Samstag, 23. Juli 2016

Ein Wundermittel?!

Was kommt auf eure FA-Wunschliste? Bildquelle

Diesen Blog gibt es nun schon mehrere Jahre (seit 2010), und all die Jahre habe ich ein Geheimnis für mich behalten.

Heute ist es soweit- ich verrate euch eines meiner „Wundermittel“, das mir beim Weg aus der Bulimie geholfen hat.

Der wesentliche Grund, warum ich bisher noch nichts darüber geschrieben habe, war der, dass ich bisher dachte, es wäre "zu krass" und zu riskant. Mittlerweile denke ich aber, dass es ein zu krass oder zu riskant bei Bulimie überhaupt nicht gibt - richtig ist, was hilft. Und daher ist es auch wichtig, darüber zu schreiben.


Wie ich darauf kam


Die Idee zu diesem "Mittel" kam mir, als ich fieberhaft nach einer Möglichkeit suchte, von dem immensen Druck wegzukommen, keinen FA mehr zu bekommen. Ich konnte mir absolut nicht vorstellen, dass ich es schaffen würde, wenn ich mir die FAs für immer verbieten würde. Aber ich hatte auch keine Lust und auch keine Energie mehr, ständig von ihnen überrollt zu werden und die Kontrolle zu verlieren. Und dann auch noch Sachen in mich hineinzustopfen, die ich gar nicht mochte.


Das "Wundermittel"


Meine Antwort auf diesen Konflikt war eigentlich ganz simpel: Ich plante einen FA am Wochenende. Ich erlaubte mir also einen FA an einem Tag in der Woche, und alle anderen Tage waren tabu. Da ich schon relativ normal aß und nicht jeden Tag FAs hatte, war das für mich absolut machbar.

Der große Vorteil daran war, dass ich bewusst für diesen FA einkaufen konnte. So kaufte ich also nur das ein, was ich wirklich essen wollte. Ich musste nicht auf rohen Kuchenteig oder trockenen Reis zurückgreifen.

Durch diese Methode bekam ich zumindest teilweise das Gefühl der Kontrolle zurück. Ich plante den FA, kaufte dafür ein und schuf die Rahmenbedingungen, um ihn bewusst wahrzunehmen. Konkret sah es so aus, dass ich über die Woche hinweg eine Liste anfertigte, auf der ich alle Lebensmittel notierte, die ich gerne an meinem erlaubten FA essen wollte. Erstaunlich daran war, dass ich dadurch feststellte, dass ich einige Dinge eigentlich gar nicht mochte, sondern dass ich sie aus reiner Gewohnheit immer wieder während der FAs gegessen hatte. Die Liste wurde also zu einer Art "Wunschliste" für meinen FA-Einkauf.

Das Paradoxe an dem Ganzen war, dass ich irgendwann gar keine Lust mehr auf diesen geplanten FA hatte, denn mir wurde dadurch klar, wieviel Zeit ich für dieses absurde Hobby verschwendete und was ich alles Schöneres hätte tun können.

Zunächst plante ich diese FAs als normale FAs, nach einiger Zeit nahm ich mir auch vor, danach nicht mehr zu erbrechen. Dieser zweite Schritt hatte einen weiteren Effekt: Ich nahm nämlich viel stärker wahr, wann ich wirklich befriedigt war - wo also die Grenze lag zwischen "gesättigt / befriedigt" und dem Punkt, ab dem es nur noch um reines Vollstopfen ging.


Und nicht nur Essgestörte machen es...


Wie ich erst vor kurzem erfahren habe, wird diese Idee als sog. Cheatday auch in anderen Bereichen (Fitness und Bodybuilding) als bewährte Methode eingesetzt, um das Gewicht zu halten und gleichzeitig seinen ungesunden Gelüsten fröhnen zu können.

Klar ist, dass diese Methode eher nicht dauerhaft eingesetzt werden sollte, dazu ist sie auch gar nicht gedacht. Sie kann aber beim Einstieg in einen angenehmeren, druckfreieren und FA-bereinigten Alltag sehr wohl helfen. Schreibt mir doch mal, ob ihr sowas schon mal selbst gemacht habt oder ob ihr euch das vorstellen könntet.

4 Kommentare

  1. doch, diese refeed- bzw. eigentlich bloß cheat-days werden bei ner diät zum regelmäßigen einsatz empfohlen. halt nicht so, dass man sich damit seine wochenbilanz kaputtmacht, aber 1 tag in der woche mehr essen und zeug auf das man lust hat. wird in diversen diätforen so propagiert.
    ich finde auch, dass es ausbremst, wenn man sich mal was gönnt. ich hab auch festgestellt, dass mich das entstresst; wobei ich da auch schnell n schlechtes gewissen krieg, wenns doch (nach meinen maßstäben) zu viel war. da fühl ich mich dann trotzdem schlecht, auch wenn eigentlich erlaubt.
    danke für deine offenheit und den tipp.

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    1. Danke für dein Feedback! Interessant, dass du das schon kennst und auch schon ausprobiert hast / noch machst.
      Wie groß das schlechte Gewissen dann tatsächlich ist bzw. ob man überhaupt eines hat, ist bestimmt sehr individuell.
      Bei mir war es damals so, dass ich den einen "Cheat Day" mit dem Worst Case (in meinem Fall mehrere Tage mit FAs) verglichen habe... Somit war der eine Tag völlig vertretbar.
      Das hat mir generell sehr geholfen - in vielen Dingen einfach zu denken "es hätte auch noch sehr viel schlimmer kommen können". Das setzt auch ein Zeichen gegen den Perfektionismus, der wohl die allermeisten mit Essstörung stark ausbremst und zurückhält- auch was viele andere Aspekte der Heilung angeht.

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  2. verrückt... aber ich handhabe es teilweise genauso! wenn ich weiß, dass mein Freund (mit dem ich zusammenwohne, was das unentdeckte Erbrechen grundsätzlich unmöglich macht) für einen Tag fort ist, plane ich gezielt an diesem Tag einen FA. Und greife dann auch fast nur auf Sachen zurück, die ich mir sonst verkneifen würde! Es mag bizzar klingen, doch "danach" bin ich extrem befriedigt und spüre laaange kein Verlangen nach FAs! Ich mache dann einfach mit meinem normalen Essrhythmus weiter. Mein Essverhalten hat sich wirklich normalisiert, und das nach 8 stark bulimischen Jahren... ich wünschte nur, ich könnte etwas an dem Zustand meiner Zähne ändern :( die Säureangriffe sieht man denen doch schon an...
    Jedenfalls danke für deine Offenheit!

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  3. Vorab: toll, dass es wieder aktuelle Beiträge gibt und DANKE für diesen Blog und deine Tipps, die wirklich sehr helfen und motivieren.
    Habe den Plan-FA ausprobiert. Es ist so entlastend, extra dafür einkaufen zu gehen und nur das mitzunehmen, was man wirklich gerne mag (nicht nur die günstigen, zweckdienenden Dinge). Habe mich seit langem mal nicht für die ungesunden Lebensmittel im Wagen geschämt. Nur die richtige Menge muss ich noch finden. Wenn etwas übrig bleibt, ist das gleich eine "Gefahr" für die folgenden Tage.
    Eine unkonventionelle Art, seine Bedürfnisse kennen zu lernen, auf sein Gefühl zu hören und die Abstände zwischen den FAs zu erweitern.
    Wenn es 2-3 Monate gut klappt, steht dann der schwierigere Schritt (einbehalten) an... :)

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