Samstag, 18. April 2015

Der größte Unterschied zwischen Ex-Bulimikern und Noch-Bulimikern

Es gibt immer diese Leute, die alles was einem selbst unheimlich schwer erscheint, mit Leichtigkeit schaffen. Sie machen alles mit links und stellen sich selbst dabei scheinbar überhaupt nicht in Frage.

Wie kann das sein? Wie kann es sein, dass es einige Menschen gibt, die sich von nichts und niemandem von ihren Plänen abhalten lassen, während andere nicht mal die einfachsten Sachen gebacken kriegen?

Letzten Endes dreht sich alles nur um einen großen Punkt: die Kontrollüberzeugung.

Was ist Kontrollüberzeugung und was bewirkt sie?

Die Leute, die scheinbar alles mit links schaffen, sind die mit einer hohen "internalen Kontrollüberzeugung". Sie sind also davon überzeugt, dass sie selbst Einfluss auf den Lauf ihres Lebens nehmen können. Sie glauben, dass sie Macht über ihre Lebensumstände haben. Und wenn ihnen etwas nicht passt, dann ändern sie was. Sie lehnen sich nicht zurück und denken "Es wird schon irgendwas passieren". Sie treffen Entscheidungen und setzen sie um. Wenn sie aus der Bulimie rauswollen, dann machen sie sich klar, dass sie allein Macht über ihr Leben haben und es würde ihnen auch nicht in den Sinn kommen, anderen die Schuld für ihr eigenes Verhalten zu geben. Weil sie glauben, dass sie selbst Einfluss nehmen können, sind genau sie es selbst, die im Endeffekt tatsächlich Einfluss haben.

Das Gegenteil davon sind Leute, die eine hohe "externale Kontrollüberzeugung" haben. Sie gehen davon aus, dass hauptsächlich andere Menschen oder die Umstände bestimmen, wohin ihr Leben geht. Sie schreiben sich selbst nur einen sehr bedingten Einfluss auf ihre Lebensumstände zu. Das führt dazu, dass sie nicht glauben, etwas in ihrem Leben verändern zu können. Das sind zum Beispiel auch die Menschen, die ihr Verhalten allein der Diagnose Bulimie zuschreiben. Sie können selbst ja nichts dafür wenn sie einen FA haben- nein, das ist ja die Krankheit. Sie glauben zum Beispiel, dass sie ihr Verhalten nicht ändern können, weil sie sich ausgeliefert fühlen. Sie fühlen sich ausgeliefert, weil sie die Macht über ihr Leben an die Krankheit Bulimie abgetreten haben.

Wie kommt man von der externalen zur internalen Kontrollüberzeugung?

Klar- niemand hat Einfluss auf alles. Du kennst sicherlich das Gelassenheitsgebet:
Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden. - Wikipedia
Es zeigt sehr deutlich, worum es geht. Wenn du also das eine von dem anderen unterschieden hast, dann unternimm was. Je öfter du Erfolgserlebnisse hast- je öfter du den FA abwimmelst, desto stärker wird deine internale Kontrollüberzeugung. Sie entsteht durch die eigene Erfahrung. Dazu ist es erforderlich, dass diese Erfahrungen gemacht werden. Aufgeben ist keine Option und das war es noch nie.

Wir alle fangen irgendwann mal damit an oder haben irgendwann mal damit angefangen, die Dinge in die Hand zu nehmen, weil wir irgendeinen Zustand nicht mehr länger ertragen haben.

Es ist nie zu spät, eine internale Kontrollüberzeugung anzunehmen und sein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Warum fängst du also nicht gleich heute damit an? ;)

Samstag, 28. März 2015

Das klingt ja alles ganz toll! Aber wie komme ich jetzt aus der Bulimie raus?

Wow. So viele Emails haben mich in den letzten Wochen erreicht, dass ich nun endlich diesen klärenden Artikel schreiben muss.

Die Emails gleichen sich nämlich immer sehr. Das steht in etwa drin: 
"Johanna, vielen Dank für deinen tollen Blog. Er hilft mir sehr. Ich habe nun seit xy Jahren Bulimie und wollte dich fragen, wie ich mit den FAs endlich aufhören kann! Was soll ich bloß machen?" 
Solche Nachrichten rütteln mich auf. Ich denke mir dann, dass meine Artikel euch zwar zu helfen scheinen, aber dass sie wenig Bedeutung für die Bewältigung der Krankheit haben.Vielleicht sind sie eher eine willkommene Abwechslung und hilft beim Perpektivenwechsel? Ich weiß es nicht, kann es nur erahnen. Aber egal wie es wirklich ist: Heute bekommt ihr den ultimativen "Tipp".

Wie kommt man also aus der Bulimie raus?

