Glücklicherweise habe ich selbst eine zweijährige vegane Erfahrung gemacht. Mittlerweile habe ich wieder Fisch und Fleisch in meinen Speiseplan mit aufgenommen. Mitunter auch deshalb, weil das Vitamin B12 nicht in Pflanzen vorkommt, und sich die Natur bzw. die Evolution meiner Meinung nach irgendetwas dabei gedacht haben muss.
Im Übrigen: Früher hätte man sich nicht vegan ernähren können, denn es gab noch keine B12-Supplementierungen in Kapselform. Außer man hätte es wie vegane Inder gehandhabt, die ihre Lebensmittel nicht ganz so gründlich reinigen, so dass genügend Mikroorganismen hängenbleiben. Der B12-Aspekt ist für mich ein Grund dafür, dass ich die vegane Ernährung nicht radikal vertreten kann. Hier und hier übrigens ein interessanter Erfahrungsbericht von zwei langjährigen Ex-Veganerinnen...
Nun aber zu meiner kleinen Auflistung. Was ist gut, was ist schlecht an der veganen Ernährung, und kann vegan wirklich einen positiven Einfluss auf das Essverhalten oder das Wohlbefinden haben?
Vorteile:
- Einfachere und schnellere Verdaulichkeit von pflanzlicher Nahrung
- Dadurch weniger Müdigkeit nach dem Essen
- Körperliche und kognitive Leistungsfähigkeit steigt, weil der Körper weniger Energie zur Verdauung benötigt.
- Als negativ wahrgenommene Aspekte des Essens an sich verlieren dadurch an Bedeutung (z.B. Müdigkeit durch schlechte Verdaubarkeit), das Essen kann in der Hinsicht positiv umbesetzt werden und möglicherweise tatsächlich wieder als Energie-Bringer und nicht als Kalorienträger betrachtet werden
- Teils bessere Verwertbarkeit von Lebensmitteln, da Milchprodukte beispielsweise die Eisen- und Magnesiumresorption erschweren
- Bekannte Vorteile für die Umwelt, das Klima und die Tierwelt
- Viele Veganer berichten zudem davon, dass sie durch die neue Ernährungsweise viele neue Lebensmittel entdeckt haben (v.a. Gemüse- und Obstsorten), die sie vorher nicht kannten oder nicht wussten, was sie damit anstellen sollen.
- Das kann auch der Umwelt nutzen: Beispielsweise kann dadurch ein Bewusstsein für alte, aussterbende Sorten geweckt werden.
- Viele Veganer haben auch die Erfahrung gemacht, dass sie sich durch pflanzliche Nahrung körperlich reiner fühlen
- "Körperlich rein" fühlt man sich auch durch Erbrechen oder Hungern
- Zweifelhafter Aspekt: Hat das nicht auch ein wenig mit asketischen Grundgedanken zu tun?
- Reduktion des Körpergeruchs (v.a. Schweiß).
- Selbst während und nach dem Sport habe ich mit der veganen Ernährung weniger geschwitzt als als Vegetarier. Zusätzlich roch der Schweiß weniger intensiv. Viele Veganer berichten ähnliches. Tierische Lebensmittel werden scheinbar so verstoffwechselt, dass sie einen stärkeren Geruch erzeugen.
Nachteile:
- Vitamin B12 muss unbedingt supplementiert werden (Nahrungsergänzungsmittel, mittlerweile in Drogerien erhältlich), weil es nur aus tierischen Quellen für den menschlichen Körper verwertbar ist.
- Vitamin B12 - Mangel tritt erst nach Jahren in Erscheinung, mit oft irreversiblen Schäden
- Dogmatisierung teilt Lebensmittel in gut / schlecht bzw. erlaubt / nicht erlaubt ein
- Kann zu extremer Auseinandersetzung mit der Nahrung und Essgewohnheiten führen, auch Rückfälle in alte Verhaltensmuster ist dann möglich
- Weglassen von "Genuss"-Nahrungsmitteln, Essen dient dann ausschließlich noch dazu, den Körper optimal zu versorgen
- Zwanghaftes Essverhalten möglich
- Man muss sich gut informieren, um wirklich alle notwendigen Nährstoffe aufzunehmen, sonst drohen Mangelerscheinungen. Eisen zählt beispielsweise zu diesen kritischen Stoffen, da es vor allem in tierischen Produkten enthalten ist.
