Samstag, 3. Oktober 2015

Kann man es eigentlich auch ohne Therapie schaffen?

Oftmals bekomme ich die Frage gestellt - meist von Leuten, die schon mehrere Therapien hinter sich haben - ob eigentlich jeder Betroffene eine (Psycho-)Therapie machen sollte, beziehungsweise ob man es auch ohne Therapie aus der Bulimie herausschaffen kann.

Prinzipiell lautet meine Antwort darauf: Ja, man kann ohne Therapie gesund werden (schließlich habe ich es auch letztlich alleine herausgeschafft und vertrete daher natürlich diese Meinung) - aber man muss eine Reihe von Voraussetzungen mitbringen, um diesen Weg alleine zu bestreiten.

Aber wieviele Leute sind dafür bereit?


Leider sind die meisten Leute nicht dafür bereit. Das hat unterschiedliche Gründe. Viele wissen nicht, woher sie die nötige Hilfe zur Selbsthilfe bekommen und fühlen sich aufgrund der Krankheit meist selbst auch so entmutigt, dass sie diesen Schritt von sich aus gar nicht erst wagen. Das ist kein Vorwurf an Betroffene, sondern leider die Realität, die durch die öffentliche Meinung auch oft noch verstärkt wird.  

"Ohne Hilfe von außen kannst du es nie schaffen" scheint ein Standardsatz zu sein, den viele Betroffene hören. Dabei ist dieser Satz nicht immer wahr.

Es ist zwar äußerst schwierig, diesen Weg ohne Therapie zu gehen- aber nicht unmöglich - und es kann sogar eine Chance sein, sich bewusst keinen Therapeuten zu suchen. Warum? Weil man sich unabhängig macht und dann in den allermeisten Fällen auch zu denen gehört, die erkannt haben, dass man sich selbst helfen muss und das Leben, ganz allgemein und nicht nur auf die Bulimie bezogen, nur gelingen kann, wenn man es in die eigenen Hände nimmt.

Dabei schließt diese Erkenntnis gar nicht aus, dass man sich trotzdem einen Therapeuten sucht.

Aber wie auch immer- eines ist klar: die Heilung von Bulimie ist ein Weg und kein Einzel-Event. Kein "Klick" und dann ist alles anders. Denn Veränderungen brauchen Zeit, und letztlich muss man in jedem Fall, auch wenn der Wille noch so groß ist, gegen alte Gewohnheiten kämpfen. Dabei gibt es leichte und schwere Tage, Momente, Phasen.

Ich weiß, dass viele auf diesen "Klick" jahrelang warten und sich auch wiederholt bewusst dafür entscheiden, es jetzt sein zu lassen.

Wann also Therapie? 


Eine Therapie kann generell zweierlei bewirken: einerseits kann sie jemanden dabei unterstützen, die Entscheidung gegen die Bulimie bewusst zu fällen und andererseits kann sie jemandem helfen, der diese Entscheidung schon für sich getroffen hat, den Weg zu bestreiten. Eigentlich sind es nur diese beiden Dinge, bei denen die Therapie den Betroffenen unterstützt. Die dann Lösungen anbietet, wenn man selbst nicht mehr weiterkommt; die den Druck angesichts der unklaren Beschaffenheit dieses Wegs, der vor einem liegt, ein wenig wegnimmt.

Oft spielt auch der Aspekt eine Rolle, dass der Therapeut sich exklusiv Zeit zum Zuhören nimmt. Das ist beispielsweise mit Freunden nur begrenzt möglich, da man sich mit Freunden meist im Dialog unterhält. Im Normalfall möchte man als Betroffener seine Freunde auch nicht derart mit den eigenen Problemen belasten, und auch der Freund / die Freundin könnte sich aufgrund der Schwere des Problems überfordert fühlen. Wenn sich allerdings jemand von sich aus als Gesprächspartner genau dafür anbietet, so ist das natürlich einen Gedanken wert.

Wann kann es auch ohne Therapie funktionieren?


Hat man den Eindruck, gar nicht unbedingt einen regelmäßigen Gesprächspartner zu brauchen (auch wenn Gespräche für jeden Menschen für das psychische Wohlergehen wichtig sind), und das Thema eher mit sich selbst ausmachen oder "bearbeiten" möchte, dann sollte hierfür natürlich ein großes Maß an Selbststeuerungs-Fähigkeiten vorhanden sein. Im Normalfall hängt das auch vom Alter ab, und ich würde schätzen, dass diese zumindest im minderjährigen Alter noch nicht ausreichend vorhanden sind.

Viele Fragen, die im Alltag bei der Bewältigung der Bulimie auftauchen, kann zudem auch ein Psychotherapeut nicht beantworten. Hierzu zählen beispielsweise Fragen zur Ernährung. Hierbei könnte im Rahmen einer Therapie eigentlich nur ein Netzwerk an Experten helfen, das über Fachwissen in sämtlichen relevanten Bereichen verfügt. Aufgrund dessen wird auch in vielen Fachkliniken ein interdisziplinärer Ansatz verfolgt.

Sobald man selbst das Gefühl hat, dass Therapien nichts (mehr) bringen, und man darüber hinaus bereit ist, sich eigenverantwortlich weiterzuentwickeln, und diese Lösungen selbst suchen will, dann kann man es zumindest versuchen. Wenn man dann merkt, dass man nicht vorankommt, kann man immer noch einen Therapeuten aufsuchen.

Letztlich ist es immer wichtig, bei einem solchen "Abenteuer" seinen körperlichen Zustand zu kennen und sich bei riskantem Gewicht oder anderen gesundheitlichen Einschränkungen ärztlich durchchecken und eventuell begleiten zu lassen. Auch schwerwiegende psychiatrische Störungen neben der Bulimie schließen ein solches Vorhaben sicherlich aus.

Fazit 


Eigentlich geht es immer nur darum zu erkennen, dass man selbst derjenige ist, der die Bulimie besiegen muss. Solange das nicht wirklich verstanden wurde, ist es eigentlich völlig egal, ob man eine Therapie macht oder nicht - dann ist alles umsonst.

Sobald man diesen einen Aspekt aber wirklich verstanden hat, kann man sich einen Therapeuten suchen, der einem auf dem Weg unterstützt- oder sich dafür entscheiden, diesen Weg alleine zu gehen und sich je nach Bedarf Hilfe zu holen. Und das kann dann auch in Form von Büchern, Coaching oder eben Gesprächen mit Freunden passieren.

So einzigartig und individuell Menschen sind, so vielfältig sind auch die Möglichkeiten zur Heilung.

Samstag, 26. September 2015

Welche Rolle spielt Reflexion für den Weg aus der Bulimie?

Bulimie ist oftmals Ausdruck einer grundlegenden Erschütterung der eigenen Existenz; eine Suche nach Orientierung und Sinnhaftigkeit für das eigene Leben. Bulimie ist im wahrsten Sinne eine existenzielle Krise.

Solche existenziellen Krisen, die das eigene Dasein in Frage stellen, rütteln an den bisherigen Prinzipien, den Bausteinen, auf denen das Fundament des Lebens bislang gestanden hat. Das Fundament muss neu gegossen werden. Neue Prinzipien müssen her, neue Werte und neue Überzeugungen. Damit Neues entstehen kann, muss das Alte aber erstmal weg. Das erfordert in erster Linie das Bewusstsein dafür, dass das bisherige System nicht mehr funktional ist. Und erst wenn das Alte weg ist, kann an einem neuen Fundament gearbeitet werden.



„Problems cannot be solved at the same level of awareness that created them."
- Albert Einstein

Für dein neues Leben ohne Bulimie brauchst du ein neues Bewusstsein. Das hat nichts mit Spiritualität und Yoga zu tun - kann es auch - vielmehr mit deiner ganz persönlichen Arbeit an deiner Wahrnehmung. Obwohl klar ist, dass letztlich allein das Weglassen der bulimischen Symptome zu einer neurologischen Umstrukturierung und so zur Heilung führt*, so kommt es dennoch wesentlich darauf an, dass du diese Schritte auf psychischer Ebene vorbereitest und begleitest. 

Was meine ich mit „Arbeit am Bewusstsein“ oder "Arbeit an der Wahrnehmung“? Im Grunde das, was man auch mit der Fähigkeit zur Reflexion oder in manchem Kontext auch Reflexivität beschreiben könnte.

Reflexion ist die Fähigkeit, das eigene Denken zu prüfen und zu hinterfragen. Auch hierzu ist zunächst erforderlich zu erkennen, dass das eigene Denken bewusst wahrgenommen und gesteuert werden kann. Dazu gehören Fragen wie: Warum denke ich auf diese Art und Weise und nicht anders? Woher kommen diese Gedanken? Kann ich nachvollziehen, wie ich auf diesen Gedanken gekommen bin? Gibt es Faktoren, die meine Wahrnehmung und mein Urteil beeinflussen?


Reflexion wird graduell erworben- je öfter sie geübt wird, desto besser funktioniert sie und desto eher wird sie Bestandteil der eigenen Persönlichkeit. Reflexion macht es auch möglich, äußere Einflüsse wahrzunehmen, sie in Frage zu stellen und sie dann entweder bewusst anzuerkennen oder abzulehnen. Erst so ist die Formung der Persönlichkeit aus eigenem Antrieb heraus möglich.


Zurück zur Bulimie - warum ist Reflexion dann in der Hinsicht so wichtig? Jeder Impuls wie beispielsweise der Gedanke „jetzt hätte ich gern einen Essanfall“ führt nicht zwangsläufig zur Handlung (dem Essanfall). Auch wenn bei der Bulimie neurologische Strukturen existieren, die diese Handlung sehr stark begünstigen, so verfügt der Mensch dennoch über die Fähigkeit, den Impuls zunächst wahrzunehmen und dann willentlich darauf zu reagieren - das wird Impulsdistanz genannt.


Impulsdistanz verlangt Bewusstsein über den Impuls. Der Impuls muss zunächst wahrgenommen werden: Aha, es kommt der Gedanke „Ich will einen Essanfall“. Anschließend ist es dir freigestellt, darauf wie üblich zu reagieren- oder dir zu sagen: „Nein, heute will ich das nicht - Ich strukturiere heute bewusst mein Gehirn um, damit mir solche Entscheidungen in Zukunft noch leichter fallen.“


Und Reflexion ist nicht nur in direktem Bezug auf die bulimische Symptomatik wichtig, sondern wie oben schon angedeutet, für die Entwicklung der Persönlichkeit und der Ausbildung eines kritischen Geistes. Beispielsweise sind gesellschaftliche Konventionen wie das Schlankheitsideal oder Leistungsstreben für jeden Menschen zumindest nicht in vollem Umfang verpflichtend. Vielmehr ist es jedem Einzelnen freigestellt, ob er dem gesellschaftlichem Konsens zustimmt oder für sich eigene Werte und Prinzipien festlegt. 


Durch Reflexion und kritisches Hinterfragen treten auch Systeme und Muster zutage, die früher nicht klar waren. Dann tauchen beispielsweise Strukturen innerhalb der Familie auf, und auch dann erst kann man sich fragen, weshalb man gegenüber Eltern und Geschwistern vielleicht immer auf ähnliche Art und Weise agiert. Es könnte auch dazu führen, dass das Hinterfragen auch die Arbeitsstelle in Frage stellt, und es fällt vielleicht auf, dass man diese Arbeit gar nicht mehr für sinnvoll erachtet. Überhaupt ist Arbeit nicht nur dazu da, um Geld zu generieren, sondern sie erfüllt darüber hinaus noch vielfältige andere Zwecke: 


„Menschliche Arbeit hat nicht nur einen Ertrag, sie hat einen Sinn. Für die Mehrzahl der Bürger ist sie Gewähr eines gelingenden Lebensprozesses: Sie ermöglicht soziale Identität, Kontakte zu anderen Menschen über den Kreis der Familie hinaus und zwingt zu einem strukturierten Tagesablauf.“ - Willy Brandt, 1983.