Ich sehe zwei große Schritte, die man gehen muss:

1. FAs als Gewohnheit

Einerseits bin ich davon überzeugt, dass die bulimische Symptomatik, die in erster Linie die Essanfälle betrifft, eine Gewohnheit ist, die durch die wiederholte "Ausübung" entsteht. Um die Bulimie loszuwerden, muss man also diese Gewohnheit loswerden und sie mit anderen Gewohnheiten ersetzen- die neu erlernt werden müssen. Irgendwann ist die Gewohnheit in Form von neuronalen Netzen im Gehirn dann nur noch so schwach vorhanden, dass die Symptomatik immer weiter verschwindet, bis sie irgendwann ganz erlischt. Dann ist der Drang nach FAs verschwunden. Es geht also im Wesentlichen darum sich klarzumachen, dass FAs hauptsächlich aufgrund ihrer gehirnchemisch energiesparenden Eigenschaft vom Gehirn als Handlungsoption bevorzugt werden, darum immer wieder ausgeübt werden- auch weil sie belohnenden Effekt haben (Beruhigung, positive Gefühle durch Bestandteile der Nahrung, etc.).

2. FAs verhindern um die bulimische Gewohnheit zu überschreiben

Andererseits geht es darum, eben diese neuronalen Netze der Gewohnheit zu "überschreiben". 
Dazu müssen folgende Schritte erfolgen:

- 1.) der Drang nach dem FA bewusst als solcher wahrgenommen
- 2.) eingeordnet (analysiert) 
- 3.) und "verabschiedet" werden. 

Wie ihr seht, sind das 3 Schritte. Ein FA hat natürlich immer einen Grund, eine Ursache- wobei auch so etwas Banales wie Langeweile oder Mangel an Alternativen Grund genug sein kann. Ich sage nicht, dass ein FA keinen Zweck erfüllt. Das würde für das Gehirn keinen Sinn ergeben. Das Gehirn versucht im Normalfall, ein emotionales Gleichgewicht herzustellen, und solange man z.B. traurig ist und keine alternative Handlungsoption bereit hält außer den FA und man gleichzeitig nur wenig Willenskraft hat, um sich mit seiner emotionalen Situation zu befassen, ist der FA aufgrund seiner energiesparenden und serotoninausschüttenden Eigenschaft beinahe unausweichlich. 

Es gibt verschiedene Methoden, wie FAs verhindert und stattdessen neue Handlungsoptionen gelernt werden können. Dabei müssen immer die 3 obigen Schritte enthalten sein. Eine gute Methode ist z.B. "Surfing the Urge", verschiedene Meditationstechniken oder Methoden zur Achtsamkeit. Ich denke, es gibt hier kein Allheilmittel, sondern jeder sollte selbst nach Methoden suchen, die für ihn gut funktionieren. Für mich war es z.B. auch das Lesen antiker Philosophen wie Seneca, die mir dabei geholfen haben, meinen Alltag zu entschleunigen, Gedanken bewusster wahrzunehmen und letztlich auch bewusst auf aufkommende Impulse reagieren zu können.

Ok, aber.... Welche Rolle spielt dabei jetzt die Ernährung?

Die Ernährung klinkt sich bei Punkt 2- FAs verhindern um die bulimische Gewohnheit zu überschreiben- ein. Ich denke es erscheint plausibel, dass gewisse Nahrungsmittel einfach viel besser als manche andere dafür geeignet sind, FAs zu verhindern. Einige Lebensmittel wie Süßigkeiten und Weißmehlprodukte schicken den Blutzucker auf eine Achterbahnfahrt und sollten daher tatsächlich nur in Maßen gegessen werden, weil sie den FA-Drang enorm verstärken können. Dasselbe gilt für sämtliche Fertiggerichte in denen Konservierungsmittel enthalten sind, die Einfluss auf den Sättigungsmechanismus haben können.

Auf Nährstoffdichte achten

Ansonsten ist es auch enorm wichtig zu wissen, welche Lebensmittel wirklich gesund im Sinne von nährstoffreich sind (Stichwort "Aggregate Nutrient Density Index"). Im Allgemeinen solltet ihr euch damit beschäftigen, wieviele Nährstoffe im Sinne von Mineralien, Vitamine, etc. eure Nahrung enthält. Dass die richtige Ernährung elementar fürs Wohlbefinden ist wisst ihr eh schon.

Wieviele Mahlzeiten? 

Auch die Anzahl der Mahlzeiten spielt bei der Vermeidung von FAs eine wesentliche Rolle. Je mehr Mahlzeiten man zu sich nimmt, desto kleiner sollen die Mahlzeiten ausfallen, desto eher kann man sich nicht satt essen. Man kann sich nicht 5 Mal am Tag im Sinne von 3 Haupt- und 2 Zwischenmahlzeiten satt essen. Sich satt essen zu können und zu dürfen spielt jedoch eine wesentliche Rolle in der Wiederentdeckung des Sättigungsgefühls, das bei der Bulimie verloren gegangen ist. Das ist sehr viel einfacher bei nur 3 Mahlzeiten mit ausreichend langen Pausen (4-5 Stunden), in denen bewusst nicht gegessen wird. So wird einerseits das Hunger- aber auch das Sättigungsgefühl wiederentdeckt und ausgebaut. 

