Samstag, 21. September 2019

Mythbusting: Warum du deine Vergangenheit nicht aufarbeiten musst, um die Bulimie loszuwerden

Moment mal, hab ich mich verschrieben in der Überschrift - Ich muss meine Vergangenheit nicht aufarbeiten, um die Bulimie loszuwerden? Genau, das musst du nicht. Und natürlich werde ich dir auch gleich erklären, warum.

Zunächst mal basiert die Vorstellung davon, das Vergangene aufzuarbeiten und zu verstehen, auf der Annahme, dass die Zukunft nur dann gelingen kann, wenn die Vergangenheit verstanden wurde. Warum waren meine Eltern so und warum haben sie sich so und so verhalten. Warum hat mir XY dies und das angetan. Warum habe ich mich damals so und so verhalten. Nach dem Motto "Nur wenn ich die Vergangenheit verstanden und bewältigt habe, kann ich die Zukunft wirklich angehen".

Meiner Meinung ist das zwar vielleicht in gewisser Hinsicht interessant, mehr über die Zusammenhänge in der Vergangenheit zu erfahren, aber nicht relevant für das Überwinden der Bulimie. Es reicht in meinen Augen völlig, sich mit seiner Vergangenheit zu versöhnen. Sich nicht zu fragen: "Warum haben sich meine Eltern so und so verhalten?" - sondern sich vielmehr zu fragen: "Wie kann ich meinen Eltern verzeihen, obwohl sie sich so und so verhalten haben?"

Bulimie hat immer eine Ursache, sie hat sich zu einem bestimmten Zeitpunkt in dein Leben eingeschlichen, als sie es einfach hatte, sich dort festzubeißen. Krankheiten können sich auch nur dann ausbreiten, wenn dein Immunsystem zu schwach ist, um den Erreger abzuwehren. Irgendein bestimmter Umstand, ein gewisses ungesundes Denken hat es der Bulimie und dem entsprechenden Gedankengut zu diesem Zeitpunkt einfach gemacht, in dein System, sich in deinen Gedanken einzunisten. Weil du damals zu schwach warst, um diese Gedanken, diese Verhaltensweisen schnell genug wieder abzuwehren, hat sie sich richtig festgesetzt und ist eben jetzt immer noch da.

von Khadeeja Yasser / unsplash.com

Das heißt nicht, dass du jetzt, Jahre später, nochmal etliche Jahre damit zubringen musst, nach der "wahren Ursache" zu forschen - aus einem einzigen Grund: alles, was du dir jetzt im Nachhinein konstruierst, wird immer auf Annahmen und verzerrten Erinnerungen basieren. Das liegt nicht dir, sondern daran, dass jeder Mensch nur Bruchstücke erinnert und alle Erinnerungen persönlich eingefärbt sind. Manchmal glauben wir sogar, etwas erlebt zu haben, weil wir Vorstellungen und Wirklichkeit im Nachhinein vermischen - das macht jeder, weil es unser Gehirn nur aufgrund von Verallgemeinerungen und Vereinfachungen und "Schubladendenken" funktionieren kann und nur so die Millionen von Informationen, die wir jeden Tag neu bekommen, überhaupt nur sinnvoll einordnen und verarbeiten kann.

Jetzt kommen wir aber zum wirklich wichtigen, interessanten Teil: Was du stattdessen machen kannst. Dazu möchte ich wieder auf meinen aktuellen Lieblingspsychologen Alfred Adler zurückkommen. Dieser spricht davon, dass wir alle psychischen Störungen loswerden können, wenn wir nur genug Mut aufbringen und uns unseren Herauforderungen in den Bereichen "Lebensaufgaben" angehen: das sind Arbeit, Liebe und Gemeinschaft. Wenn wir versuchen, eine oder mehrere dieser Bereiche zu ignorieren oder als nicht wichtig erachten, dann werden wir seiner Meinung nach ein Ungleichgewicht entwickeln, das wir psychisch versuchen auszugleichen - dadurch entstehen nach diesem Ansatz psychische Störungen.

Dieser Ansatz von Adler ist nur einer von vielen, die alle davon ausgehen, dass unsere Vergangenheit nicht unsere Zukunft bestimmt. Du hast es zu jedem Zeitpunkt selbst in der Hand, deine Zukunft anders zu gestalten als die Vergangenheit, du musst nur den Mut aufbringen, es auch zu tun.

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