Nicht von ungefähr „passiert" es daher oft schwerkranken Menschen, dass sie ihre Arbeit aufgrund der Konfrontation mit der eigenen Endlichkeit hinterfragen. Nicht wenige suchen sich nach der Überwindung der Krankheit eine ganz andere Arbeit; eine, die sie erfüllt, die sie mit dem Sinn ihrer Existenz verbindet und sie herausfordert. Aber auch Wünsche, die man als Kind hatte, bekommen dann oft eine ganz andere Dimension und mehr Bedeutung. Viele gehen dann erst das an, was sie „eigentlich schon immer mal machen wollten“, was aber aufgrund ihrer bisherigen Konformität mit gesellschaftlichen Anforderungen oder einfach einem nicht vorhandenen kritischen Hinterfragen des eigenen Lebensziels nicht umgesetzt wurde.

Viele solcher Menschen wurden beispielsweise auch für die Reihe der Süddeutschen Zeitung „ÜberLeben“ porträtiert. Menschen wie Sven Marx, der nach einem Gehirntumor mit dem Fahrrad um die Welt reist.


Es ist nie zu spät, um sich weiterzuentwickeln und seinem Leben eine völlig neue Wendung zu geben.


* Auch allein körperliche Veränderungen können zu einer Symptomfreiheit führen können: Eine Studie aus dem Jahr 2014 mit 118 Bulimiepatienten zeigte, dass eine dreimonatige ausschließliche Ernährung über eine Magensonde nach 3 Monaten bei 75% und nach 1 Jahr immerhin bei 25% zu einer totalen Symptomfreiheit führten. Das lässt darauf schließen, dass neurologische Strukturen normalisiert werden und den Essdruck verringern - ganz ohne psychologische Behandlung. [Link zur Studie]

Samstag, 19. September 2015

Bulimie und der Zyklus

Auf dem Weg zur Symptomfreiheit wird es dir immer häufiger bewusst werden, dass ein Essanfall auch ein Zeichen für dein Bedürfnis nach Ruhe sein kann. Ein Essanfall tritt dann oft genau dann ein, wenn du dich sammeln und dich zurückziehen willst. 

Äußerst interessant ist in diesem Zusammhang auch, welchen Einfluss eigentlich die Menstruation und der Zyklus auch auf die Psyche hat. Erstaunlicherweise ist es vielen Frauen oft gar nicht bewusst, dass die zweite Hälfte des Zyklus sie sehr viel besser mit ihrer Fähigkeit des urtümlich Weiblichen verbindet und sie genau in dieser Phase einen Essanfall bekommen, weil sie sich nicht genug Ruhe zugestehen.


Im Buch „Frauenkörper, Frauenweisheit“ von Christiane Northrup wird dieser Zusammenhang ganz eindrücklich beschrieben. In früheren Zeiten, in denen Frauen noch viel stärker im Einklang mit der Natur lebten, war es völlig natürlich, dass Frauen sich in den letzten 2 Wochen stärker auf ihre innere Stimme konzentrierten.


In den letzten beiden Wochen im Zyklus, auch Lutealphase genannt, bereitet sich der Körper auf eine mögliche Schwangerschaft vor. Er baut die Gebärmutterschleimhaut auf und versorgt sie mit Nährstoffen. Die Psyche ist dann eher „nach innen“ gerichtet.


In vielen Kulturen wird diese Phase mit Begriffen wie Dunkelheit, Mystik und dem Unbekanntem, aber eben auch dem Unbewussten in Verbindung gebracht. Es ist die Phase, die so gar nicht zu unserem gesellschaftlichen System und den darin gestellten Anforderungen passt. Vermutlich ist diese Phase daher auch so schlecht bewertet, und man vermeidet tunlichst, sich in dieser Phase etwas anmerken zu lassen. Wenn eine Frau sich zurückzieht, lieber alleine als in Gesellschaft sein will, entspricht sie nicht dem immer präsenten, geselligen, nach außen gerichteten Ideal der modernen Frau. Dabei ist das System des Kreislaufs, eines Aufs und Abs, sehr viel natürlicher als das lineare Prinzip unserer Leistungsgesellschaft. Man denke nur an Tag-Nacht, Ebbe-Flut, die Jahreszeiten, Geburt-Tod. Alles entsteht, stirbt und kehrt in übertragenem Sinne zurück.


Was hat das nun mit der Bulimie zu tun? Vor allem, weil doch viele Frauen mit Bulimie gar nicht sagen können, wann sie ihre Periode das nächste Mal bekommen, weil sie unregelmäßig ist?
Das ist genau die zentrale Frage: Welche gesellschaftlichen Auswirkungen haben Krankheiten wie Bulimie und Magersucht, wenn sie diesen Kreislauf so derart aus dem Gleichgewicht bringen.


Ich bin mir sicher, dass dieses scheinbar profane System - der weibliche Zyklus - eine ganz zentrale Antwort auf die Frage geben beinhaltet, welchen gesellschaftlichen Beitrag Frauen eigentlich leisten können, wenn man sich von der klassischen, nach männlichen Prinzipien funktionierenden Leistungsgesellschaft, abwenden möchte.


Bulimie reduziert Frauen in ihren Möglichkeiten, weil diese Krankheit i m m e r dazu führt, dass Frauen den Kontakt zu ihrer inneren Stimme verlieren. Diese innere Stimme gibt es in allen Kulturen, auf der ganzen Welt. Sie ist der Kern aller Religionen, und wird oft durch den Gott selbst verkörpert. Sie mag unterschiedliche Namen tragen, aber es geht immer um: Intuition, die eigene Mitte, das Selbst. 

Der Zyklus schafft genau das, wenn man lernt, ihn wahrzunehmen: Zugang zur eigenen inneren Stimme.


Auch aus diesem Grund wäre es immens wichtig, die Bulimie aufzugeben- Um wieder einen normalen Zyklus zu haben!



Literatur:


Northrup, C. (2010): Frauenkörper - Frauenweisheit. Wie Frauen ihre ursprüngliche Fähigkeit zur Selbstheilung wiederentdecken können. München: Goldmann Verlag.

Prost, W. (2010): Führe dich selbst. Die eigene Lebensenergie als Kraftquelle nutzen. 2. Auflage. Wiesbaden: Springer.


Auch äußerst empfehlenswert: Der Film „Der Mond in Dir. Ein zu gut gehütetes Geheimnis“ (Stream, auf Englisch):
http://www.4science.cz/en/stream/movie/11

Samstag, 12. September 2015

Warum Bulimie keine psychische Krankheit ist

- Vorwarnung (Nachtrag vom 22.09.2015): Dieser Artikel ist sehr zugespitzt formuliert. Eine strikte Trennung von Psyche und Körper kann man so nicht vornehmen. In Wahrheit ist die Thematik in der Wissenschaft natürlich nicht unbekannt und wird unter dem Begriff "Psychophysisches Problem" oder "Leib-Seele-Problem" diskutiert.

Die öffentlich weit verbreitete Annahme, dass Bulimie mit klassischer Psychotherapie beizukommen wäre und es mit "ein bisschen Reden über Gefühle" und der richtigen Einstellung schon irgendwie in den Griff zu bekommen sei, hat mich zu der Provokation hinreißen lassen. 

Ein detaillierter Artikel folgt in Kürze und sollte offene Fragen klären. Ich lasse den ursprünglichen Text daher bewusst unverändert.- 

Nach Jahren des Wälzens von Literatur und dem Austausch mit Therapeuten, aber vor allem der Kommunikation mit Betroffenen, die sich von Therapie zu Therapie quälen und doch keine Besserung erfahren, steht für mich eines fest: Bulimie ist keine psychische Krankheit.

Bulimie ist eine körperliche Störung, die durch klassische Konditionierung (unangenehmes Gefühl - Überessen) verursacht wird. Auslöser ist dabei in den allermeisten Fällen eine vorausgegangene Diät oder Kalorienreduktion. Dass das Verhalten längerfristig aufrechterhalten wird, hat mit einem gesteigerten Körperideal jedoch nichts zu tun. Sondern mit der eben genannten Konditionierung. Das bedeutet, dass durch durch ein wiederholtes Verhalten (Überessen und Übergeben) ein gewohntes Verhaltensmuster entsteht, das neurologische Bahnen im Gehirn hinterlässt und so irgendwann, meist schon nach wenigen Wochen, zur scheinbaren Lösung aller Probleme für den Betroffenen wird. Was hat das mit einer psychischen Krankheit zu tun? Richtig- nichts.

Psychische Krankheiten, sogenannte Komorbiditäten, können daraus entstehen - nicht nur eine, sondern auch mal zwei oder drei - wenn sich die Bulimie irgendwann auf alle Lebensbereiche auswirkt. Dann kann man nichts mehr mit Freundinnen unternehmen, weil man vielleicht ein Eis oder eine Pizza mit ihnen essen gehen muss. Also bleibt man zuhause. Am Anfang nur manchmal, irgendwann immer öfter. Bis man irgendwann so selten unter Leute geht, dass man eine Soziale Phobie entwickelt und gar nicht mehr weiß, wie man sich normal verhalten soll. Wie man kommuniziert. Weil das Fressen und Kotzen den ganzen Tag ausmacht, das Wochenende und den Urlaub bestimmt, verliert man die Freude an allem, was früher einmal Spaß gemacht hat. Man wird depressiv. Man denkt darüber nach, welchen Sinn das Leben noch macht. Und ja, meistens findet man in diesen Momenten keine wirklich plausible Antwort darauf. Bulimie schränkt die Lebensqualität von Betroffenen und Angehörigen massiv ein. Suizid ist dann oftmals keine ungewöhnliche Antwort auf diese schwierig zu lösende Situation.

Psychische Störungen entstehen in den allermeisten Fällen erst nachdem man in die Bulimie gerutscht ist. Sie sind nicht deren Ursache. Es gibt absolut keine Hinweise darauf, dass die Auflösung der vielbeschworenen Ursachen, die vermeintlich tief in der Psyche der Betroffenen schlummern, die Auflösung der Bulimie bewirken. [„There is no scientific evidence that resolving underlying psychological problems lead to recovery.“ - Walsh & Cameron, 2005]

Solange man das nicht begriffen hat, wird man seine Bulimie auch nicht besiegen. Denn die Ursache wird immer im Dunkeln bleiben. Und wie soll man dann sein Essverhalten normalisieren? Warum sind so viele Bulimiker schon seit Jahrzehnten in ihrer Essstörung gefangen? Sicherlich nicht, weil sie zu wenige Therapien gemacht haben. You do the math.

Samstag, 5. September 2015

Warum du ohne Schuldgefühle nach einem FA weiterkommst

„Schuldgefühle und Gewissensbisse sind psychologisch gesehen Ausweichtaktiken. Man ändert sich nicht, solange man übermäßig bereut. Lieber eine gute Tat als tausend Selbstanklagen. Was ohnehin nicht geändert werden kann, verdient keine langatmigen sittlichen Überlegungen.“ [Rattner et al. S. 41]

Obwohl es im Sinne eines FAs ja nicht direkt um „sittliche“, sondern vielmehr um psychologische Überlegungen geht, die das Selbstkonzept - also das, was du über dich selbst denkst - betreffen, lässt sich dieses Zitat auch auf die Selbstanklagen nach einem FA übertragen. Wer fühlt sich nach einem FA schon gut… Viel eher ist man geneigt, den FA als Misserfolg zu verbuchen.