Die Pausen können selbstverständlich am besten eingehalten werden, wenn die Zusammensetzung der Mahlzeiten gut beschaffen (im Sinne von ballaststoffreich und niederglykämisch) sind.

Samstag, 21. März 2015

Ist Bulimie nur eine Gewohnheit?

In der letzten Zeit habe ich aufgrund verschiedener Ereignisse in meinem eigenen Leben wieder daran denken müssen, wie wichtig es ist, sich selbst und anderen Menschen zuzutrauen, dass sie ihr Leben und ihre Gewohnheiten ändern können. Was scheinbar "immer" so war, muss nicht immer so bleiben. Ich selbst habe diese Erfahrung gemacht und bin mir absolut sicher, dass sich jeder Mensch weiterentwickeln kann und letztlich viele seiner Ziele erreichen kann, wenn er sich einer Sache bewusst ist: Das Gehirn ist vollkommen anpassungsfähig. Wird es mit neuen Erfahrungen gefüttert, dann lernt es und bildet in den entsprechenden Gehirnregionen mehr Verbindungen aus. Entsprechend verhält man sich in gewissen Situationen routinierter, souveräner und kann in einem Bereich, in dem man sich zu Beginn absolut nicht ausgekannt hat, zum absoluten Experten und Vorbild werden.

Genau so verhält es sich mit der Bulimie. Bereits in meinem 2. Blogpost überhaupt aus dem Jahr 2010 habe ich dieses Phänomen beschrieben. Und ja, ich bin wieder bei dieser Überzeugung angelangt: Die Bulimie ist nichts weiter als eine Gewohnheit. Sie ist für das Gehirn die einfachste und energiesparendste Methode, um auf die verschiedensten Dinge zu reagieren. Sie ist ganz einfach ins Gehirn "eingebrannt". Werden keine alternativen Gewohnheiten erlernt und angewandt, dann wird sie für immer die Lösung Nummer 1 bleiben.

Bitte, liebe Mädels. Lasst euch das nicht länger einreden. Ihr seid nicht gestört und habt auch keine psychische Krankheit. Überhaupt- was ist schon normal ;) Es ist mittlerweile bekannt, dass die Bulimie psychische Krankheiten verursacht, aber ich bin mir sicher: Nur in ganz wenigen Fällen bestehen sie schon vor der Bulimie. Auch ein geringes Selbstwertgefühl ist keine Ursache einer Bulimie. Es muss endlich Schluss mit dieser Paranoia sein. Aus diesem Grund funktionieren sogenannte "Psychodynamische Therapien" auch in vielen Fällen nicht.

Versteht mich nicht falsch. Es ist immer von Vorteil, mit der Vergangenheit abzuschließen und Dinge, die nicht gut gelaufen sind, zu verstehen und sich mit den Beteiligten auseinanderzusetzen. Aber im Falle der Bulimie, in der so viele chemische und neurologischen Prozesse in Gang gesetzt werden, reicht dieses eindimensionale Vorgehen leider einfach nicht aus.

Interessanterweise beschreibt das amerikanische Buch "Brain over Binge" genau dieses Modell, das ich damals auch schon zur Erklärung herangezogen habe. Es würde mich interessieren, ob es einer von euch schon gelesen hat. Gebt mir gern Bescheid, was ihr davon haltet!

Samstag, 14. März 2015

Der Weg der Heilung ist eine Heldenreise. Und DU bist der Held.

Der Weg aus der Bulimie ist immer ein Veränderungsprozess. In Mythen, Märchen und Romanen wird dieser Prozess durch die Abfolge typischer Situationen dargestellt, die mit diesem Weg vergleichbar sind, die Heldenreise genannt werden und aus 12 charakteristischen Stufen bestehen:

1- Ist-Zustand

Die erste Stufe stellt die Alltagswelt mit Bulimie dar. Ihr habt regelmäßig FAs, fühlt euch damit nicht wohl, aber ihr seht auch keine große Notwendigkeit, irgendetwas zu verändern. Die körperlichen Schäden sind entweder nicht so groß, dass ihr aus der Bulimie heraus wollt, oder ihr habt euch einfach damit angefunden, dass ihr "nun mal" diese Krankheit habt. Oder ihr habt einfach im Moment keine große Lust, euch damit zu beschäftigen. Vielleicht seid ihr sogar ein wenig deterministisch eingestellt und denkt, dass ihr es gar nicht wirklich verdient habt, ohne diese Krankheit zu leben und glücklich zu sein. Aber warum auch immer- auf dieser Stufe unternehmt ihr keine großen Schritte, um die Bulimie hinter euch zu lassen.

2- Der Ruf

Der Ruf ist ein "Wake-up-Call" - also eine Art Wachrütteln durch ein bestimmtes Ereignis. Das kann beispielsweise ein körperlicher Zusammenbruch sein, oder ihr stellt schlicht und ergreifend fest, dass es so einfach nicht weitergehen kann in eurem Leben. Egal wie und wann es passiert: Nach dem Ruf ist nichts mehr wie es war.

