie/einfuehrung/, abgerufen am 03.04.2012)