Aber bringt es dich weiter, tagelang an einen Rückfall zu denken und dich deshalb schlecht zu fühlen? Wäre es nicht viel angenehmer, den FA als „in dem Moment nicht besser gekonnt“ zu verbuchen und dann auch aus dem Gedächtnis verschwinden zu lassen? Sich vielmehr zu überlegen: Was mache ich, wenn ich wieder in so eine Situation komme? Wie kann ich das angestrengte, angespannte Gefühl loswerden, ohne mich in einen FA zu stürzen? Und vielmehr in die Zukunft zu blicken, vielleicht eben auch in diese nächste riskante Situation, als immer wieder an die vermasselte letzte, an das Scheitern.

Psychologen bezeichnen das Festhalten an solchen Anklagen als „neurotisches Schulderleben“, und stellen fest, dass sich Menschen, die sich so verhalten, kaum ändern. Lieber erniedrigen sie sich und verbringen Monate oder sogar Jahre damit, sich die Misserfolge vorzuhalten, als sich ehrlich zu fragen: Wo will ich eigentlich hin? Wer will ich eigentlich sein? So kann keine Persönlichkeitsentwicklung stattfinden und sie und nehmen sich selbst die Chance, der Mensch zu werden, der sie eigentlich sein wollen. Und Persönlichkeitsentwicklung ist immer auch Teil des Wegs aus der Bulimie.


Literatur:
Rattner, J., Danzer, G. (2011): Persönlichkeit braucht Tugenden. Positive Eigenschaften für eine moderne Welt. Berlin: Springer.

Samstag, 29. August 2015

Lebensmittel und Mahlzeiten - was ist heute noch normal?

Heute ein paar Gedanken zu "normalem" Essverhalten, was Lebensmittel und ein gesundes Essverhalten damit zu tun haben...

Dass etwas schief läuft mit den Lebensmitteln, die heute in Supermärkten verfügbar sind, und generell mit dem Essverhalten in der westlichen Welt, wird deutlich an den konstant steigenden Raten übergewichtiger Menschen.

Auch früher gab es schon fettleibige Menschen, soviel steht fest. Ein Beispiel ist Daniel Lambert, im 18. Jahrhundert der dickste Mann Englands. Er wog rund 335 Kilo:

Daniel Lambert. Quelle

Aber heute verändert die Industrie ganz bewusst die Zusammensetzung der Lebensmittel und steuert so das Essverhalten der gesamten westlichen Gesellschaft- solange dieses System und die Inhaltsstoffe nicht hinterfragt werden. Die Lebensmittelindustrie spielt seit Jahrzehnten mit den Urinstinken des Menschen im Hinblick auf das Essverhalten. Der Industrie hat die westliche Gesellschaft auch die Übergewichts-Epidemie zu verdanken. Bewegung hat gemäß der neusten Erkenntnisse nur geringfügigen Einfluss darauf [Quelle].

Die Lebensmittel sind heute derart verändert, dass es schwer ist, ein normales Essverhalten damit aufrecht zu erhalten- geschweige denn, ein gestörtes wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Nicht nur der Einsatz von Farb- und Konservierungsstoffen, Geschmacksverstärkern, Zuckerstoffen oder gentechnisch veränderten Bestandteilen haben Einfluss auf das Essverhalten, sondern auch die Zusammensetzung von Kohlenhydraten, Fetten und Eiweißen steigert den Appetit und das Verlangen nach immer mehr Essen weit über die Befriedigung des eigentlichen Hungers hinaus.

Auch die ständige Verfügbarkeit von Nahrung und die Auflösung der Nahrungsmittelaufnahme in Form von einstmals fest im Alltag verankerten Mahlzeiten zeigt, dass der Rat nicht ernstgenommen werden kann. Wenn man immer essen würde, was man will und wann man will, wäre ein Ausbrechen aus dem Teufelskreislauf der Bulimie kaum möglich.

Auch aus der Forschung ist seit kurzem bekannt, dass weniger, dafür aber größere Mahlzeiten, sich auch positiv auf das Gewicht und den Blutzuckerspiegel auswirken. Für Menschen, die mit einer Bulimie kämpfen, ist es enorm wichtig, keine extremen Gewichtsanstiege bei normalisiertem Essverhalten fürchten zu müssen. Diese Angst muss ernstgenommen werden. Bei entsprechendem normalgewichtigem Hintergrund sind entsprechende Mahlzeitenstrukturen mit langen Pausen zwischen den Mahlzeiten durchaus vertretbar. Eine Normalisierung des Blutzuckers ist ebenso wichtig, um körperlich bedingte Essanfälle zu vermeiden. [Quelle] (Mehr über den Glykämischen Index auch hier.)

Die bislang verbreitete Vorstellung einer 3-Mahlzeitenstruktur mit Zwischenmahlzeiten ist unverantwortlich und kann die Aufrechterhaltung des bulimischen Systems stützen. Die Gründe hierfür sind u.a.: ein normales Hunger-/Sättigungsgefühl kann nicht erlernt werden, weil der Magen konstant befüllt wird; zudem kann es nicht sein, den ganzen Tag ans Essen zu denken (im Sinne von "in 2 Stunden mus ich ja schon wieder essen") was einen normalen Alltag nur schwer ermöglicht. Mehr dazu, auch ausführlichere Begründungen, habe ich schon hier, hier und hier geschrieben.

Eine gute Richtlinie für eine gesunde Ernährungsweise sind Lebensmittel, die möglichst wenig weiterverarbeitet wurden und die den Blutzuckerspiegel nur langsam ansteigen lassen. Dazu zählt vor allem frisches Obst und Gemüse, Nüsse, Milchprodukte, Brot aus Natursauerteig (möglichst Vollkorn, da niedriger glykämischer Index) und Hülsenfrüchte.

Fazit: Es ist mir kein plausibler Grund bekannt, warum seit Jahrzehnten in herkömmlichen Therapien versucht wird, den Betroffenen Zwischenmahlzeiten in Form von Schokoriegeln und Fruchtjoghurts anzugewöhnen. Nur weil scheinbar „die Normalesser“ das so handhaben, muss es noch lange nicht gut sein. Genauso wie Veganer oder andere, auf gesunde Ernährung bedachte Menschen, als Orthorexier verschrien werden und versucht wird, daraus eine neue Essstörung zu machen. Ich finde es mehr als nachvollziehbar, dass ein Mensch, der sich nach Jahren der Bulimie und - im nicht nur übertragenenen Sinne - genaugenommen schwerster Körperverletzung nicht mehr jeden Industrie-Fraß einverleiben will. Aber jedem das Seine. Wer seinen Verstand nutzen möchte, der möge das bitte tun und die gängigen Ratschläge selbst hinterfragen.

Das heißt übrigens nicht, dass man doch ab und zu einfach Lust auf so etwas "Industrielles" hat und sich das dann verbieten soll. Ganz im Gegenteil.

Samstag, 22. August 2015

Kann man durch ein Wunder von Bulimie befreit werden?

Vielleicht hast du bei Youtube schon die beiden Videos über "Wunderheilungen" gesehen. Sie beschreiben zwei Frauen, die davon erzählen, wie sie durch "Gottes Gnade" von der Bulimie befreit worden sind.

Zum Einen will ich vorausschicken, dass ich, falls du gläubig bist, deinen Glauben nicht angreifen möchte. Ich möchte den Hintergrund der Geschichten beleuchten und das dabei möglichst objektiv tun.

Also, was ist den beiden Frauen passiert? Beide waren tief in ihrer Essstörung gefangen. Beide fühlten sich wie fremdgesteuert und beide hatten bereits Therapien hinter sich, die keine signifikante Besserung gebracht hatten: Sigrid 3, von Anne erfährt man es nicht. Sie fühlten sich der Essstörung ausgeliefert, sie fühlten sich machtlos. Sie fühlten sich, als hätten sie keine Kontrolle mehr über ihr Leben.

Auf der anderen Seite waren beide christlich gläubig. Sie glaubten, dass Gott, wenn er will, sie von ihrer Krankheit befreien kann. Beide waren aber auch schon lange Jahre bulimisch, so dass ihre Hoffnung immer mehr schwand, dass ihr Glauben irgend etwas daran ändern könnte.

Darum ist bei beiden Geschichten der Zeitpunkt der „Wunderheilung“ so wichtig. Denn durch ihn gab es plötzlich doch eine Veränderung. Er ähnelt sich in beiden Fällen, denn bei beiden gab es einen kurzen Moment, an dem ihnen klar wurde, dass es „so“, also mit der Bulimie, einfach nicht weitergehen könne. Das entspricht übrigens bei einer "normalen" Genesungsgeschichte auch dem ersten Schritt in der Heldenreise.

Bei Sigrid ist es eine Situation im Badezimmer, als sie gerade erbrechen will, es aber nicht wie sonst funktioniert. Die Situation ist dann noch insofern anders, als sie auch anders reagiert als sonst. Sie fühlt sich hilflos statt aggressiv. Dann hat sie ein religiös-transzendentales Erlebnis: Jesus erscheint ihr. Sie entscheidet sich in diesem Bruchteil einer Sekunde, dass sie die Bulimie hinter sich lässt.

Screenshot Youtube, https://www.youtube.com/watch?v=x-1KFWpZciA

Bei Anne ist es zu Beginn eher ein Experiment. Sie will ausprobieren, ob ihr Glauben ihr aus ihrer Krankheit helfen kann. Nach einiger Zeit ist sie jedoch sehr frustriert, weil sie keinen Fortschritt sieht. Sie wird ihren Frust los, in einer Art Gespräch mit Gott. Anschließend hat sie den Eindruck, dass sie ruhig und befreit ist. Sie schläft ein und „weiß“, dass sie nun ein neuer Mensch ist. Ihr entscheidender Moment ist also weniger wie ein Blitz, also anders als bei Sigrid, aber dennoch bewusst. Sie fühlt sich "von außen" befreit, sie muss in diesem Moment oder Zeitraum selbst keine Entscheidung treffen, sie wird vielmehr passiv befreit. Anders als bei Sigrid wird sie nicht vor die Wahl gestellt, die Bulimie loszulassen. Vielmehr wird die Bulimie von ihr genommen.

Screenshot Youtube, https://www.youtube.com/watch?v=0Zyc9KujS2I

Was beide Geschichten vereint, ist die Überzeugung, es alleine niemals schaffen zu können. Beide fühlen sich hilflos und der Krankheit ausgeliefert. Annes Freund sagt sogar: „Ich wusste, wenn ihr etwas helfen kann, dann kann es nichts menschliches sein. Es muss Gott sein.“ Diese Haltung ist natürlich für die eigene interne Kontrollüberzeugung und Selbstwirksamkeit fatal. Denn nichts macht einen Menschen hilfloser als die Meinung, einen Umstand nicht selbst in der Hand zu haben.

Ihr Vertrauen auf eine übernatürlich starke Kraft (in dem Fall Gott) überträgt die bei psychisch gesunden Menschen im Menschen selbst verankerte Kraft nach außen. So hat man selbst nur noch sehr wenig Einfluss darauf, dass man die Bulimie überwindet. Vielmehr ist man auf die „Gnade Gottes“ angewiesen. Nach dem christlichen Glauben weiß Gott, was das Beste für einen Menschen ist. Folglich kann es sein, dass man als Gläubiger, wenn sich an der Bulimie nichts ändert, dann eben irgendwann die Krankheit als Schicksal oder Wille Gottes akzeptiert. 

Ich halte dieses „Vorgehen“ für fatal. Es kann Menschen in eine Art Opferhaltung bringen; es kann dazu kommen, dass sie sich als passive Objekte scheinbar göttlicher Macht betrachten und sich selbst nicht mehr imstande sehen, etwas an ihrem Verhalten zu ändern.