3- Die Weigerung

Auf dieser Stufe habt ihr zwar erkannt, dass sich etwas in eurem Leben ändern muss- ihr weigert euch aber, die nötigen Schritte zu unternehmen, damit sich wirklich etwas verändern kann. Ihr weigert euch. Ihr schiebt fadenscheinige oder echte Gründe vor, damit ihr alles beim Alten belassen könnt. Jede Veränderung ist mit Anstrengung verbunden, und so ist es auch mit dem Ausstieg aus der Bulimie. Einfacher und energiesparender ist es in jedem Fall, bulimisch zu bleiben. Ihr wisst nicht, was auf euch zu kommt, wenn ihr die Zeit nicht mehr mit FAs verplempern könnt. Was macht ihr mit all der freien Zeit? Es tun sich ganz neue Probleme auf, die man vorher mit FAs verdrängen konnte. All das zusammengenommen verursacht die Weigerung, sich wirklich auf den Weg der Heilung zu machen.

4- Der Mentor

Nachdem ihr festgestellt habt, dass man die Bulimie nicht so einfach los wird und dass auch ganz neue Probleme entstehen, wenn man keine FAs mehr hat, tritt eine neue Personen in euer Leben: der Mentor. Der Mentor ist eine Person, die euch an die Hand nimmt, euch Mut macht und der ihr vertraut. Der Mentor hat oft die Reise, die ihr gerade antretet, schon selbst hinter sich gebracht und darum ist sein Rat auch Gold wert. Ihr lasst euch von niemandem etwas sagen- von ihm aber schon. Der Mentor weiß, wovon er spricht. Der Mentor zeigt dir, worauf du achten musst und wo versteckte Gefahren lauern. Er glaubt an dich und das sagt er dir auch.

5- Die erste Schwelle

Nachdem du den Mentor getroffen hast (vielleicht auch nur virtuell), gibt es kein Zurück mehr. Du hast dich entschieden: Du willst die beschwerliche Reise auf dich nehmen und deine alten Gewohnheiten herausfordern. Du willst die Bulimie besiegen. Du weißt noch nicht wie, aber du hast mit dem Mentor einen Menschen an deiner Seite, der dich dabei unterstützt und der dich in schwierigen, aber auch in freudigen Situationen begleitet. Und du bist bereit, in die unbekannte Welt des Abenteuers einzudringen.

6- Erweiterung von Fähigkeiten und Bewusstsein

Nachdem du das unbekannte Terrain betreten hast, tut sich auch schon was. Erste Prüfungen in Form von zu verhindernden FAs und anderen Schwierigkeiten, die du bisher nicht hattest, verstecken sich in deinem Alltag. Du kommst nicht umhin, dich mit ihnen auseinanderzusetzen. Du beginnst damit, dich der Gefahr bewusst auszusetzen, und mit jedem nicht ausgelebten FA wächst dein Selbstvertrauen. Du glaubst jetzt immer öfter und immer stärker daran, dass allein du die Macht darüber hast, dem Drang nach einem FA nachzugeben oder nicht. Dein Wissen über neurologische Vorgänge hilft dir dabei, Konflikte anders auszutragen und nicht zum FA als Allheilmittel zu greifen. Während der Suche nach "deinem" Weg triffst du auf Menschen, denen es ähnlich geht wie dir. Der Austausch mit ihnen gibt dir neue Kraft und Mut für deinen weiteren Weg. Aber auch Feinde in Form von nicht zielführenden Therapien begegnen dir, und es liegt nun an dir, dich nicht von ihnen beeindrucken und kleinreden zu lassen. Du weißt, dass du auf dem richtigen Weg bist, weil du dein Bewusstsein durch die ersten erfolgreichen Prüfungen erweitert hast und an deine in dir schlummernden Fähigkeiten glaubst.

7- Vordringen zur tiefsten Höhle. Erfolgreich bestandene Prüfungen.

Nach den ersten erfolgreich bestandenen Prüfungen dringst du nun immer weiter zur tiefsten Höhle vor. Die tiefste Höhle ist in unserem Fall das Unterbewusstsein, das bislang abgeschottet und nur schwer zu erreichen war. Nun fühlst du dich bereit, den Kampf aufzunehmen und all die irreführenden Überzeugungen zu überwinden.

8- Die entscheidende Prüfung. Sieg über den größten Gegner

In der tiefsten Höhle schlummert dein Unterbewusstsein. Dein Ziel ist es nun, die Gewohnheiten und ungesunden Vorstellungen, die sich dort in den vergangenen Jahren deiner Krankheit angesammelt und konzentriert haben, aufzudecken und umzuschreiben. Du bist dir der Gefahr bewusst und weißt, dass der Kampf viel Energie kostet. Nach einiger Zeit siehst du dem Gegner direkt in die Augen. Du kannst sehen, dass er nicht so einfach preisgibt, was du gern haben willst. Er versucht dich abzulenken und sich klein zu machen. Doch du weißt, dass er ein mächtiger Gegner ist, und du bist fest entschlossen, dich nicht ohne den Sieg auf den Rückweg zu machen. Nachdem du ein paar Mal kurz davor warst aufzugeben, weil du nicht mehr erkennen konntest, wie du ihn bezwingen sollst, gibt er auf, weil du ihn penetrant mit neuen Informationen gefüttert hast, und er verwandelt sich. Du hast es geschafft. All die alten, falschen Informationen sind überschrieben mit neuen, die dir auf deinem weiteren Weg helfen und die dir neue Energie geben. Der Weg ist nun frei, der Gegner ist zum Verbündeten geworden und öffnet dir die Tür zur nächsten Stufe.

