Freitag, 17. Dezember 2010

Wie kann ich mit Rückfällen umgehen?

Diese Frage habe ich letztens in einem Forum gelesen und da ich denke, dass es eine vielgestellte Frage ist,  werde ich sie mal aus meiner Sicht beantworten.
Rückfälle sind sicherlich nicht selten, nicht wenige haben wohl damit zu kämpfen, wenn nicht sogar jeder. Wie soll man jetzt damit umgehen, wenn es doch passiert ist, man hat doch gedacht, es sei geschafft?
Ich sehe es als Zeichen dafür, dass bei mir doch noch was im Argen liegt, dass ich mich doch noch nicht mir selbst angemessen verhalte. Früher habe ich immer gedacht, es bringt doch nichts, sich nach dem Rückfall zu fragen, warum es passiert ist. Heute hab ich dazugelernt. Nachdem ich mich einigermaßen mit meiner Vergangenheit arrangiert habe, sind es tatsächlich eher kleine Dinge, die mich dazu bringen, mich vollzustopfen, die aber darauf hindeuten, welche größeren Dinge ich noch besser machen kann. Größere Dinge wie z.B. dass ich jemandem anderen einen Gefallen tu, obwohl ich es gar nicht will, weil ich mich aus Höflichkeit und anderen Gründen verpflichtet dazu fühle. Und dann später feststelle, dass das eigentlich mein einziger freier Tag in der Woche ist und mich vorher jeden Tag verrückt deswegen mache, warum ich nur "ja" gesagt habe. Ich wurde neulich auch gefragt, ob ich nicht jemandem helfen könnte, etwas mit dem Auto abzuholen. Ich habe nein gesagt, weil es mir zu stressig war. Im Moment ist mir meine Zeit heilig, Zeit ist das einzige, was nie wiederkommt, im Gegensatz zu Geld....die betreffende Person hat dann jemand anderen gefragt, sie hat also am Ende das bekommen, was sie wollte.
Das nur als Beispiel. Nehme ich mich selbst ernst genug? Oder gibt es Verhaltensmuster, die mich total einengen, die zu sein, die ich eigentlich bin??!
Rückfälle sollten also wirklich nicht als Katastrophe gesehen werden, mal ganz makaber ausgedrückt, ist es ja immer noch besser, sich einmal zu quälen, als jeden Tag, es ist und bleibt also ein Fortschritt! Das habe ich mir immer gesagt, und ich denke auch, dass ein Rückfall einfach ein Zeichen dafür ist, dass man eben noch nicht genügend Handlungsalternativen probiert hat, die reibungslos laufen. Solange keine funktionierende Alternative zum FA vorhanden ist, wird dieser auch immer wieder auftauchen...
Wenn ich mich immer nur zusammenreiße, aber nichts anstelle des FA tu, um mit den Gefühlen umzugehen, glaube ich nicht, dass man heil aus der Bulimie kommt.
Ich glaube, je mehr Angst man vor einem Rückfall hat, und je mehr Vorwürfe man sich danach macht, desto höher ist das Risiko, wieder in die Bulimie zu rutschen.
Wenn man aber souverän mit dem Rückfall umgeht, sich selbst bewusst macht, dass man selbst die Wahl hat, und der Bulimie nicht die Macht gibt, dann braucht man auch keine Angst vor ihr und dem Rückfall zu haben.
Ein Rückfall kann also durchaus auch seine positiven Seiten haben: er kann ein Zeichen sein, dass es noch einige Bereiche in meinem Leben gibt, in denen ich nach Möglichkeiten suchen muss, mich gegen die Außenwelt abzugrenzen, meine Bedürfnisse zu kommunizieren, meine Gefühle rauszulassen. Und dass ich nicht perfekt sein muss, dass es noch nicht an der Zeit war, ohne FA auszukommen. Der FA musste sein, basta. Danach kann ich mich ruhig und entspannt daran machen, nach Lösungen zu suchen, die mir in Zukunft im Alltag helfen.