- "Neuveganer" entwickeln oft einen missionarischen Eifer, auf den Andersdenkende ablehnend reagieren
- Man muss lernen, damit umzugehen und für die eigene vegane Ernährungsweise zwar einstehen können, aber die Menschen nicht unentwegt damit nerven. Schließlich sind die allerwenigsten Menschen von Geburt aus vegan. Missionarisches Verhalten trifft letztlich immer auf Ablehnung, egal um welches Thema es sich handelt.
- Man umgibt sich als Veganer oft -ich sage oft, nicht immer- mit Leuten, die missionieren wollen und auf den immer gleichen, aber falschen Argumenten herumreiten
- Das kann nervig und teils auch gefährlich sein- wenn es sich bei den Missetätern um bekannte Veganer und sog. Experten handelt. Manche behaupten beispielsweise, dass die Aufnahme an B12 aus pflanzlichen Lebensmitteln ausreicht, was schlichtweg falsch ist. Es wird auf gewissen einschlägigen Seiten (wie auf Zentrum der Gesundheit) beschrieben, dass in Algen, Bierhefe und Sauerkraut B12 enthalten sei. Das darin enthaltene B12 vom Körper nicht verwertet werden- es handelt sich um sog. Analoga.
Kann die vegane Ernährung dabei helfen, weniger FAs zu haben oder gar dabei, sie ganz zu vermeiden?
Diese Frage lässt sich nicht eindeutig beantworten. Dafür sprechen allerdings folgende Gründe:
- Kasein: in Milchprodukten enthalten, kann ein Wohlbefinden hervorrufen, und gar opiode Wirkung haben (sog. Casomorphin). Milchprodukte sind oft auch Bestandteil von FAs, eben wohl deshalb, weil sie diese beruhigende Wirkung haben. Sicherlich werden sie unbewusst auch genau wegen dieser Wirkung eingesetzt. Lässt man sie in der Ernährung also gleich ganz weg, kann es sein, dass der ein oder andere FA vermieden werden kann, weil sie nicht als Einstiegs-Trigger genutzt werden können.
- Reduzieren des Konsums von Getreideprodukten und Backwaren: mit der veganen Ernährung geht meist ein generell bewussteres Essverhalten einher. Beispielsweise verzichten viele dann auch auf Weißmehlprodukte- eine der FA-Lebensmittelgruppen schlechthin. Getreide kann insbesondere bei Menschen mit Glutenintoleranz ein Gefühl der Behaglichkeit auslösen, möglicherweise wird genau das bei FAs ausgenutzt (es handelt sich dabei um die Exorphine aus Gluten, dem Eiweiß einiger Getreidesorten, u.a. Weizen, Roggen, Hafer). Getreide- und insbesondere Weißmehlprodukte fallen also in eine ähnliche Kategorie wie die Milchprodukte.
Mein Fazit
Ich halte eine milch- und getreidereduzierte Ernährung für Bulimiker für durchaus empfehlenswert. Man könnte es auch "pflanzliche Ernährung mit Fleisch- und Fischanteil" oder auch "Paleo" nennen. Dadurch lassen sich mit Sicherheit einige FAs vermeiden. Gegen eine ausschließlich pflanzliche Ernährung sprechen mehrere Gründe, die ich oben angeführt habe.
Es ist jedoch sicherlich ein guter Einstieg, für ein paar Wochen oder Monate ein rein veganes "Experiment" zu machen, um sich an eine neue Form der Ernährung zu gewöhnen und um ein Bewusstsein für gewisse Dinge zu schaffen. Würden mehr Menschen die vegane Ernährung kennenlernen, hätte es einen nicht zu unterschätzenden Effekt auf die Mitmenschen und den Planeten. Ganz auf Fisch und Fleisch zu verzichten- davon würde ich allerdings abraten. Es muss nicht viel sein, ein- bis zweimal Fisch oder Fleisch sind schon ausreichend. Ich denke, dass die Ernährung hier auch zu stark intellektualisiert ist, und ich bezweifle, dass das immer nur gut ist, denn dem Instinkt sollte in der Ernährung eben auch eine Rolle zukommen.
Generell kann man sich über dieses Thema bis zum Sankt Nimmerleinstag streiten. Letztlich muss es aber jeder für sich selbst entscheiden, wie er sich ernähren möchte.
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