9- Belohnung. Du raubst den Schatz.

Du gehst durch die Tür und gelangst nun ganz einfach an den Schatz. Der Schatz ist der Glauben an dich selbst, den du ab jetzt immer mit dir trägst. Er leuchtet in vielen Farben und zeigt dir den Weg. Auch wenn andere schon längst den Glauben an dich verloren haben: du hast ihn neu erlangt, und jedes Mal, wenn Gefahr droht, holst du ihn heraus und er zeigt dir, dass du souverän über der Gefahr stehst. Der Schatz muss jedoch immer gut behütet werden, sonst wird er von anderen geraubt.

10- Der Rückweg mit dem Schatz

Nun machst du dich auf den Rückweg in dein ursprüngliches Umfeld. Der Schatz ist dabei immer an deiner Seite. Du hast das Gefühl, dass andere neidisch sind und auch gern einen Schatz hätten. Aber du weißt, wie hart du um ihn gekämpft hast und gibst ihn nicht leichtsinnig her.

11- Die Auferstehung

Durch deine Reise und die bestandenen Prüfungen bist du zu einer neuen Persönlichkeit herangewachsen. Du bist nicht mehr die, die du früher warst. Während möglicherweise viele deiner alten Bekannte und Freunde noch immer in ihren alten Denkmustern verharrt sind, hast du dich ausgiebig mit dir, deinem Leben und der Welt um dich herum auseinandergesetzt. Du bist gereift und das merkt man dir auch an.

12- Rückkehr mit dem Elixier

Schlussendlich kehrst du mit den neu gewonnenen Kräften zurück in deinen Alltag. Auch wenn du dir während der Reise ein neues Betätigungsfeld gesucht hast- du kannst deine neuen Fähigkeiten früher oder später dort einsetzen. Sei es, in dem du anderen hilfst, die ähnliches vor sich haben, oder indem du ganz generell jetzt in der Lage bist, über dich hinaus auch andere zu sehen und sich vieles in deinem Leben relativiert hat. Du bist dankbar für das, was du hast und weißt das Leben zu schätzen- denn du hast es früher fast weggeworfen. Das rückt viele Dinge in ein neues Licht, und wenn es auch nur Kleinigkeiten sind- auch so hilfst du anderen dabei, ihren Horizont zu erweitern, Dinge in Frage zu stellen und sich über das Leben zu freuen. Der Schatz ist zu einem festen Bestandteil in deinem Leben geworden, und du bist stolz auf das, was du erreicht hast.

Vielleicht findet ihr euch auf einer Stufe der Heldenreise wieder?

Hier könnt ihr ein sehr nett gemachtes Video zur Heldenreise ansehen:



Samstag, 7. März 2015

Der ANDI-Score: Ganz einfach ermitteln, wie gesund ein Lebensmittel wirklich ist.

 Bild von Martin Jäger  / pixelio.de

Wie gesund ist ein Lebensmittel wirklich? Eine Möglichkeit um das herauszufinden, stellt der ANDI-Index dar.

Dieser Lebensmittelscore nach Dr. Joel Fuhrman wurde aus dem Quotienten Nährstoffdichte / Kalorien abgeleitet. Wie gut zu erkennen ist, wurde von grünem Blattgemüse als Referenzwert mit "1000" ausgegangen. Sich gesund zu ernähren ist keine Frage exzessiven Kalorienverzehrs, sondern eines hohen Scores. Die Tabelle gibt Aufschluss über die Quanität der enthaltenen Nährstoffe und nicht über deren Ausgewogenheit.

Der ANDI-Score: Aggregate Nutrient Density Index nach Dr. J. Fuhrman (klicken zum Vergrößern)

Samstag, 28. Februar 2015

5 Einstellungen für Erfolg vs. Misserfolg

Ich habe mal darüber nachgedacht, wie viele Bulimiker oft denken. Dabei ist mir aufgefallen, dass sich die Denkweisen oft ähneln und dass viele dieser Einstellungen gefährlich sind, weil sie nicht dabei helfen, aus der Bulimie zu kommen, sondern eher dazu führen, in der Bulimie verhaftet zu bleiben:

1) Die anderen sind schuld an meiner Bulimie, weil sie keine Rücksicht auf mich nehmen. 

"... Was sie immer von mir wollen regt mich so auf oder überfordert mich, so dass ich den FA brauche um mich zu beruhigen..."