6 Kommentare

  1. Anonym05 Mai

    Hallo Jo,
    Ich wollte mich einfach mal für diesen schönen Beitrag bedanken, der mir gerade sehr geholfen hat. Nach ziemlich genau einem Jahr hatte ich einen Rückfall und wusste im ersten Moment nicht damit umzugehen. Nicht, dass ich nicht rein theoretisch Strategien dafür hätte, aber nach einem Jahr hatte ich (mal wieder) gedacht: "Jetzt, vielleicht ist es jetzt endlich so weit und ich hab es hinter mir". Und dann schwappt diese Welle über einen und man weiß nicht sicher, ob man so ohne weiteres wieder in der Lage sein wird zu schwimmen. Ich denke ein klein wenig Angst in solchen Situationen, dass ein kleiner Teil von einem möglicherweise doch wieder zurück in die Sucht will, wird immer bleiben. Da hilft es enorm zu lesen und quasi von außen bestätigt zu bekommen, dass dies keine Katastophe ist. Dein Beitrag hat mich heut Abend wieder zum Lächeln gebracht.

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    1. Hallo!
      Danke :) Es macht viel mehr Spaß zu bloggen, wenn es auch gelesen wird. Mir hat es bei Rückfällen geholfen, sie nicht -wie du auch selbst geschrieben hast- mit einem "jetzt ist alles vorbei" zu sehen, sondern eher als Zeichen, dass noch nicht alles geklärt ist. Geduld mit sich selbst üben ("inneres Kind") ist ganz wichtig. Ein Rückfall ist der Ausdruck von Emotionen, die man auf eine andere Art und Weise noch nicht verarbeiten kann. Emotionen wollen immer etwas sagen und mit der Zeit konnte ich lernen, dass ich ihnen dankbar bin, weil ich aus allem etwas lernen konnte. Menschen, die mit ihren Emotionen- mit allen- umgehen können, haben einen guten Zugang zu sich selbst & können vieles als Chance statt als Bedrohung sehen. Weil sie keine Angst vor "negativen Gefühlen" haben, die es in der Form meiner Erfahrung nach dann gar nicht mehr gibt, eben weil sie nicht so gewertet werden. Weil man irgendwann anfängt, auch Angst und Aggression als wertvolles Zeichen des Unterbewusstseins (das sich aus Erfahrungen zusammensetzt) zu deuten. Die gleiche Ursprungssituation nutzt der eine als Chance, der andere sieht sie als Bedrohung und läuft weg, alles hängt also von deiner Sichtweise ab.
      Alles Gute & liebe Grüße,
      Jo
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  2. Hi zusammen, ich habe auch das Problem. Bin aber allerdings neu mit dem Bekämpfen. Vllt. klingt es auch witzig, aber erst seit einer Woche. Die Bulimie begleitet mich allerdings schon wirklich lange, knapp 10 Jahren. Ich will endlich mal ganz normal essen können, ohne hinterher ins Bad rennen zu müssen. Mein Freund hat das vor einigen Tagen auch erfahren und er versucht das alles zu verstehen und will mir nur noch helfen, das tut schon mal gut. Ich weiß, dass ich eine Unterstützung immer habe. Ich freue mich aber immer, wenn jemand noch einen Tipp für mich hat, v. A. wenn derjenige es selbst erlebt hat.

    LG

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  3. Anonym17 Januar

    Ich bin ebenso dankbar für eure aufbauenden Worte! Ich hatte auch Ca. 10 Jahre b. Dann hatte ich diverse Tiefschläge(u.a. Jobverlust) aber auch wieder immenses Glück... Ich machte 4 Monate Therapie(2012) und schaffte ab Mai 2012 über 150 Tage "clean". Anfang 2013 und noch zwei weitere Male vor kurzem hatte ich dann wieder rückfälle...nun bin ich wieder am Beginn und weiß jeden guten Rat von euch zu schätzen!! Danke und bis bald, D.

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  4. Anonym27 Januar

    Hallo Jo,

    ich wollte auch einfach mal sagen, dass ich deinen Blog sehr gut finde.
    Ich lese ihn seit etwa einem Jahr regelmäßig und du sprichst mit deinen Beiträgen immer die richtigen und wichtigen Themen an.

    Alles Gute und vielen Dank!

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  5. Hallo,
    Ich kämpfe seit über 18 Jahren gegen die Krankheit Bulimie und immer, wenn ich denke gewonnen zu haben, schafft sie es wieder aus dem Hinterhalt vorzukriechen und mich zu überlisten.
    Ich hoffe, ich bringe sie bald komplett zum Aufgeben. Ich WILL nicht mehr kämpfen. Ich hab es so SATT.

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