Samstag, 27. August 2016

Körperliche Symptome bei der Heilung: Wie lange dauert die Regeneration?

Sehr oft wird mir die Frage gestellt, wie lange es "nach" der Bulimie bzw. auf dem Weg der Genesung dauert, bis sich einzelne Symptome wieder normalisieren. Darum habe ich eine kurze Liste mit den häufigsten Symptomen für euch gemacht, die auf meiner Erfahrung basiert:


Hamsterbacken:

Wie entstehen sie?
  • Hamsterbacken entstehen durch überbeanspruchte Speicheldrüsen. Beim Erbrechen wird sehr viel Speichel gebildet, wodurch die Drüsen teilweise bis auf das Doppelte oder Dreifache der normalen Größe anschwellen und dadurch als ein wichtiges äußeres Erkennungsmerkmal der Bulimie gelten. Der Fachbegriff hierfür ist Sialadenose
Wie bilden sie sich zurück?
  • Damit sie sich zurückbilden, darf also nicht mehr erbrochen werden (dabei wird sehr viel Speichel benötigt). Je seltener erbrochen wird, desto eher bilden sie sich zurück. Möglicherweise unterstützt das Lymphsystem den Prozess, dessen Aktivität durch Bewegung angeregt werden kann. Bewegung könnte das Abschwellen also beschleunigen, allerdings habe ich noch keine wissenschaftlichen Belege für diese Vermutung finden können.
Wie lange dauert es?
  • Nach meiner Erfahrung dauert es ca. 3 - 4 Wochen, je nachdem, wie stark die Schwellung war. 


Haarausfall

Wie entsteht er?
  • Haarausfall bei Bulimie wird durch ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren verursacht. So sind Hormonstörungen, Nährstoffmangel (inkl. Eiweißmangel) und ein zu hoher Cortisolspiegel (Stresshormone) für den Haarausfall verantwortlich. Dadurch kann es einige Zeit dauern, bis sich das Haarwachstum wieder normalisiert. 
Wie normalisiert er sich?
  • Wenn ausreichend Nährstoffe über die Ernährung zugeführt werden und das Stresslevel gesenkt wird, können sich die Haare wieder regenerieren.
Wie lange dauert es?
  • Es braucht ca. 3-6 Monate (je nach Länge), bis sich Veränderungen zeigen. Der Ansatz kann aber schon sehr viel früher nachwachsen. Die Haare werden wieder gesünder, glänzen mehr und werden voller.
Wikimedia Commons


Trockene Haut

Wie entsteht sie?
  • Hauptsächlich entsteht trockene Haut aufgrund des Nährstoffmangels und weil die Nahrung durch das Erbrechen nicht vollständig aufgenommen werden kann. In gewissen Bereichen kann trockene Haut allerdings auch durch den Kontakt mit Magensäure entstehen, wie um den Mund herum oder auf der Handfläche.
Wie normalisiert sie sich?
  • Wie bei allen anderen Symptomen auch, hilft nur, das Erbrechen zu reduzieren. Dann kann der Körper wieder die notwendigen Nährstoffe aus der Nahrung aufnehmen und sie den einzelnen Körperbereichen, einschließlich der Haut, zuführen. 
Wie lange dauert es?
  • Dieses Symptom ist oft schon schnell wieder verschwunden: ca. nach 3 Monaten.


Vergrößerter Magen

Wie entsteht er? 
  • Wer monate- oder jahrelang zuviel auf einmal isst, dessen Magen vergrößert sich, weil sich der Körper an die Gegebenheiten anpasst. Oft geht damit auch eine Verlangsamung der Magenentleerung einher sowie entsprechende Verdauungsprobleme und ein generelles Unwohlsein, weil der Körper nicht mehr richtig arbeitet.
Wie normalisiert er sich? 
  • Wenn die Mahlzeiten hinsichtlich ihrer Größe langsam normalisiert werden, passt sich der Körper auch wieder daran an und schrumpft. 
Wie lange dauert es?
  • Meiner Erfahrung nach dauert dieser Prozess ca. 2-4 Monate.


Empfindliche Zähne

Wie entstehen sie?
  • Durch das Erbrechen gelangt Magensäure in den Mund und in Kontakt mit den Zähnen. Dadurch wird der Zahnschmelz, die "Schutzschicht" der Zähne stark angegriffen.
Wie normalisieren sie sich?
  • Durch Vermeiden des Erbrechens und möglichst säurearme Ernährung (also wenig saure Früchte und Süßes), werden die Zähne geschützt und der Zahnschmelz kann remineralisieren. Gewisse Zahnpflegeprodukte wie Elmex Gelee oder Sensodyne Proschmelz können die Zähne zusätzlich schützen und verloren gegangene Mineralien in den Zahnschmelz zurückführen.
Wie lange dauert es?
  • Je nachdem, wieviel Zahnschmelz bereits geschädigt wurde, kann es sein, dass sich das Zahnschmelz gar nicht mehr normalisiert. Wenn allerdings noch keine Zahnschäden bekannt sind und die Zähne nur ab und zu empfindlich reagieren, kann sich das Symptom bereits nach wenigen Wochen wieder zurückbilden.