Es ist egal, was andere von mir wollen. Ich kann es nicht beeinflussen, was andere sagen, machen oder denken. Ich kann nur beeinflussen, wie ich darauf reagiere. Darum kann ich ihnen einerseits klar sagen, was ich denke und muss es nicht runterschlucken und mich später darüber aufregen. Dann hat sich das Problem mit dem FA als Ausbalancierer erledigt.

2) Ich bin der Bulimie ausgeliefert und kann einfach nichts gegen sie machen

Das ist die Opferhaltung, die viele Bulimiker einnehmen. Nach dem Motto "Ich probiere es immer wieder, aber ich schaffe es einfach nicht. Ich glaube, dass das so hart ist, dass ich es nie schaffen werde. Es werden dafür übermenschliche Kräfte von mir verlangt. Dabei schwächt die Bulimie mich so sehr, dass ich doch so schon keine Kraft mehr übrig habe. Wie soll ich das also machen?"

Die Antwort auf diese Fragen ist: Wenn ich davon ausgehe, dass ich immer viel Disziplin aufbringen muss, dann mache ich etwas falsch und habe wahrscheinlich auch eine kontraproduktive und gefährliche Einstellung. Denn die Bulimie ist keine gottgegebene Sache. Ein FA ist in vielen Fällen sehr vorhersehbar, und basiert auf vielen Risikofaktoren, die jeder für sich genommen beeinflussbar ist. Schau zu, dass du dir ein strukturiertes Gerüst schaffst, das Rituale beinhaltet, und halte dich daran. Disziplin und Selbstbeherrschung braucht sich im Lauf des Tages auf, und darum kannst du dich nicht ständig "am Riemen reißen", sondern brauchst diese Struktur. Das habe ich in meinem Artikel "Ego-Depletion" schon beschrieben.

Möglicherweise herrscht in vielen Köpfen auch noch die Vorstellung, dass irgendwann ein Schalter im Kopf umgelegt wird, und dann ist man von einem auf den anderen Tag nicht mehr bulimisch. Ich bezweifle nicht, dass es solche Fälle gibt. Aber sie sind nicht an der Tagesordnung. Im Normalfall ist es ein längerer Weg mit vielen Höhen und Tiefen. Und das sollte ich von Anfang an wissen.

Ein Rückfall ist eigentlich auch kein Rückfall, sondern normaler Bestandteil des Heilungsprozesses.
Was ich sagen will: Niemand ist der Bulimie ausgeliefert, denn jeder kann es schaffen, gesund zu werden. Darum lass dir mir keinen BS einreden und mach dich auf den Weg!

3) Mein Körper ist bulimisch. Ich habe schon so lange Bulimie, dass mein Stoffwechsel schon gar nicht mehr normal funktioniert.

Ja, das ist teilweise sogar richtig. Der bulimische Stoffwechsel ist in vielen Fällen so aus dem Gleichgewicht geraten, dass es zunächst einige Zeit braucht, um ihn wieder zu stabilisieren. Das bedeutet, dass beispielsweise der Blutzucker stark abfällt, und man einige Stunden nach dem Essen wieder essen muss, weil man sonst das Gefühl hat umzukippen. Diese extremen Schwankungen lassen sich aber (Ausnahme: Diabetes) in den Griff bekommen. Dann ist es möglich, auch längere Pausen zwischen den Mahlzeiten zu lassen.

4) Ich brauche die Bulimie um die Erinnerungen an meine Vergangenheit zu verdrängen

"Meine Bulimie hat ihre Ursachen ganz klar in meiner Kindheit. Ich muss mich gegen meine familiären Wurzeln und meine Vergangenheit wehren. Das ist so hart, dass ich den FA brauche. Anders kann ich es nicht bewältigen." Wenn ich so denke, ist es klar, dass ich nicht nach vorne, sondern zurück schaue. Dann kann ich keine Vision, keine gute Vorstellung meiner Zukunft entwickeln, sondern bin immer nur auf der Suche nach Schuldigen.

Das ist gut in einem begrenzten Rahmen. Einen Überblick und eine grobe Vorstellung davon zu haben, was passiert ist, schadet nicht. Aber man sollte es irgendwann abschließen und nach vorne schauen. Niemand hatte eine völlig perfekte Kindheit. Auch wenn sie besonders schlimm war, ist das kein Grund, sich sein Leben vollständig vermiesen zu lassen! Schau nach vorne.

5) Ich kann nur gesund werden, wenn ich genau das gleiche wie andere esse.

Das ist eine sehr gefährliche Art zu denken. Einige der normalen Lebensmittel sollten zu riskanten Mahlzeiten gemieden werden. Dazu zählen Brot, alle Arten von Gebäck und Milchprodukte. Diese Lebensmittel wirken auf Bulimiker wie Drogen auf einen Drogenabhängigen. Sie machen Lust auf mehr. Du kannst sie mit anderen unbekümmert essen, wenn du in Gesellschaft anderer keine Probleme mit FAs hast.

