Montag, 26. Mai 2014

Was ist "gesunde Ernährung" überhaupt?

Wahrscheinlich hat sich jeder von euch schon einmal gefragt, wie die optimale Ernährung aussieht. Es gibt viele Ernährungsformen, und jede behauptet von sich selbst, die gesündeste zu sein. Mit jedem neuen Ernährungs-"Trend" fühlt man sich, besonders wenn das eigene Essverhalten nicht ganz so gefestigt ist, verunsichert: soll ich jetzt Milchprodukte weglassen? Abends keine Kohlenhydrate mehr, oder am besten ganz auf Kohlenhydrate verzichten? Und wie soll das überhaupt funktionieren? Sicher habt ihr euch diese Fragen so oder so ähnlich auch schon mal gestellt.
Doch was ist überhaupt gesunde Ernährung- und gibt es eine Form der Ernährung, die für alle die beste ist? Und gibt es eine bestimmte Ernährungsform, die besonders gut ist, um den Ausstieg aus der Bulimie zu unterstützen? Dem werde ich heute nachgehen.

Ich kann hier keine Ernährungsregeln aufstellen. Vor allem auch deshalb nicht, weil ich selbst meinen Weg aus dem FA-Dickicht ohne jegliche "Regeln" beschritten habe. Und wie ihr merkt, wiederspreche ich an dieser Stelle auch ein wenig dem Artikel aus der vorletzten Woche- siehe Punkt 8 und 10. Wieder ein Zeichen dafür, dass Ernährungsregeln nicht unbedingt viel oder nicht unbedingt bei jedem helfen. Aber was mir geholfen hat, war folgendes: Ich habe mir eine Mahlzeit ausgesucht, die mir "heilig" sein sollte: bei mir war es das Frühstück. Wenigstens für das Frühstück wollte ich mir Zeit nehmen und es zelebrieren. Dafür habe ich schön eingekauft, war meistens beim Bäcker, habe nicht die Kalorien nicht begrenzt (es waren schon sicherlich um die 1000 Kalorien- zur Orientierung: eine Rosinenschnecke und 1-2 Brötchen waren nur die Grundlage, dazu Eier, Käse,...) und es wirklich genossen. Und das jeden Tag. Ich hatte irgendwann das Gefühl, ohne richtiges Frühstück nicht funktionieren zu können.

Nach 2-3 Jahren habe ich dann festgestellt, dass ich generell zuviele Backwaren verzehrte- ja, mein Verdauungstrakt machte sich auf unangenehme Art und Weise bemerkbar. Darum musste ich meine Ernährung wieder ein bisschen umstellen, und heute ernähre ich mich so, dass man es gemeinhin als "gesund" bezeichnen könnte: Obst und Gemüse stellen meine Ernährungsgrundlage dar, und ich habe seit Längerem mehrmals täglich Lust auf was Frisches- das kannte ich früher nicht. Vielleicht haltet ihr es für unvorstellbar- aber es geht dabei nicht um Kalorien, oder darum sie einzusparen. Vielmehr habe ich heute das Gefühl, meinem Körper das zu geben, was er braucht. Und das ist eben mal ein Stück Fenchel oder gebratene Auberginen, oder ein Stück Mohnstreuselkuchen. Oft auch in Phasen- gerade esse ich sehr viele Tomaten mit Basilikum und letzte Woche musste ich 4 Pakete Heidelbeeren kaufen....

Aber dennoch muss ich sagen, dass ich es damals nicht geschafft hätte, wenn ich sofort versucht hätte, mich "total gesund" zu ernähren. Niemals. Ich musste mit den Lebensmitteln arbeiten, die mir bekannt waren. Das heißt nicht, dass ich mich völlig ungesund ernährt hätte- ich habe sehr viel im Bioladen eingekauft, viele Vollkornprodukte und auch Obst und Gemüse. Ich weiß einfach wirklich nicht, ob es einen Masterplan dafür gibt. Aber meine Erfahrung sagt, dass es mit der Zeit kommt, und dass sich der Körper auch anpasst: möglicherweise könnte man es so erklären: die erste Stufe besteht daraus, das Essverhalten zu strukturieren, also z.B. nicht ständig zu essen, sondern -wenigstens grob- Mahlzeiten einzuhalten. Im nächsten Schritt kann dann die Ernährung an sich adaptiert und verbessert werden. Beides zusammen und gleichzeitig führt sicherlich zur Überforderung.

Zum Thema Intution: Man hört ja immer, man solle das essen, worauf man Lust hat, und auf seinen Körper hören. Das ist aber ganz schön schwer, wenn man den Körper immer "verarscht" und an der Nase herumführt: erst gibt man ihm, was er scheinbar will, und dann nimmt man es ihm wieder weg. Kein Wunder, dass viele Bulimiker oft auch mit Insulinproblemen und niedrigen Blutzuckerspiegeln zu kämpfen haben- und natürlich mit vielen anderen körperlichen Folgen.

Das richtige Essen -und somit eine gesunde Ernährung- kann nur dann funktionieren, wenn man sich eine Chance gibt und es lernt. Lernen funktioniert nur, wenn man es immer wieder tut. Wenn man immer wieder auf sich hört und dem Körper dann auch das gibt, wonach er verlangt. Dabei ist es ganz besonders schwierig, zwischen der Intuition, also dem emotionalen Erfahrungsschatz, und dem Verstand ("wieviele Kalorien, ...") zu unterscheiden. Und das kann jeder lernen! Auch bei mir hat es wirklich lange gedauert. Und es kann auch nur dann funktionieren, wenn man sich aus seiner Komfortzone herausbewegt: das bedeutet, neue Lebensmittel auszuprobieren, damit sie in die körpereigene "Datenbank" eingespeichert werden können, wenn der Körper mir wieder sagen soll, worauf er Lust hat. Wenn die Datenbank nur voll ist von Kuchen, Keksen, Pizza & Co., dann kann er mir auch nicht aus dem Nichts etwas anderes hervorzaubern. Ich mache das übrigens immer noch, und speise immer wieder neue Lebensmittel in die Datenbank ein. Das ist ein Punkt, den ich für überaus wichtig halte, und den ich in dieser Form noch in keiner Ratgeberliteratur lesen konnte. Kein Wunder, dass sie so oft nicht funktioniert... Also: Möbelt eure Datenbank auf!

Eine per se gesunde Ernährungsweise, die also für alle gleichermaßen gilt, sei es vegan, Paleo o.ä., gibt es meiner Meinung nach nicht. Möglicherweise schreibe ich zum Thema "vegan" noch mal einen gesonderten Artikel- falls es jemanden interessiert (?).

Habt ihr auch eine Mahlzeit, die euch ganz besonders wichtig ist?

--- Kleiner Nachtrag vom 14.06.: Ich habe noch einen Artikel gefunden, den ich für lesenswert halte. Er ist zwar schon etwas älter, aber wie ich es um mich herum und in der öffentlichen Diskussion so mitbekomme, sind die Einstellungen zum Essen in der Gesellschaft mittlerweile sogar noch extremer geworden: http://www.zeit.de/zeit-wissen/2006/05/Titel_Ernaehrung.xml Ihr seht also, es gibt mehr als eine Meinung zu dieser Frage "Was ist gesunde Ernährung"...---