Die Selbstwirksamkeit zu steigern sollte eines der ersten Ziele einer Therapie sein. Nur Erfolgserlebnisse und die Überzeugung, das eigene Leben selbst in der Hand zu haben und eben auch Macht über die eigenen Entscheidungen zu haben, motivieren und können früher oder später eine Symptomfreiheit bringen.

Was haltet ihr von den Geschichten? Könnt ihr euch mit einem von beiden identifizieren?

Samstag, 18. April 2015

Der größte Unterschied zwischen Ex-Bulimikern und Noch-Bulimikern

Es gibt immer diese Leute, die alles was einem selbst unheimlich schwer erscheint, mit Leichtigkeit schaffen. Sie machen alles mit links und stellen sich selbst dabei scheinbar überhaupt nicht in Frage.

Wie kann das sein? Wie kann es sein, dass es einige Menschen gibt, die sich von nichts und niemandem von ihren Plänen abhalten lassen, während andere nicht mal die einfachsten Sachen gebacken kriegen?

Letzten Endes dreht sich alles nur um einen großen Punkt: die Kontrollüberzeugung.

Was ist Kontrollüberzeugung und was bewirkt sie?

Die Leute, die scheinbar alles mit links schaffen, sind die mit einer hohen "internalen Kontrollüberzeugung". Sie sind also davon überzeugt, dass sie selbst Einfluss auf den Lauf ihres Lebens nehmen können. Sie glauben, dass sie Macht über ihre Lebensumstände haben. Und wenn ihnen etwas nicht passt, dann ändern sie was. Sie lehnen sich nicht zurück und denken "Es wird schon irgendwas passieren". Sie treffen Entscheidungen und setzen sie um. Wenn sie aus der Bulimie rauswollen, dann machen sie sich klar, dass sie allein Macht über ihr Leben haben und es würde ihnen auch nicht in den Sinn kommen, anderen die Schuld für ihr eigenes Verhalten zu geben. Weil sie glauben, dass sie selbst Einfluss nehmen können, sind genau sie es selbst, die im Endeffekt tatsächlich Einfluss haben.

Das Gegenteil davon sind Leute, die eine hohe "externale Kontrollüberzeugung" haben. Sie gehen davon aus, dass hauptsächlich andere Menschen oder die Umstände bestimmen, wohin ihr Leben geht. Sie schreiben sich selbst nur einen sehr bedingten Einfluss auf ihre Lebensumstände zu. Das führt dazu, dass sie nicht glauben, etwas in ihrem Leben verändern zu können. Das sind zum Beispiel auch die Menschen, die ihr Verhalten allein der Diagnose Bulimie zuschreiben. Sie können selbst ja nichts dafür wenn sie einen FA haben- nein, das ist ja die Krankheit. Sie glauben zum Beispiel, dass sie ihr Verhalten nicht ändern können, weil sie sich ausgeliefert fühlen. Sie fühlen sich ausgeliefert, weil sie die Macht über ihr Leben an die Krankheit Bulimie abgetreten haben.

Wie kommt man von der externalen zur internalen Kontrollüberzeugung?

Klar- niemand hat Einfluss auf alles. Du kennst sicherlich das Gelassenheitsgebet:
Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden. - Wikipedia
Es zeigt sehr deutlich, worum es geht. Wenn du also das eine von dem anderen unterschieden hast, dann unternimm was. Je öfter du Erfolgserlebnisse hast- je öfter du den FA abwimmelst, desto stärker wird deine internale Kontrollüberzeugung. Sie entsteht durch die eigene Erfahrung. Dazu ist es erforderlich, dass diese Erfahrungen gemacht werden. Aufgeben ist keine Option und das war es noch nie.

Wir alle fangen irgendwann mal damit an oder haben irgendwann mal damit angefangen, die Dinge in die Hand zu nehmen, weil wir irgendeinen Zustand nicht mehr länger ertragen haben.

Es ist nie zu spät, eine internale Kontrollüberzeugung anzunehmen und sein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Warum fängst du also nicht gleich heute damit an? ;)

Samstag, 28. März 2015

Das klingt ja alles ganz toll! Aber wie komme ich jetzt aus der Bulimie raus?

Wow. So viele Emails haben mich in den letzten Wochen erreicht, dass ich nun endlich diesen klärenden Artikel schreiben muss.

Die Emails gleichen sich nämlich immer sehr. Das steht in etwa drin: 
"Johanna, vielen Dank für deinen tollen Blog. Er hilft mir sehr. Ich habe nun seit xy Jahren Bulimie und wollte dich fragen, wie ich mit den FAs endlich aufhören kann! Was soll ich bloß machen?" 
Solche Nachrichten rütteln mich auf. Ich denke mir dann, dass meine Artikel euch zwar zu helfen scheinen, aber dass sie wenig Bedeutung für die Bewältigung der Krankheit haben.Vielleicht sind sie eher eine willkommene Abwechslung und hilft beim Perpektivenwechsel? Ich weiß es nicht, kann es nur erahnen. Aber egal wie es wirklich ist: Heute bekommt ihr den ultimativen "Tipp".

Wie kommt man also aus der Bulimie raus?

Ich sehe zwei große Schritte, die man gehen muss:

1. FAs als Gewohnheit

Einerseits bin ich davon überzeugt, dass die bulimische Symptomatik, die in erster Linie die Essanfälle betrifft, eine Gewohnheit ist, die durch die wiederholte "Ausübung" entsteht. Um die Bulimie loszuwerden, muss man also diese Gewohnheit loswerden und sie mit anderen Gewohnheiten ersetzen- die neu erlernt werden müssen. Irgendwann ist die Gewohnheit in Form von neuronalen Netzen im Gehirn dann nur noch so schwach vorhanden, dass die Symptomatik immer weiter verschwindet, bis sie irgendwann ganz erlischt. Dann ist der Drang nach FAs verschwunden. Es geht also im Wesentlichen darum sich klarzumachen, dass FAs hauptsächlich aufgrund ihrer gehirnchemisch energiesparenden Eigenschaft vom Gehirn als Handlungsoption bevorzugt werden, darum immer wieder ausgeübt werden- auch weil sie belohnenden Effekt haben (Beruhigung, positive Gefühle durch Bestandteile der Nahrung, etc.).

2. FAs verhindern um die bulimische Gewohnheit zu überschreiben

Andererseits geht es darum, eben diese neuronalen Netze der Gewohnheit zu "überschreiben". 
Dazu müssen folgende Schritte erfolgen:

- 1.) der Drang nach dem FA bewusst als solcher wahrgenommen
- 2.) eingeordnet (analysiert) 
- 3.) und "verabschiedet" werden. 

Wie ihr seht, sind das 3 Schritte. Ein FA hat natürlich immer einen Grund, eine Ursache- wobei auch so etwas Banales wie Langeweile oder Mangel an Alternativen Grund genug sein kann. Ich sage nicht, dass ein FA keinen Zweck erfüllt. Das würde für das Gehirn keinen Sinn ergeben. Das Gehirn versucht im Normalfall, ein emotionales Gleichgewicht herzustellen, und solange man z.B. traurig ist und keine alternative Handlungsoption bereit hält außer den FA und man gleichzeitig nur wenig Willenskraft hat, um sich mit seiner emotionalen Situation zu befassen, ist der FA aufgrund seiner energiesparenden und serotoninausschüttenden Eigenschaft beinahe unausweichlich. 

Es gibt verschiedene Methoden, wie FAs verhindert und stattdessen neue Handlungsoptionen gelernt werden können. Dabei müssen immer die 3 obigen Schritte enthalten sein. Eine gute Methode ist z.B. "Surfing the Urge", verschiedene Meditationstechniken oder Methoden zur Achtsamkeit. Ich denke, es gibt hier kein Allheilmittel, sondern jeder sollte selbst nach Methoden suchen, die für ihn gut funktionieren. Für mich war es z.B. auch das Lesen antiker Philosophen wie Seneca, die mir dabei geholfen haben, meinen Alltag zu entschleunigen, Gedanken bewusster wahrzunehmen und letztlich auch bewusst auf aufkommende Impulse reagieren zu können.

Ok, aber.... Welche Rolle spielt dabei jetzt die Ernährung?

Die Ernährung klinkt sich bei Punkt 2- FAs verhindern um die bulimische Gewohnheit zu überschreiben- ein. Ich denke es erscheint plausibel, dass gewisse Nahrungsmittel einfach viel besser als manche andere dafür geeignet sind, FAs zu verhindern. Einige Lebensmittel wie Süßigkeiten und Weißmehlprodukte schicken den Blutzucker auf eine Achterbahnfahrt und sollten daher tatsächlich nur in Maßen gegessen werden, weil sie den FA-Drang enorm verstärken können. Dasselbe gilt für sämtliche Fertiggerichte in denen Konservierungsmittel enthalten sind, die Einfluss auf den Sättigungsmechanismus haben können.

Auf Nährstoffdichte achten

Ansonsten ist es auch enorm wichtig zu wissen, welche Lebensmittel wirklich gesund im Sinne von nährstoffreich sind (Stichwort "Aggregate Nutrient Density Index"). Im Allgemeinen solltet ihr euch damit beschäftigen, wieviele Nährstoffe im Sinne von Mineralien, Vitamine, etc. eure Nahrung enthält. Dass die richtige Ernährung elementar fürs Wohlbefinden ist wisst ihr eh schon.

Wieviele Mahlzeiten? 

Auch die Anzahl der Mahlzeiten spielt bei der Vermeidung von FAs eine wesentliche Rolle. Je mehr Mahlzeiten man zu sich nimmt, desto kleiner sollen die Mahlzeiten ausfallen, desto eher kann man sich nicht satt essen. Man kann sich nicht 5 Mal am Tag im Sinne von 3 Haupt- und 2 Zwischenmahlzeiten satt essen. Sich satt essen zu können und zu dürfen spielt jedoch eine wesentliche Rolle in der Wiederentdeckung des Sättigungsgefühls, das bei der Bulimie verloren gegangen ist. Das ist sehr viel einfacher bei nur 3 Mahlzeiten mit ausreichend langen Pausen (4-5 Stunden), in denen bewusst nicht gegessen wird. So wird einerseits das Hunger- aber auch das Sättigungsgefühl wiederentdeckt und ausgebaut. 

Die Pausen können selbstverständlich am besten eingehalten werden, wenn die Zusammensetzung der Mahlzeiten gut beschaffen (im Sinne von ballaststoffreich und niederglykämisch) sind.

Samstag, 21. März 2015

Ist Bulimie nur eine Gewohnheit?

In der letzten Zeit habe ich aufgrund verschiedener Ereignisse in meinem eigenen Leben wieder daran denken müssen, wie wichtig es ist, sich selbst und anderen Menschen zuzutrauen, dass sie ihr Leben und ihre Gewohnheiten ändern können. Was scheinbar "immer" so war, muss nicht immer so bleiben. Ich selbst habe diese Erfahrung gemacht und bin mir absolut sicher, dass sich jeder Mensch weiterentwickeln kann und letztlich viele seiner Ziele erreichen kann, wenn er sich einer Sache bewusst ist: Das Gehirn ist vollkommen anpassungsfähig. Wird es mit neuen Erfahrungen gefüttert, dann lernt es und bildet in den entsprechenden Gehirnregionen mehr Verbindungen aus. Entsprechend verhält man sich in gewissen Situationen routinierter, souveräner und kann in einem Bereich, in dem man sich zu Beginn absolut nicht ausgekannt hat, zum absoluten Experten und Vorbild werden.