Es gibt auch andere Gelegenheiten, in denen viele Lebensmittel gar keinen besonderen Reiz ausüben und dann ganz normal gegessen werden können. In Situationen aber, in denen FAs auftreten (vor allem zuhause wenn man alleine ist) solltest du auf andere Nahrungsmittel zurückgreifen.

Die genannten Arten zu denken bringt dich also nicht weiter. Erfolgsversprechend sind hingegen die folgenden 5 Denkweisen:

1) Die Vergangenheit anerkennen und das sein lassen, was sie ist: vergangen.

Ich weiß, dass früher nicht alles einfach war. Aber ich kann mein Leben jetzt selbst gestalten und lasse mich von den alten Verhaltensmustern nicht länger bestimmen. Ich habe mein Leben selbst in der Hand. Genau wie ich mich jederzeit für oder gegen einen FA entscheiden kann. 

2) Anderen Grenzen setzen

Vielleicht ist der Begriff des Grenzensetzens eher weniger bekannt. Ein Beispiel ist diese Szene: ich freue mich auf mein Wochenende. Ich will mich mit einer Freundin treffen und mich in die Sonne in ein Café setzen. Ich will das Wochenende auch dazu nutzen, mich endlich mal auszuschlafen, denn meine Woche war stressig und ich habe nicht viel Schlaf abbekommen. Außerdem will ich noch einen Vortrag für den nächsten Montag vorbereiten, den ich nicht verschieben kann.

Dann ruft mich eine Bekannte an und frägt, ob ich ihr am Samstag bei einem Umzug helfen kann, den ganzen Tag lang. Denn sie hat selbst kein Auto und braucht meines. Ich könnte jetzt denken, es wäre doch nett, ihr zu helfen, denn ich weiß dass sie sonst niemanden kennt, der ein Auto hat. Oder ich sehe es als meine Pflicht, und schließlich habe du ja nicht so viel vor. Also sage ich ihr zu. Mein Samstag ist jetzt anstrengend, den Termin mit der Freundin sage ich ab, denn am Sonntag hat sie keine Zeit mehr, und ich selbst sitze am Sonntag an meinem Vortrag. Von meinem Wochenende ist nicht viel übrig geblieben, und ich starte die neue Woche nicht entspannt, sondern eher genervt und gestresst.

Was ich dir damit sagen will: Wenn ich nicht erkenne, dass ich meine eigene Zeit nicht wertschätze und leichtfertig an andere verschleudere, dann kann ich auch keine Grenzen setzen und nein sagen. Der erste Schritt ist zu erkennen, dass ich Zeit für mich alleine brauche, um meine Batterien aufzuladen. Diese Zeit ist heilig und ich verschenke sie darum nicht an andere.

Zum anderen betrifft es auch die Kommunikation mit anderen. Wenn jemand offensichtlich meine Grenzen übertritt, dann muss ich es ihm sagen. Ich muss zunächst erkennen, dass jemand meine Grenzen missachtet und dann darauf reagieren. Beides muss trainiert werden.

3) Proaktiv statt reaktiv sein

Weil ich mich nicht gern von anderen Menschen zu sehr abhängig mache und immerzu darauf warte, dass sie den ersten Schritt machen und ich dann notgedrungen nichts anderes tun kann als auf sie zu reagieren, bin ich proaktiv. Das bedeutet, dass ich den ersten Schritt gehe und den Dingen, die mir wichtig sind, selbst eine Richtung gebe. So bin ich nicht an die anderen gebunden und handle eigenständig und unabhängig.

4) Den Stoffwechsel durch die Ernährung bewusst neu gestalten

Ich weiß, welche Nahrungsmittel meinen Körper die absolute Dröhnung verschaffen können. Ich weiß aber auch, wie ich meinen Körper wieder in einen gesunden Modus zurückbringen kann. Weil ich auch weiß, dass mein Körper "unter Strom" nur schwer auf rationales Denken anspricht (also wenn ich zum Beispiel einen FA verhindern will), nehme ich es auf mich, ihn durch wirklich gesunde Ernährung neu zu programmieren, damit ich den Weg der Heilung überhaupt erst beschreiten kann.

Eine gesunde Ernährung orientiert sich nicht an Kalorien, sondern an seinen Bestandteilen, wozu sehr viel Gemüse (!) und Obst gehört. Die neue Art mich zu ernähren ziehe ich durch und weiß, dass es mitunter einige Wochen dauern kann, bis mein Körper wieder gut funktioniert.

5) Entspannung am Abend über alles andere stellen

Bevor ich zuhause meine Pflichten erledige muss ich meinen Stresspegel reduzieren, um keinen FA zu bekommen. Weil ich auf dem Weg der Heilung bin, habe ich bereits erkannt, dass sich genau an diesem Punkt die Spreu vom Weizen trennt.

