Samstag, 15. September 2012

Die Bulimie besiegen

Anscheinend werden jede Menge Leute auf meine Seite gespült, die bei Google nach "Bulimie besiegen" gesucht haben. Die Bulimie zu besiegen klingt für mich danach, als würde man Bulimie als Person sehen, und sie quasi als Feind besiegen und die Macht über sie gewinnen.
Ich habe dieses Bild vor einigen Monaten selbst gezeichnet und bin von dem Begriff nicht mehr überzeugt.
Im Kampf macht es Sinn, vom "Feind" zu sprechen, wenn es sich um Bulimie handelt, nicht.
Denn dieses Bild birgt einige Gefahren: wenn die Bulimie mein Feind ist, kann ich mit Rückfällen nicht konstruktiv umgehen. Ein Rückfäll wäre mit dieser Einstellung rein negativ besetzt. Ein Rückfall wäre schlimm, ich würde mich runtermachen, ich würde mich als schwach beschimpfen, ich würde mir dann schwören müssen: das war das allerletzte Mal, dass mir sowas passiert ist. Ich würde mir Vorwürfe machen, warum ich es wieder nicht geschafft habe. 
Und genau dort liegt die Schwachstelle dieser Einstellung. Ich komme nur weiter, wenn ich einsehe, dass Rückfälle nicht einfach nur schlecht sind, wenn ich Rückfälle von vornherein mit einplane, wenn ich weiß, es wird mit Sicherheit Rückfälle geben. Warum? Weil Rückfälle ein Zeichen sind für Baustellen in meinem Leben, die ich mir näher anschauen muss.
Mit Bulimie fällt es leicht, diese Baustellen einfach zu ignorieren, ich muss ja nicht hinhören wenn irgendwo ein Problem ist, ich überesse es einfach.
Wenn ich dann die Bulimie mit ihren praktischen Symptomen, die mir das Leben auf kurze Sicht erleichtern, weil ich durch sie unangenehmes ausblenden kann, einfach weglasse, und keine anderen Lösungsstrategien anwenden kann (einfach weil ich es nie gelernt habe), dann wird es echt schwierig.
Auf alle Fälle würde ich Rückfälle - und wenn es wirklich einzelne Rückfälle sind und kein Abdriften in die Bulimie-  als positives Signal werten. Und dann kann ich nicht sagen "ich habe die Bulimie besiegt", weil ich die Bulimie nicht als Feind betrachte.
Eine gesunde Heilung würde ich beschreiben mit "sich von der Bulimie verabschieden". Obwohl das wieder mit einer Person assoziiert werden würde, hm. Dennoch hat dieser Begriff etwas menschlicheres. Ich kann nicht etwas bekämpfen, was ein Teil von mir ist oder über die Jahre geworden ist, je schlimmer es auch sein mag. Bulimie ist definitiv an sich nichts gutes. Aber ich kann gute Schlüsse daraus ziehen, und es war auf keinen Fall eines nicht: umsonst. Glaubt mir, ihr habt diesen ganzen Shit nicht umsonst mitgemacht.
Meiner Meinung nach kann solch eine Strategie, also mit dem Bulimie als Feindbild, nur sehr schwer damit vereinbart werden, sich selbst lieben zu lernen.

Mittwoch, 12. September 2012

Den Serotoninspiegel stabilisieren

Ein permament zu niedriger Serotoninspiegel kann unterschiedlichen Quellen zufolge (u.a. Imke Jochims in "Zucker und Bulimie") zu Heißhungerattacken führen.
Ich halte viel von diesen gehirnchemischen Ansätzen, weil meiner Meinung nach bei einer solchen psychosomatischen Erkrankung wie der Bulimie nicht nur die Psyche des Menschen eine Rolle spielt- daher eben auch der Begriff "psychosomatisch".

Ja, und da kommen wir auch schon zu den Möglichkeiten, wie man den Serotoninspiegel wieder ins Lot bringen kann (Auszug aus o.g. Buch):

- wenn serotonin fehlt, erzwingt das appetitzentrum des gehirns den konsum von kohlenhydraten. das appetitzentrum (hypothalamus) ist staerker als jeder wille. blutzuckerspiegel stabil halten: lebensmittel mit niedrigem glykaemischen index. gleichzeitig sorgen sie durch ihren (komplexen) kohlenhydratanteil fuer einen angemessenen serotoninaufbau und provozieren keinen suchteffekt. die mahlzeiten sollten hauptsaechlich aus komplexen kohlenhydraten bestehen, protein als ergaenzung. wer feststellt dass er auf bestimmte lebensmittel suechtig reagiert muss sie weglassen.

- abgesehen von falscher ernaehrung wird das serotonerge system auch durch bestimmte soziale konflikte destabilisiert, besonders konflikte im bereich fuersorge/ intimitaet, status/ dominanz. jegliche stabilisierung des sozialen systems lindert die anzahl und ausmaße der essanfaelle als auch die psychischen probleme.

- sport kann biochemie des gehirns so veraendern dass man weniger essanfaelle/ essdruck bekommt und sich staerker und gesuender fuehlt. sport steigert entweder den serotoninspiegel (wenn er ruhig und ausgeglichen ist) oder den dopamin-/noradrenalinspiegel. sport baut muskeln auf und muskeln sind das einzige organ das zucker aus dem blut in angemessener menge herausziehen kann und so den blutzuckerspiegel natuerlich reguliert. je mehr muskeln ein mensch hat, desto stabiler ist seine blutzuckerreaktion (heißt, dass „ernaehrungsausrutscher“ bzw ungesundes den blutzuckerspiegel jenes menschens weniger stark beeintraechtigt). eine halbe stunde laufen am tag wirkt ebenso antidepressiv wie entsprechende medikamente. bestimmte sportarten kurieren zudem eine erschoepfung der nebennieren und sorgen fuer eine psychisch ausgeglichene stimmung. sport ist notwendig um cortisol und andere stresshormone abzubauen, die sonst „giftig“ und zerstoererisch im koerper wirken.

- regelmaeßige schlafzeiten normalisieren den cortisolspiegel, wirken sich guenstig auf den serotoninspiegel aus, beheben eine erschoepfung der nebennierenrinde und dienen der erholung. am besten sind mindestens 7 stunden schlaf pro nacht.

- eine der wirksamsten methoden, den serotoninspiegel zu heben, ist schreiben. schreiben sie jeden morgen etwa 10 minuten etwas zu folgendem thema auf: „angenommen, ich waere frei, was wuerde ich denken, planen, tun, fuehlen ?“ es ist gleichgueltig ob sie jeden morgen dasselbe schreiben, hauptsache sie schreiben. bis sie ein halbes jahr lang keine es mehr haben.

- beruhigende, sanfte musik steigert die ausschuettung von serotonin und entspannt. wenn man spuert, dass ein essanfall naht, kann man beruhigende, serotonin steigernde musik auflegen, die man mag. das traegt zur milderung der ablaufenden stressreaktion bei