Genau so verhält es sich mit der Bulimie. Bereits in meinem 2. Blogpost überhaupt aus dem Jahr 2010 habe ich dieses Phänomen beschrieben. Und ja, ich bin wieder bei dieser Überzeugung angelangt: Die Bulimie ist nichts weiter als eine Gewohnheit. Sie ist für das Gehirn die einfachste und energiesparendste Methode, um auf die verschiedensten Dinge zu reagieren. Sie ist ganz einfach ins Gehirn "eingebrannt". Werden keine alternativen Gewohnheiten erlernt und angewandt, dann wird sie für immer die Lösung Nummer 1 bleiben.

Bitte, liebe Mädels. Lasst euch das nicht länger einreden. Ihr seid nicht gestört und habt auch keine psychische Krankheit. Überhaupt- was ist schon normal ;) Es ist mittlerweile bekannt, dass die Bulimie psychische Krankheiten verursacht, aber ich bin mir sicher: Nur in ganz wenigen Fällen bestehen sie schon vor der Bulimie. Auch ein geringes Selbstwertgefühl ist keine Ursache einer Bulimie. Es muss endlich Schluss mit dieser Paranoia sein. Aus diesem Grund funktionieren sogenannte "Psychodynamische Therapien" auch in vielen Fällen nicht.

Versteht mich nicht falsch. Es ist immer von Vorteil, mit der Vergangenheit abzuschließen und Dinge, die nicht gut gelaufen sind, zu verstehen und sich mit den Beteiligten auseinanderzusetzen. Aber im Falle der Bulimie, in der so viele chemische und neurologischen Prozesse in Gang gesetzt werden, reicht dieses eindimensionale Vorgehen leider einfach nicht aus.

Interessanterweise beschreibt das amerikanische Buch "Brain over Binge" genau dieses Modell, das ich damals auch schon zur Erklärung herangezogen habe. Es würde mich interessieren, ob es einer von euch schon gelesen hat. Gebt mir gern Bescheid, was ihr davon haltet!

Samstag, 14. März 2015

Der Weg der Heilung ist eine Heldenreise. Und DU bist der Held.

Der Weg aus der Bulimie ist immer ein Veränderungsprozess. In Mythen, Märchen und Romanen wird dieser Prozess durch die Abfolge typischer Situationen dargestellt, die mit diesem Weg vergleichbar sind, die Heldenreise genannt werden und aus 12 charakteristischen Stufen bestehen:

1- Ist-Zustand

Die erste Stufe stellt die Alltagswelt mit Bulimie dar. Ihr habt regelmäßig FAs, fühlt euch damit nicht wohl, aber ihr seht auch keine große Notwendigkeit, irgendetwas zu verändern. Die körperlichen Schäden sind entweder nicht so groß, dass ihr aus der Bulimie heraus wollt, oder ihr habt euch einfach damit angefunden, dass ihr "nun mal" diese Krankheit habt. Oder ihr habt einfach im Moment keine große Lust, euch damit zu beschäftigen. Vielleicht seid ihr sogar ein wenig deterministisch eingestellt und denkt, dass ihr es gar nicht wirklich verdient habt, ohne diese Krankheit zu leben und glücklich zu sein. Aber warum auch immer- auf dieser Stufe unternehmt ihr keine großen Schritte, um die Bulimie hinter euch zu lassen.

2- Der Ruf

Der Ruf ist ein "Wake-up-Call" - also eine Art Wachrütteln durch ein bestimmtes Ereignis. Das kann beispielsweise ein körperlicher Zusammenbruch sein, oder ihr stellt schlicht und ergreifend fest, dass es so einfach nicht weitergehen kann in eurem Leben. Egal wie und wann es passiert: Nach dem Ruf ist nichts mehr wie es war.

3- Die Weigerung

Auf dieser Stufe habt ihr zwar erkannt, dass sich etwas in eurem Leben ändern muss- ihr weigert euch aber, die nötigen Schritte zu unternehmen, damit sich wirklich etwas verändern kann. Ihr weigert euch. Ihr schiebt fadenscheinige oder echte Gründe vor, damit ihr alles beim Alten belassen könnt. Jede Veränderung ist mit Anstrengung verbunden, und so ist es auch mit dem Ausstieg aus der Bulimie. Einfacher und energiesparender ist es in jedem Fall, bulimisch zu bleiben. Ihr wisst nicht, was auf euch zu kommt, wenn ihr die Zeit nicht mehr mit FAs verplempern könnt. Was macht ihr mit all der freien Zeit? Es tun sich ganz neue Probleme auf, die man vorher mit FAs verdrängen konnte. All das zusammengenommen verursacht die Weigerung, sich wirklich auf den Weg der Heilung zu machen.

4- Der Mentor

Nachdem ihr festgestellt habt, dass man die Bulimie nicht so einfach los wird und dass auch ganz neue Probleme entstehen, wenn man keine FAs mehr hat, tritt eine neue Personen in euer Leben: der Mentor. Der Mentor ist eine Person, die euch an die Hand nimmt, euch Mut macht und der ihr vertraut. Der Mentor hat oft die Reise, die ihr gerade antretet, schon selbst hinter sich gebracht und darum ist sein Rat auch Gold wert. Ihr lasst euch von niemandem etwas sagen- von ihm aber schon. Der Mentor weiß, wovon er spricht. Der Mentor zeigt dir, worauf du achten musst und wo versteckte Gefahren lauern. Er glaubt an dich und das sagt er dir auch.

5- Die erste Schwelle

Nachdem du den Mentor getroffen hast (vielleicht auch nur virtuell), gibt es kein Zurück mehr. Du hast dich entschieden: Du willst die beschwerliche Reise auf dich nehmen und deine alten Gewohnheiten herausfordern. Du willst die Bulimie besiegen. Du weißt noch nicht wie, aber du hast mit dem Mentor einen Menschen an deiner Seite, der dich dabei unterstützt und der dich in schwierigen, aber auch in freudigen Situationen begleitet. Und du bist bereit, in die unbekannte Welt des Abenteuers einzudringen.

6- Erweiterung von Fähigkeiten und Bewusstsein

Nachdem du das unbekannte Terrain betreten hast, tut sich auch schon was. Erste Prüfungen in Form von zu verhindernden FAs und anderen Schwierigkeiten, die du bisher nicht hattest, verstecken sich in deinem Alltag. Du kommst nicht umhin, dich mit ihnen auseinanderzusetzen. Du beginnst damit, dich der Gefahr bewusst auszusetzen, und mit jedem nicht ausgelebten FA wächst dein Selbstvertrauen. Du glaubst jetzt immer öfter und immer stärker daran, dass allein du die Macht darüber hast, dem Drang nach einem FA nachzugeben oder nicht. Dein Wissen über neurologische Vorgänge hilft dir dabei, Konflikte anders auszutragen und nicht zum FA als Allheilmittel zu greifen. Während der Suche nach "deinem" Weg triffst du auf Menschen, denen es ähnlich geht wie dir. Der Austausch mit ihnen gibt dir neue Kraft und Mut für deinen weiteren Weg. Aber auch Feinde in Form von nicht zielführenden Therapien begegnen dir, und es liegt nun an dir, dich nicht von ihnen beeindrucken und kleinreden zu lassen. Du weißt, dass du auf dem richtigen Weg bist, weil du dein Bewusstsein durch die ersten erfolgreichen Prüfungen erweitert hast und an deine in dir schlummernden Fähigkeiten glaubst.

7- Vordringen zur tiefsten Höhle. Erfolgreich bestandene Prüfungen.

Nach den ersten erfolgreich bestandenen Prüfungen dringst du nun immer weiter zur tiefsten Höhle vor. Die tiefste Höhle ist in unserem Fall das Unterbewusstsein, das bislang abgeschottet und nur schwer zu erreichen war. Nun fühlst du dich bereit, den Kampf aufzunehmen und all die irreführenden Überzeugungen zu überwinden.

8- Die entscheidende Prüfung. Sieg über den größten Gegner

In der tiefsten Höhle schlummert dein Unterbewusstsein. Dein Ziel ist es nun, die Gewohnheiten und ungesunden Vorstellungen, die sich dort in den vergangenen Jahren deiner Krankheit angesammelt und konzentriert haben, aufzudecken und umzuschreiben. Du bist dir der Gefahr bewusst und weißt, dass der Kampf viel Energie kostet. Nach einiger Zeit siehst du dem Gegner direkt in die Augen. Du kannst sehen, dass er nicht so einfach preisgibt, was du gern haben willst. Er versucht dich abzulenken und sich klein zu machen. Doch du weißt, dass er ein mächtiger Gegner ist, und du bist fest entschlossen, dich nicht ohne den Sieg auf den Rückweg zu machen. Nachdem du ein paar Mal kurz davor warst aufzugeben, weil du nicht mehr erkennen konntest, wie du ihn bezwingen sollst, gibt er auf, weil du ihn penetrant mit neuen Informationen gefüttert hast, und er verwandelt sich. Du hast es geschafft. All die alten, falschen Informationen sind überschrieben mit neuen, die dir auf deinem weiteren Weg helfen und die dir neue Energie geben. Der Weg ist nun frei, der Gegner ist zum Verbündeten geworden und öffnet dir die Tür zur nächsten Stufe.

9- Belohnung. Du raubst den Schatz.

Du gehst durch die Tür und gelangst nun ganz einfach an den Schatz. Der Schatz ist der Glauben an dich selbst, den du ab jetzt immer mit dir trägst. Er leuchtet in vielen Farben und zeigt dir den Weg. Auch wenn andere schon längst den Glauben an dich verloren haben: du hast ihn neu erlangt, und jedes Mal, wenn Gefahr droht, holst du ihn heraus und er zeigt dir, dass du souverän über der Gefahr stehst. Der Schatz muss jedoch immer gut behütet werden, sonst wird er von anderen geraubt.

10- Der Rückweg mit dem Schatz

Nun machst du dich auf den Rückweg in dein ursprüngliches Umfeld. Der Schatz ist dabei immer an deiner Seite. Du hast das Gefühl, dass andere neidisch sind und auch gern einen Schatz hätten. Aber du weißt, wie hart du um ihn gekämpft hast und gibst ihn nicht leichtsinnig her.

11- Die Auferstehung

Durch deine Reise und die bestandenen Prüfungen bist du zu einer neuen Persönlichkeit herangewachsen. Du bist nicht mehr die, die du früher warst. Während möglicherweise viele deiner alten Bekannte und Freunde noch immer in ihren alten Denkmustern verharrt sind, hast du dich ausgiebig mit dir, deinem Leben und der Welt um dich herum auseinandergesetzt. Du bist gereift und das merkt man dir auch an.

12- Rückkehr mit dem Elixier

Schlussendlich kehrst du mit den neu gewonnenen Kräften zurück in deinen Alltag. Auch wenn du dir während der Reise ein neues Betätigungsfeld gesucht hast- du kannst deine neuen Fähigkeiten früher oder später dort einsetzen. Sei es, in dem du anderen hilfst, die ähnliches vor sich haben, oder indem du ganz generell jetzt in der Lage bist, über dich hinaus auch andere zu sehen und sich vieles in deinem Leben relativiert hat. Du bist dankbar für das, was du hast und weißt das Leben zu schätzen- denn du hast es früher fast weggeworfen. Das rückt viele Dinge in ein neues Licht, und wenn es auch nur Kleinigkeiten sind- auch so hilfst du anderen dabei, ihren Horizont zu erweitern, Dinge in Frage zu stellen und sich über das Leben zu freuen. Der Schatz ist zu einem festen Bestandteil in deinem Leben geworden, und du bist stolz auf das, was du erreicht hast.

Vielleicht findet ihr euch auf einer Stufe der Heldenreise wieder?

Hier könnt ihr ein sehr nett gemachtes Video zur Heldenreise ansehen:



Samstag, 7. März 2015

Der ANDI-Score: Ganz einfach ermitteln, wie gesund ein Lebensmittel wirklich ist.