Verdauungsstörungen (v.a. Verstopfung)

Wie entstehen sie?
  • Durch die lange unregelmäßige Nahrungszufuhr und dem Erbrechen wurde der Körper auf eine harte Probe gestellt. Die Verdauung, wie auch alle anderen körperlichen Vorgänge, unterliegen einer biologischen Uhr, dem Biorhythmus. Wenn beispielsweise nachts viel gegessen wird, bringt allein das den Körper schon stark aus seinem ursprünglichen Gleichgewicht. Wenn das Essen dann bei der Bulimie allerdings auch noch erbrochen wird, ohne dass der Körper es "will", dann wurden bereits mehrere Verdauungsprozesse erwartungsvoll angeworfen, ohne dass letztlich "etwas kommt". So können die Abläufe also nicht wie natürlich vorgesehen stattfinden und der Prozess wird verlangsamt: die Verdauung erlahmt und Verstopfung entsteht. 
Wie normalisiert sich die Verdauung?
  • Wie viele der anderen Symptome auch, funktioniert die Verdauung durch Regelmäßigkeit am besten. Wenn man sich eine Struktur schafft, arbeitet auch der Körper mit und reagiert mit Hunger zu den entsprechenden Zeiten und einer geregelten Verdauung (z.B. Stuhlgang immer morgens zur ungefähr gleichen Uhrzeit).
Wie lange dauert es?
  • Auch hier gilt: Je stärker die Verdauung aus dem Gleichgewicht geraten war, desto länger braucht es, bis sie wieder normalisiert ist. Nach ca. 2-3 Monaten kann sie sich schon wesentlich verbessert haben, manchmal sogar schon nach wenigen Wochen.

Wassereinlagerungen

Wie entstehen sie?
  • Die offizielle Erklärung für Wassereinlagerungen basiert auf dem Elektrolythaushalt bzw. dem Ungleichgewicht der Mineralien im Körper, die durch Erbrechen und ungenügende / unausgewogene Ernährung entstehen. Daran besteht kein Zweifel. Eine gesunde Ernährung, vor allem mit vielen pflanzlichen Lebensmitteln, enthält aber noch viele Bestandteile, die gegen Wassereinlagerungen wirken, indem sie den Stoffwechsel unterstützen und das überschüssige Wasser abtransportieren. Oft sind bei Bulimie jedoch auch Nierenstörungen vorhanden, die für Wassereinlagerungen verantwortlich sind, und die von einem Arzt behandelt werden müssen.
Wie können die Wassereinlagerungen wieder verschwinden?
  • Wie alle anderen Symptome auch, können die Wassereinlagerungen durch eine ausgewogene Ernährung und das Vermeiden von Erbrechen rückgängig gemacht werden. Indem dem Körper wieder die notwendigen Mineralien und Nährstoffe zugeführt werden, besteht kein "Anlass" mehr, Wasser im Körper anzulagern.
Wie lange dauert es?
  • Die Wassereinlagerungen können nach wenigen Wochen wieder verschwinden. Sport kann den Prozess beschleunigen, indem es den Stoffwechsel anregt und das Lymphsystem und somit den Abtransport des überschüssigen Wassers unterstützt. Gleichzeitig sollte ausreichend getrunken werden, um dem Körper bei diesem Prozess zu helfen.

4 Kommentare

  1. Ein wirklich guter Blog! Ich beschäftige mich auch schon seit langem mit dem Thema der Heilung von Bulimie. Mittlerweile habe ich die Bulimie sogar erfolgreich hinter mir lassen können und hoffe nun auch noch darauf, dass sich alle körperlichen Schäden wieder regenerieren. Da ich das Binge Eating noch nicht ganz im Griff habe (aber sehr wahrscheinlich sehr bald im Griff habe) hoffe ich, dass mein Körper sich wieder so gut es geht selbst heilen kann. Schon verrückt was man sich selbst damit antun kann .... deine Artikel geben sehr hilfreiche Informationen dazu. Danke dafür :)

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  2. Anonym03 August

    Eine Anmerkung zum vergrößerten Magen: Nach meiner - natürlich rein subjektiven - Erfahrung schrumpft er erheblich schneller. Nach nur wenigen Tagen des - ja, ich weiß, nicht gesund (ich arbeite dran) - restriktiven Essens ist er schon erheblich (!) kleiner. Natürlich kann man davon ausgehen, dass er sich bei nicht so drastischer Reduktion (also auf ein Normalmaß an Nahrung statt "wenig") nicht ganz so schnell verändert, trotzdem würde ich vermuten, dass die Verkleinerung dann doch zumindest in ein paar (wenigen) Wochen stattfinden kann.

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    1. Gut möglich. Womöglich ist die Geschwindigkeit der Rückbildung auch davon abhängig, wie lange der Magen vorher vergrößert war. Und natürlich davon, wie stark vergrößert der Magen war.

      Habe hier noch etwas dazu gefunden: "Schon 1988 fand Geliebter heraus, dass schlanke Menschen einen Mageninhalt von durchschnittlich 1100 Millilitern haben. Bei Fettleibigen ist das Volumen fast doppelt so groß. [...] Die Mägen von fettleibigen Menschen, die der Forscher vier Wochen auf eine radikale Diät setzte, verloren etwa ein Drittel ihrer Kapazität." aus: http://www.zeit.de/2014/06/stimmts-magen-groesse

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  3. Ich bin jetzt seit knapp 6 Wochen "trockene bulimikerin". Vorher war ich 10 Jahre erkrankt, nur in meiner Schwangerschaft gab es eine Pause. Ich bin sehr stolz! Die Probleme mit der Verdauung waren bei mir sehr extrem, die bauchspeicheldrüse war sehr überfordet und entzündete sich. Das hat sich nach etwa einem Monat gelegt. Allerdings bekomme ich immer mehr Pickel und eine generell unreine Haut. Kennt das von euch noch jemand? Liegt das vielleicht an einer hormonumstellung oder so? Ich fühle mich wie ein pickliger Teenie und wäre sehr erleichtert wenn eine von euch dieses Problem kennt und mir sagen kann, ob und wie das wieder von allein verschwindet oder ob ich doch einen Arzt dazu befragen sollte.

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