Genuss ist individuell. Die Geschmacksnorm wird kulturell bestimmt, der Genuss selbst ist allerdings subjektiv und damit individuell verschieden. Es kann also genussvoll sein, eine Tasse Kaffee zu trinken, und es ist nicht genussvoll, eine Tasse Kamelmilch zu trinken, weil dies in unserer kulturell geprägter Norm (dem Durchschnitt) nicht festgeschrieben ist.
Wie kann man als Bulimiker Genuss lernen? Eine gute Idee ist es, jede Mahlzeit genießen zu wollen. Dazu gehört, sich ausreichend Zeit für alle Mahlzeiten zu nehmen. Sich auf die Mahlzeit zu konzentrieren. Denn Genuss hat mit Zeit zu tun, ohne Zeit gibt es keinen Genuss. Genuss entsteht, wenn ich meinen Fokus, meine Aufmerksamkeit auf das Essen richte. Da wären wir auch wieder beim FA. Beim FA richte ich meine Aufmerksamkeit nicht auf das Essen, sondern auf gar nichts, ich verdränge. Ich stopfe alles runter, ich stopfe mich wie eine Gänsestopfleber.
Zeit ist der Anfang. Der nächste Schritt ist die Auswahl der Lebensmittel. Esse ich etwas, was mir schmeckt? Oder esse ich das auf meinem Teller, weil ich damit etwas anderes ersetze? Ersetze ich damit mein Lieblingsgericht, esse ich ein Käsebrot, weil das schneller geht und ich zu faul bin, oder nehme ich mir Zeit und koche mir einen Griesbrei, den ich früher immer so gern gegessen habe?
Der nächste Schritt ist das Anrichten. Esse ich auf einem Teller oder direkt aus dem Topf? Stelle ich mir vielleicht mal eine Blume auf den Tisch, ein Glas neben meinen Teller, und gönne ich mir heute mal einen Nachtisch? Behandle ich mich gut oder nachlässig?
Dennoch: Wäre es nicht viel sinnvoller, weniger Wert auf Genuss zu legen? Ein einfaches Essen zu mögen & das vielleicht auch zu genießen, aber um gedanklich vom Essen loszukommen? Wie heißt es im Talmud schon so schön "Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte. Achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen. Achte auf deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten. Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter. Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal." Ich finde, das ist ein Gegenargument, über das es sich nachzudenken lohnt.....Sollte man dem Essen wirklich so viel Wert beimessen?
Ich denke, die Lösung liegt wie immer in der Mitte....
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