 Bild von Martin Jäger  / pixelio.de

Wie gesund ist ein Lebensmittel wirklich? Eine Möglichkeit um das herauszufinden, stellt der ANDI-Index dar.

Dieser Lebensmittelscore nach Dr. Joel Fuhrman wurde aus dem Quotienten Nährstoffdichte / Kalorien abgeleitet. Wie gut zu erkennen ist, wurde von grünem Blattgemüse als Referenzwert mit "1000" ausgegangen. Sich gesund zu ernähren ist keine Frage exzessiven Kalorienverzehrs, sondern eines hohen Scores. Die Tabelle gibt Aufschluss über die Quanität der enthaltenen Nährstoffe und nicht über deren Ausgewogenheit.

Der ANDI-Score: Aggregate Nutrient Density Index nach Dr. J. Fuhrman (klicken zum Vergrößern)

Samstag, 28. Februar 2015

5 Einstellungen für Erfolg vs. Misserfolg

Ich habe mal darüber nachgedacht, wie viele Bulimiker oft denken. Dabei ist mir aufgefallen, dass sich die Denkweisen oft ähneln und dass viele dieser Einstellungen gefährlich sind, weil sie nicht dabei helfen, aus der Bulimie zu kommen, sondern eher dazu führen, in der Bulimie verhaftet zu bleiben:

1) Die anderen sind schuld an meiner Bulimie, weil sie keine Rücksicht auf mich nehmen. 

"... Was sie immer von mir wollen regt mich so auf oder überfordert mich, so dass ich den FA brauche um mich zu beruhigen..."

Es ist egal, was andere von mir wollen. Ich kann es nicht beeinflussen, was andere sagen, machen oder denken. Ich kann nur beeinflussen, wie ich darauf reagiere. Darum kann ich ihnen einerseits klar sagen, was ich denke und muss es nicht runterschlucken und mich später darüber aufregen. Dann hat sich das Problem mit dem FA als Ausbalancierer erledigt.

2) Ich bin der Bulimie ausgeliefert und kann einfach nichts gegen sie machen

Das ist die Opferhaltung, die viele Bulimiker einnehmen. Nach dem Motto "Ich probiere es immer wieder, aber ich schaffe es einfach nicht. Ich glaube, dass das so hart ist, dass ich es nie schaffen werde. Es werden dafür übermenschliche Kräfte von mir verlangt. Dabei schwächt die Bulimie mich so sehr, dass ich doch so schon keine Kraft mehr übrig habe. Wie soll ich das also machen?"

Die Antwort auf diese Fragen ist: Wenn ich davon ausgehe, dass ich immer viel Disziplin aufbringen muss, dann mache ich etwas falsch und habe wahrscheinlich auch eine kontraproduktive und gefährliche Einstellung. Denn die Bulimie ist keine gottgegebene Sache. Ein FA ist in vielen Fällen sehr vorhersehbar, und basiert auf vielen Risikofaktoren, die jeder für sich genommen beeinflussbar ist. Schau zu, dass du dir ein strukturiertes Gerüst schaffst, das Rituale beinhaltet, und halte dich daran. Disziplin und Selbstbeherrschung braucht sich im Lauf des Tages auf, und darum kannst du dich nicht ständig "am Riemen reißen", sondern brauchst diese Struktur. Das habe ich in meinem Artikel "Ego-Depletion" schon beschrieben.

Möglicherweise herrscht in vielen Köpfen auch noch die Vorstellung, dass irgendwann ein Schalter im Kopf umgelegt wird, und dann ist man von einem auf den anderen Tag nicht mehr bulimisch. Ich bezweifle nicht, dass es solche Fälle gibt. Aber sie sind nicht an der Tagesordnung. Im Normalfall ist es ein längerer Weg mit vielen Höhen und Tiefen. Und das sollte ich von Anfang an wissen.

Ein Rückfall ist eigentlich auch kein Rückfall, sondern normaler Bestandteil des Heilungsprozesses.
Was ich sagen will: Niemand ist der Bulimie ausgeliefert, denn jeder kann es schaffen, gesund zu werden. Darum lass dir mir keinen BS einreden und mach dich auf den Weg!

3) Mein Körper ist bulimisch. Ich habe schon so lange Bulimie, dass mein Stoffwechsel schon gar nicht mehr normal funktioniert.

Ja, das ist teilweise sogar richtig. Der bulimische Stoffwechsel ist in vielen Fällen so aus dem Gleichgewicht geraten, dass es zunächst einige Zeit braucht, um ihn wieder zu stabilisieren. Das bedeutet, dass beispielsweise der Blutzucker stark abfällt, und man einige Stunden nach dem Essen wieder essen muss, weil man sonst das Gefühl hat umzukippen. Diese extremen Schwankungen lassen sich aber (Ausnahme: Diabetes) in den Griff bekommen. Dann ist es möglich, auch längere Pausen zwischen den Mahlzeiten zu lassen.

4) Ich brauche die Bulimie um die Erinnerungen an meine Vergangenheit zu verdrängen

"Meine Bulimie hat ihre Ursachen ganz klar in meiner Kindheit. Ich muss mich gegen meine familiären Wurzeln und meine Vergangenheit wehren. Das ist so hart, dass ich den FA brauche. Anders kann ich es nicht bewältigen." Wenn ich so denke, ist es klar, dass ich nicht nach vorne, sondern zurück schaue. Dann kann ich keine Vision, keine gute Vorstellung meiner Zukunft entwickeln, sondern bin immer nur auf der Suche nach Schuldigen.

Das ist gut in einem begrenzten Rahmen. Einen Überblick und eine grobe Vorstellung davon zu haben, was passiert ist, schadet nicht. Aber man sollte es irgendwann abschließen und nach vorne schauen. Niemand hatte eine völlig perfekte Kindheit. Auch wenn sie besonders schlimm war, ist das kein Grund, sich sein Leben vollständig vermiesen zu lassen! Schau nach vorne.

5) Ich kann nur gesund werden, wenn ich genau das gleiche wie andere esse.

Das ist eine sehr gefährliche Art zu denken. Einige der normalen Lebensmittel sollten zu riskanten Mahlzeiten gemieden werden. Dazu zählen Brot, alle Arten von Gebäck und Milchprodukte. Diese Lebensmittel wirken auf Bulimiker wie Drogen auf einen Drogenabhängigen. Sie machen Lust auf mehr. Du kannst sie mit anderen unbekümmert essen, wenn du in Gesellschaft anderer keine Probleme mit FAs hast.

Es gibt auch andere Gelegenheiten, in denen viele Lebensmittel gar keinen besonderen Reiz ausüben und dann ganz normal gegessen werden können. In Situationen aber, in denen FAs auftreten (vor allem zuhause wenn man alleine ist) solltest du auf andere Nahrungsmittel zurückgreifen.

Die genannten Arten zu denken bringt dich also nicht weiter. Erfolgsversprechend sind hingegen die folgenden 5 Denkweisen:

1) Die Vergangenheit anerkennen und das sein lassen, was sie ist: vergangen.

Ich weiß, dass früher nicht alles einfach war. Aber ich kann mein Leben jetzt selbst gestalten und lasse mich von den alten Verhaltensmustern nicht länger bestimmen. Ich habe mein Leben selbst in der Hand. Genau wie ich mich jederzeit für oder gegen einen FA entscheiden kann. 

2) Anderen Grenzen setzen

Vielleicht ist der Begriff des Grenzensetzens eher weniger bekannt. Ein Beispiel ist diese Szene: ich freue mich auf mein Wochenende. Ich will mich mit einer Freundin treffen und mich in die Sonne in ein Café setzen. Ich will das Wochenende auch dazu nutzen, mich endlich mal auszuschlafen, denn meine Woche war stressig und ich habe nicht viel Schlaf abbekommen. Außerdem will ich noch einen Vortrag für den nächsten Montag vorbereiten, den ich nicht verschieben kann.

Dann ruft mich eine Bekannte an und frägt, ob ich ihr am Samstag bei einem Umzug helfen kann, den ganzen Tag lang. Denn sie hat selbst kein Auto und braucht meines. Ich könnte jetzt denken, es wäre doch nett, ihr zu helfen, denn ich weiß dass sie sonst niemanden kennt, der ein Auto hat. Oder ich sehe es als meine Pflicht, und schließlich habe du ja nicht so viel vor. Also sage ich ihr zu. Mein Samstag ist jetzt anstrengend, den Termin mit der Freundin sage ich ab, denn am Sonntag hat sie keine Zeit mehr, und ich selbst sitze am Sonntag an meinem Vortrag. Von meinem Wochenende ist nicht viel übrig geblieben, und ich starte die neue Woche nicht entspannt, sondern eher genervt und gestresst.

Was ich dir damit sagen will: Wenn ich nicht erkenne, dass ich meine eigene Zeit nicht wertschätze und leichtfertig an andere verschleudere, dann kann ich auch keine Grenzen setzen und nein sagen. Der erste Schritt ist zu erkennen, dass ich Zeit für mich alleine brauche, um meine Batterien aufzuladen. Diese Zeit ist heilig und ich verschenke sie darum nicht an andere.

Zum anderen betrifft es auch die Kommunikation mit anderen. Wenn jemand offensichtlich meine Grenzen übertritt, dann muss ich es ihm sagen. Ich muss zunächst erkennen, dass jemand meine Grenzen missachtet und dann darauf reagieren. Beides muss trainiert werden.

3) Proaktiv statt reaktiv sein

Weil ich mich nicht gern von anderen Menschen zu sehr abhängig mache und immerzu darauf warte, dass sie den ersten Schritt machen und ich dann notgedrungen nichts anderes tun kann als auf sie zu reagieren, bin ich proaktiv. Das bedeutet, dass ich den ersten Schritt gehe und den Dingen, die mir wichtig sind, selbst eine Richtung gebe. So bin ich nicht an die anderen gebunden und handle eigenständig und unabhängig.

4) Den Stoffwechsel durch die Ernährung bewusst neu gestalten

Ich weiß, welche Nahrungsmittel meinen Körper die absolute Dröhnung verschaffen können. Ich weiß aber auch, wie ich meinen Körper wieder in einen gesunden Modus zurückbringen kann. Weil ich auch weiß, dass mein Körper "unter Strom" nur schwer auf rationales Denken anspricht (also wenn ich zum Beispiel einen FA verhindern will), nehme ich es auf mich, ihn durch wirklich gesunde Ernährung neu zu programmieren, damit ich den Weg der Heilung überhaupt erst beschreiten kann.

Eine gesunde Ernährung orientiert sich nicht an Kalorien, sondern an seinen Bestandteilen, wozu sehr viel Gemüse (!) und Obst gehört. Die neue Art mich zu ernähren ziehe ich durch und weiß, dass es mitunter einige Wochen dauern kann, bis mein Körper wieder gut funktioniert.

5) Entspannung am Abend über alles andere stellen

Bevor ich zuhause meine Pflichten erledige muss ich meinen Stresspegel reduzieren, um keinen FA zu bekommen. Weil ich auf dem Weg der Heilung bin, habe ich bereits erkannt, dass sich genau an diesem Punkt die Spreu vom Weizen trennt.

Abends runterzukommen und die Anspannung des Tages von mir abfallen zu lassen ist immens wichtig und auf gar keinen Fall zu unterschätzen. Es hilft mir dabei, verschiedene Methoden auszuprobieren und letztlich verhindert es so nicht nur den FA, sondern ermöglicht mir auch, dass ich mich abends im Bett nicht von einer Seite auf die andere drehe sondern gut einschlafen kann.

Samstag, 21. Februar 2015

6 einfache Methoden zum Entspannen am Abend

Wenn ich am Abend von der Arbeit nach Hause komme, bin ich oft noch sehr gestresst vom Tag. In den letzten Jahren habe ich mir darum ein paar Verhaltensweisen angeeignet, mit denen ich mir ganz einfach ein schnelles Wohlgefühl und ein Gefühl der Entspannung verschaffen kann. Ich habe mir gedacht, dass euch diese Methoden bestimmt auch weiterhelfen, denn im Rückblick war es oft dieses Gestresstsein, das bei mir zum FA geführt hat. Und auch allein schon zu wissen, dass ich durch diese Methoden in der Lage bin, den Stress anders als durch einen FA abzubauen, reduziert das Risiko eines FAs.

Hier sind also nun meine 6 besten Methoden, um Stress und Anspannung abzubauen:

Umziehen
Das Tagesoutfit stellt oftmals das Funktionieren und vielleicht auch Angepasstsein dar, das im Job oder Studium und generell in der Öffentlichkeit erforderlich ist, dar. Darum lasse ich auch mein äußerliches Erscheinungsbild gern hinter mir, wenn ich zuhause entspannen will. Ich ziehe mir eine gemütliche Hose und einen Kapuzenpulli an, weil ich mir dadurch auch selbst signalisiere, dass ich jetzt genau das machen darf, was ich will. Ohne dass andere darüber urteilen, und ohne dass ich irgendetwas repräsentieren muss. Das lässige Outfit unterstreicht genau das, was ich zuhause tun will: mich entspannen. Und darum ist es weich und kuschelig, und genau darum kann ich mich darin so gut entspannen.

Eine gemütliche Atmosphäre schaffen
Seit einiger Zeit habe ich dieses "Ritual", wenn ich abends nach Hause komme: Ich zünde mir zwei Kerzen an und dimme das Licht. Ich mag die gemütliche Stimmung, die dadurch entsteht, und kann mich dadurch viel besser entspannen als durch die helle Lampe an der Decke. Die etwas abgedunkelte Lichtstimmung hilft mir dabei, mich zu sammeln, auch weil sie weniger äußere Reize aussendet und mich dadurch weniger beansprucht.

Etwas leckeres trinken
Im Winter mache ich mir gern erstmal eine Tasse Tee, bevor ich mir überlege, was ich gern essen möchte. Oft auch während ich koche oder das Abendessen zubereite. Die Tasse mit dem heißen Getränk ist auch so ein Symbol, ein Zeichen für mich, dass ich jetzt runterkommen darf und auch meinen Kopf abschalten darf. Wenn es wärmer wird, oder je nachdem worauf ich gerade Lust habe, trinke ich auch gern ein alkoholfreies Bier oder eine Saftschorle. Gut ist es aber in jedem Fall, wenn man das Getränk sonst nicht auch schon den ganzen Tag über trinkt, so dass es wirklich zum Zeichen für den Feierabend wird.

Hinlegen
Sich einfach mal hinzulegen und in den Bauch zu atmen kann super entspannen. Die Muskeln werden nicht gebraucht und dürfen auch mal abschalten. In den Bauch zu atmen reduziert nachweislich die Stresshormone im Blut.

Hände waschen und eincremen
Das ist ein ganz wichtiges Ritual für mich: Hände waschen. Es erfrischt und ich wasche mir buchstäblich mit dem ganzen Schmutz auch all den Stress und die Anspannung mit ab. Ich fühle mich erfrischt und sauber, und kann in den neuen Tagesabschnitt, den Abend, starten. Wenn ich mir dann noch meine Hände mit einer duftenden Handcreme eincreme, bin ich für mein ganz persönliches Entspannungsprogramm gewappnet ;)

Haare kämmen
Auch das Haarekämmen hat mir in der Vergangenheit immer wieder dabei geholfen, kurz innezuhalten und mich auf den Moment zu konzentrieren. Während ich mir meine Haare kämme, kann ich mich im Spiegel anschauen und den Tag Revue passieren lassen. Ich nehme bewusst Abschied von allem, was tagsüber passiert ist. Dabei tut es mir besonders gut, wenn ich mit der Bürste ein weniger fester drücke, so dass ich gleichzeitig meine Kopfhaut massiere. Das gibt mir das Gefühl, dass ich mich um mich und mein Wohlbefinden sorge und hilft mir so beim Entspannen.

Samstag, 14. Februar 2015

4 Anzeichen dass du schon auf dem Weg der Heilung bist - ohne es zu wissen

Du ernährst dich weitestgehend ohne Zucker
Zucker und Bulimie sind zwei Dinge, die sehr gut zusammenpassen. Wenn du viel Zucker isst, wird es dir sehr leicht fallen, dem FA-Druck nachzugeben, denn Zucker verleitet dich dazu, immer mehr essen zu wollen - auch wenn du eigentlich schon genug gegessen hast. Zucker unterdrückt also dein Sättigungsgefühl. An dieser Stelle brauche ich ja auch nicht zu erwähnen, dass es mit dem natürlichen Sättigungsgefühl bei Bulimie eh nicht so weit her ist. Halte dich also so gut es geht vom Zucker fern, und du bist schon einen großen Schritt weiter. Auch hier gilt: eine dogmenfreie Ernährung ist immer langfristig anzustreben, aber für den Weg der Heilung ist es meiner Meinung nach unerlässlich, Zucker zu meiden! Es ist besser, nicht gleich von Anfang an so zu essen wie alle anderen, sondern das zu essen, was dich weiterbringt und was dich vor dem nächsten FA bewahrt. Daher ist es ein super Zeichen, wenn du es schaffst, sehr wenig Zucker zu essen.

Du hast nur noch ab und zu Essanfälle
Die Anzahl der Essanfälle ist tatsächlich ein sehr guter Indikator dafür, wie schlimm es aktuell um deine Bulimie bestellt ist. In einigen Ausnahmefällen heißt es aber auch nur, dass du durch äußere Umstände gar keine Zeit für FAs hast- beispielsweise ein neuer Freund könnte ein Grund hierfür sein. Wenn das der Grund für die wenigen FAs ist, kann man das jedoch nicht als positives Zeichen werten. Wenn du aber nur noch ab und zu Essanfälle brauchst, um die emotionalen Spitzen deines Alltags auszugleichen, ist das ein positives Zeichen dafür, dass du schon einiges deines Bulimie-Hintergrunds aufgearbeitet hast.

Du kannst deine Emotionen beim Namen nennen
Wenn du es schaffst, dich nicht nur mehr "gut" oder "schlecht" zu fühlen, sondern deinen Gefühlen einen Namen zu geben, kannst du dir auf deine eigenen Schultern klopfen. Denn viele Bulimiker haben den Kontakt zu ihren Gefühlen verloren und können nicht genau sagen, was sie fühlen. Ob es nun ein Gefühl von Freude, Stolz, Scham oder Hass ist- viele kennen den Unterschied nicht. Dabei sagt jedes Gefühl etwas ganz besonderes über dein Leben aus, und gibt dir einen wichtigen Hinweis darauf was zu tun ist. Sagen zu können, welches Gefühl gerade Wohlbefinden oder Unbehagen auslöst, ist eine der Schlüsselfähigkeiten, die du auf deinem Weg aus der Bulimie brauchst.

Es gelingt dir „nein“ zu Dingen zu sagen, die dir nicht gut tun
Auch wenn es simpel klingt: Zu erkennen, was dir nicht gut tut, ist oft das Ergebnis nach einem langen Weg mit vielen Umwegen und Sackgassen. Die Dinge, die dir nicht gut tun, erscheinen äußerlich oft in einem recht vernünftigen Gewand. Es sind manchmal diese Dinge, die alle anderen auch tun, und die darum als besonders vernünftig gelten. Noch ein Praktikum machen? Ja klar, macht sich ja gut in meinem Lebenslauf. Da redet man sich das mulmige Gefühl schön, das man beim Vorstellungsgespräch hatte- ist sicherlich nur die eigene Angst, sich nicht verändern zu wollen. Um wirklich auf sein Bauchgefühl hören zu können, muss man es trainieren und immer wieder tun. Und wenn der neue Verehrer doch so einen respektablen Job hat, so gut aussieht und so unverschämt zuvorkommend ist- dann ist oft das eigene Bauchgefühl ins Hintertreffen geraten und wird mit rationalen Argumenten kleingeredet. Aber „nein“ zu sagen hat genau damit zu tun. „Nein“ zu Treffen mit Leuten zu sagen, die man eigentlich nicht mag; „Nein“ zu einem Vorschlag der Freundin zu einem Kinoabend zu sagen, wenn man schon ganz schlapp ist und lieber früh ins Bett geht.

Samstag, 7. Februar 2015

Kontakt zu anderen herstellen - eine Methode für Anfänger

Ich kann mich sehr gut an frühere Zeiten erinnern, in denen ich mich sehr einsam gefühlt habe. Die Hürde zwischen mir und "den anderen" erschien mir einfach viel zu groß, als dass ich mich dazu befähigt gefühlt hätte, sie zu überwinden. Um mir die Frustration einer Ablehnung zu ersparen, bin ich das Risiko der Kontaktaufnahme erst gar nicht eingegangen. Das ist im Nachhinein sehr schade, denn ich habe mir dadurch unterstützende, interessante und liebenswerte Kontakte gar nicht erst aufbauen können. Aber gibt es einen "einfachen" Weg, in Kontakt mit anderen Menschen zu treten?

Was ist Kontakt und wann kommen Menschen in Kontakt zueinander?
"Kontakt" ist eigentlich nur eine abstrakte Beschreibung des Umstands, dass man mit seiner Existenz auf die Existenz anderer Menschen trifft. Ich lebe also in meiner eigenen Welt, und die anderen Menschen leben ebenso in ihrer eigenen Welt. Um in Kontakt zu treten, müssen sich diese beiden Welten irgendwo überschneiden. Die Allround-Wissenschaftlerin und Motivationstrainerin Vera F. Birkenbihl hat das in Form von Inseln beschrieben. Jeder Mensch lebt auf seiner eigenen Insel, und je größer der Horizont und das Denken eines Menschen ist, desto größer ist seine Insel. Die Insel beschreibt die Persönlichkeit eines Menschen, seine Vergangenheit, seine Interessen, seine Vor- und Einstellungen und diese kann der Mensch nicht verlassen. Er kann sie umgestalten, aber nicht verlassen. Um in Kontakt zu einem anderen Menschen zu treten, muss ich also Kontakt zu seiner Insel aufnehmen.

Wie kann ich also Kontakt herstellen?
Gemäß dem Inselmodell nach V.F. Birkenbihl geht es nur darum, Überschneidungen dieser Inseln zu finden. Also gemeinsame Interessen, Ansichten und Meinungen. Ein gängiger Weg, die Chance der Überschneidung möglichst groß zu gestalten, ist Smalltalk. Auch wenn einige von euch jetzt die Nase rümpfen mögen- Smalltalk ist oberflächlich und genau darin liegt auch der Sinn. Denn je oberflächlicher, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich mit den angesprochenen Themen die Insel, also die Lebenswirklichkeit der Menschen berühre, denn mit dem Wetter, den gegebenen Umständen, der Räumlichkeit etc. haben alle Menschen zu tun.

Hier findet ihr nochmal eine ganz verständliche Version des Modells von Birkenbihl selbst:


Samstag, 31. Januar 2015

Ego-Depletion, oder: Warum Disziplin wichtig, aber trotzdem keine Lösung ist

Es ist ein äußerst schwieriges Thema: Bulimie und die Frage, ob und wie Disziplin etwas mit der Heilung zu tun hat. Ich habe dazu einige Erfahrungen gemacht, die ich gern mit euch teilen möchte.

Von welchen Grundvoraussetzungen sprechen wir bei der Bulimie? Der durchschnittliche Leser dieses Blogs hat mehrmals die Woche FAs und ist seit 5-10 Jahren betroffen. Man kann also nicht sagen, er wäre erst in die Krankheit gerutscht und findet ganz von alleine wieder zurück. Nach dieser Zeit heißt das auch, dass sein Gehirn in der Zwischenzeit gelernt hat, irgendetwas an der Bulimie so gut zu finden, dass er immer wieder FAs "produziert", um seinem Gehirn die gewünschte Dopaminladung zu liefern. Die FAs sind also zumindest zu einem gewissen Teil automatisiert. Zu behaupten, ein Bulimiker wäre seinen Anfällen machtlos ausgeliefert wäre dennoch falsch. Bulimiker sind nach wie vor zu voller kognitiver Leistung fähig und mit ein paar Tricks kann man seine Impulskontrolle auch durchaus beeinflussen- und das auch langfristig.

Aber zurück zur eigentlichen Frage: welche Rolle spielt Disziplin? Disziplin ist zunächst nötig, um sich selbst an dem FA zu hindern. Der Knackpunkt ist also, den Impuls, einem FA nachzugeben, zu kontrollieren. Das erfordert Willenskraft. Die Willenskraft ist aber nachweislich begrenzt, das besagt die "Ego-Depletion"-Theorie. Willenskraft steht jeden Tag nur in begrenztem Maß zur Verfügung. Stellt euch die menschliche Willenskraft wie ein gefülltes Wasserglas vor. Jedes Mal, wenn man also einen FA abwehren muss, wird das Wasser im Glas ein bisschen weiter aufgebraucht. Wenn man sich also den ganzen Tag gegen FAs wehrt, kann es sein, dass das Wasser am Nachmittag aufgebraucht ist und man gar keine Kraft mehr hat, sich zu wehren und dem FA sozusagen erliegt. Man macht es sich also einfacher, wenn man sich nicht dieser ständigen Abwehr aussetzt, sondern Strategien entwickelt, die die Gefahr schon im Vorfeld verhindern. Das können ganz einfache Dinge sein, wie zum Beispiel, keine verlockenden Lebensmittel zu lagern, oder nicht den ganzen Tag zuhause zu sitzen und sich ständig zu überlegen, ob man jetzt etwas isst oder nicht.

Man muss so lange Hilfsstrategien anwenden, bis das Gehirn langsam, aber sicher ein anderes Verhaltensmuster, d.h. eine Alternative zum FA erlernt hat. Und selbst in dieser schwierigen Zeit kann man sich selbst ein wenig von dieser Disziplin abnehmen, und zwar durch Escorten-Mahlzeiten.

Stellt man sich also vor, dass man die Entscheidung trifft, ab sofort 3 normale Mahlzeiten am Tag zu essen und weder FAs zu haben noch zu erbrechen, dann müsste man sich jeden Tag mindestens diese 3 Mal selbst kontrollieren, um nicht wieder in ein bulimisches Essverhalten zurückzufallen. Die eigene Willenskraft würde sich dann im Lauf des Tages immer weiter aufbrauchen. Würde man versuchen, das über mehrere Tage oder Wochen durchzuhalten, dann gäbe es ein sehr hohes Risiko, wieder rückfällig zu werden, weil man jeden Tag einem enorm hohen Druck ausgesetzt ist.

Ok- aber was soll man denn sonst tun, wirst du dich vielleicht fragen. Irgendwie muss ich mir doch ein normales Essverhalten aneignen. Wie komme ich da hin? Es ist doch anzustreben, diese 3 Mahlzeiten zu schaffen?

Eine Möglichkeit, die Willenskraft zu schonen, sind Gewohnheiten im Hinblick auf die Mahlzeiten. Gewohnheiten benötigen am Anfang natürlich Disziplin. Aber nach einer gewissen Zeit schaltet das Gehirn auf "Automatik-Modus" um und spult die entsprechenden Verhaltensweisen fast automatisch ab (dummerweise ist genau das eben auch bei den FAs der Fall, so dass man oft das Gefühl hat, ausgeliefert zu sein).

Um sich verlässliche und hilfreiche Gewohnheiten im Hinblick auf die Mahlzeitenstruktur anzueignen, stellt man also einige Überlegungen dazu an, wie das Essverhalten in Zukunft konkret aussehen soll. Das betrifft zum einen die Uhrzeit, die Anzahl, aber auch die Zusammensetzung der Mahlzeiten. Am besten machst du dir hierzu einen ehrlichen Plan, der folgende Fragen beantwortet:

- Wie oft esse ich?
- Wo esse ich?
- Gibt es ein bestimmtes Besteck oder Geschirr, das ich gerne benutze?
- Wann esse ich?
- Was esse ich?

Wenn du eine Antwort auf diese Fragen gefunden hast, dann mach einen 1-Woche-Test. Das heißt, du hältst dich eine Woche lang an diesen Plan, und anschließend schaust du, ob es dir gut getan hat, oder was du daran gern verbessern würdest.

Klar, mit einem "normalen Essverhalten" hat so ein Essen nach Plan absolut nichts zu tun. Man sollte es sich aber auch vielmehr als Transformationshilfe vorstellen, wie eine Art Stützräder, um dann irgendwann durch die Hilfe dieses künstlichen Mittels wieder selbst fahren zu können.

Samstag, 17. Januar 2015

Den FA verhindern- eine Methode, die dir sofort hilft!

Was bewirkt die Methode?
Die Methode basiert auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen, denen zufolge bei jeder Art von Sucht permanent gegen die "Verführung" - also das Suchtmittel - angekämpft wird. Im Fall der Bulimie ist das offensichtlich der FA bzw. das übermäßige Essen. Dieses permanente Ankämpfen verursacht Stress. Und um diesen Stress zu reduzieren, wird zum Suchtmittel gegriffen. Dies erhält den Teufelskreis der Bulimie aufrecht. Die Methode "zerschneidet" die Verbindung zwischen Stress und dem FA nachzugeben und stellt also ein Werkzeug dar, das du nutzen kannst, um mit negativen Emotionen umzugehen.

Vorsicht- wenn du dich wirklich verändern willst, musst du an dir arbeiten.
Die Methode, die ich dir gleich vorstellen werde, hat vielleicht nur bedingt etwas damit zu tun, wie du bisher mit drohenden FAs umgegangen bist. Wenn du willst, dass die Methode bei dir funktioniert, musst du dir eine neue Art des Denkens aneignen. Du bist mit dir selbst konfrontiert- das solltest du wissen und bereit sein, dich darauf einzulassen. Dann kann dir die Methode auch bei einem langfristigen Ausstieg helfen- das garantiere ich dir. Ich selbst habe damit meine größten Erfolge erreicht.

Der Hintergrund der Methode
Es handelt sich um die Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (Mindfulness- Based Relapse Prevention / MBRP), das vom Molekularbiologen Jon Kabat-Zinn in den 70er Jahren entwickelt wurde. Achtsamkeit ist auch in der östlichen Philosophie ein wesentliches Element und hat in den vergangenen Jahren auch in der westlichen Ratgeberliteratur Beachtung gefunden. Auf Planet Wissen findet ihr ein ganz gutes Einführungsvideo zu diesem Thema.

Wirkt die Methode tatsächlich? Das Experiment.
Die Wirksamkeit der Methode wurde 2009 sehr anschaulich in zwei Experimenten mit einer Gruppe von Rauchern [1] und Personen, die Probleme mit Disziplin beim Thema Essen hatten [2], demonstriert.

Die Raucher-Testpersonen wurden gebeten, zum Experiment eine volle Packung ihrer Lieblingszigaretten und ein Feuerzeug mitzubringen. Beides legten sie auf den Tisch vor sich. Anschließend wurden sie dazu aufgefordert, die Packung zu öffnen. Dann mussten sie 2 Minuten warten. Daraufhin sollten sie eine Zigarette aus der Packung nehmen, und wieder 2 Minuten warten. Dann sollten sie an der Zigarette riechen und wieder warten. Anschließend sollten sie die Zigarette in den Mund nehmen und 2 Minuten warten. Das ganze Prozedere zog sich über eine ganze Stunde hin. Während der Pausen schrieben sie jeweils auf, wie stark das Verlangen war, wie sie sich körperlich fühlten und wie ihre Stimmungslage war. Nach einer Stunde durften sie schließlich rauchen.

Die Probanden der Essensgruppe bekamen eine Packung Pralinen, die jeweils einzeln verpackt und markiert waren, so dass keine Praline unerkannt entnommen werden konnte, ohne dass es im Nachhinein aufgefallen wäre. Sie mussten diese Packung 48 Stunden mit sich herumtragen und durften keine einzige Praline essen. Auch hier wurde der einen Hälfte die Methode beigebracht, der anderen nicht.

Doch es gab einen großen Unterschied zwischen den Probanden, denn einer Hälfte wurde vorher eine Methode beigebracht, die sich "Surfing the Urge" nennt. Dabei lernt man, das körperliche Unwohlsein auszuhalten, das sich einstellt, wenn man nach etwas verlangt (z.B. dem Suchtstoff Nikotin). Dabei lernt man, auf sich zu vertrauen und zu glauben, dass man das Unwohlsein aushalten kann, und dass es vorübergeht. Jedes ungute Gefühl und jeder FA-Druck kann also vorübergehen- wie eine Welle (daher "surfing" the urge). Die andere Gruppe blieb auf sich allein gestellt oder wurde abgelenkt.

Die Ergebnisse des Experiments
Die Raucher, die die "Surfing the Urge"-Methode erlernt hatten, rauchten in der darauffolgenden Woche (ohne dass sie es mussten oder dazu aufgefordert worden waren) 40% weniger als die Gruppe der Raucher, die die Methode nicht beigebracht bekommen hatten. Die Kontrollgruppe veränderte ihr Rauchverhalten gar nicht. Die Probanden der Essensgruppe schafften es, während der 48 Stunden keine einzige Praline zu essen und sich währenddessen entspannter zu fühlen, während die Kontrollgruppe eher nachgab und sich dabei gestresster fühlte.

Wie "Surfing the Urge" funktioniert - Schritt für Schritt
Im Wesentlichen gibt es 4 Schritte:
  1. Wie reagiert dein Körper, wenn du einen FA willst? Welche körperlichen Symptome zeigen sich? Fühle in deinen Bauch, deine Hände, deine Füße, deinen Kopf. Welche Bereiche sind angespannt, wo zeigt sich eine besondere Veränderung?
  2. Sag dir: "Ich kann diese körperlichen Symptome aushalten. Sie werden von alleine verschwinden."
  3. Stell dir vor, dass das Verlangen nach dem FA wie eine Welle ist, die an dir vorüber fließt. Sie kommt und geht.
  4. Atme ein und aus. Warte. Atme wieder ein und aus. Warte, bis die körperlichen Erscheinungen verschwunden sind. 
Auch wenn dir diese Methode im ersten Moment fremd erscheint, probier es einmal aus. Du wirst sehen, dass du auch schon beim ersten Mal einen Unterschied feststellen wirst. Je öfter du die Methode anwendest und auf deinen Körper achtest und so Achtsamkeit übst, desto leichter wird es dir auch langfristig fallen, auf die FAs zu verzichten. Nur Mut- du kannst nichts falsch machen!

Links: 

Ein Video zum Experiment von Kelly McGonigal findet ihr auch hier ab ca. Minute 45:00.

[1] Bowen & Marlatt (2009). Surfing the Urge: Brief Mindfulness-Based Intervention for College Student Smokers. In: Psychology of Addictive Behaviours. 

[2] Forman et al. (2007). A Comparison of Acceptance- and Control-Based Strategies for Coping with Food Cravings. In: Behaviour Research and Therapy.