Abends runterzukommen und die Anspannung des Tages von mir abfallen zu lassen ist immens wichtig und auf gar keinen Fall zu unterschätzen. Es hilft mir dabei, verschiedene Methoden auszuprobieren und letztlich verhindert es so nicht nur den FA, sondern ermöglicht mir auch, dass ich mich abends im Bett nicht von einer Seite auf die andere drehe sondern gut einschlafen kann.

Samstag, 21. Februar 2015

6 einfache Methoden zum Entspannen am Abend

Wenn ich am Abend von der Arbeit nach Hause komme, bin ich oft noch sehr gestresst vom Tag. In den letzten Jahren habe ich mir darum ein paar Verhaltensweisen angeeignet, mit denen ich mir ganz einfach ein schnelles Wohlgefühl und ein Gefühl der Entspannung verschaffen kann. Ich habe mir gedacht, dass euch diese Methoden bestimmt auch weiterhelfen, denn im Rückblick war es oft dieses Gestresstsein, das bei mir zum FA geführt hat. Und auch allein schon zu wissen, dass ich durch diese Methoden in der Lage bin, den Stress anders als durch einen FA abzubauen, reduziert das Risiko eines FAs.

Hier sind also nun meine 6 besten Methoden, um Stress und Anspannung abzubauen:

Umziehen
Das Tagesoutfit stellt oftmals das Funktionieren und vielleicht auch Angepasstsein dar, das im Job oder Studium und generell in der Öffentlichkeit erforderlich ist, dar. Darum lasse ich auch mein äußerliches Erscheinungsbild gern hinter mir, wenn ich zuhause entspannen will. Ich ziehe mir eine gemütliche Hose und einen Kapuzenpulli an, weil ich mir dadurch auch selbst signalisiere, dass ich jetzt genau das machen darf, was ich will. Ohne dass andere darüber urteilen, und ohne dass ich irgendetwas repräsentieren muss. Das lässige Outfit unterstreicht genau das, was ich zuhause tun will: mich entspannen. Und darum ist es weich und kuschelig, und genau darum kann ich mich darin so gut entspannen.

Eine gemütliche Atmosphäre schaffen
Seit einiger Zeit habe ich dieses "Ritual", wenn ich abends nach Hause komme: Ich zünde mir zwei Kerzen an und dimme das Licht. Ich mag die gemütliche Stimmung, die dadurch entsteht, und kann mich dadurch viel besser entspannen als durch die helle Lampe an der Decke. Die etwas abgedunkelte Lichtstimmung hilft mir dabei, mich zu sammeln, auch weil sie weniger äußere Reize aussendet und mich dadurch weniger beansprucht.

Etwas leckeres trinken
Im Winter mache ich mir gern erstmal eine Tasse Tee, bevor ich mir überlege, was ich gern essen möchte. Oft auch während ich koche oder das Abendessen zubereite. Die Tasse mit dem heißen Getränk ist auch so ein Symbol, ein Zeichen für mich, dass ich jetzt runterkommen darf und auch meinen Kopf abschalten darf. Wenn es wärmer wird, oder je nachdem worauf ich gerade Lust habe, trinke ich auch gern ein alkoholfreies Bier oder eine Saftschorle. Gut ist es aber in jedem Fall, wenn man das Getränk sonst nicht auch schon den ganzen Tag über trinkt, so dass es wirklich zum Zeichen für den Feierabend wird.

Hinlegen
Sich einfach mal hinzulegen und in den Bauch zu atmen kann super entspannen. Die Muskeln werden nicht gebraucht und dürfen auch mal abschalten. In den Bauch zu atmen reduziert nachweislich die Stresshormone im Blut.

Hände waschen und eincremen
Das ist ein ganz wichtiges Ritual für mich: Hände waschen. Es erfrischt und ich wasche mir buchstäblich mit dem ganzen Schmutz auch all den Stress und die Anspannung mit ab. Ich fühle mich erfrischt und sauber, und kann in den neuen Tagesabschnitt, den Abend, starten. Wenn ich mir dann noch meine Hände mit einer duftenden Handcreme eincreme, bin ich für mein ganz persönliches Entspannungsprogramm gewappnet ;)

Haare kämmen
Auch das Haarekämmen hat mir in der Vergangenheit immer wieder dabei geholfen, kurz innezuhalten und mich auf den Moment zu konzentrieren. Während ich mir meine Haare kämme, kann ich mich im Spiegel anschauen und den Tag Revue passieren lassen. Ich nehme bewusst Abschied von allem, was tagsüber passiert ist. Dabei tut es mir besonders gut, wenn ich mit der Bürste ein weniger fester drücke, so dass ich gleichzeitig meine Kopfhaut massiere. Das gibt mir das Gefühl, dass ich mich um mich und mein Wohlbefinden sorge und hilft mir so beim Entspannen.

Samstag, 14. Februar 2015

4 Anzeichen dass du schon auf dem Weg der Heilung bist - ohne es zu wissen

Du ernährst dich weitestgehend ohne Zucker
Zucker und Bulimie sind zwei Dinge, die sehr gut zusammenpassen. Wenn du viel Zucker isst, wird es dir sehr leicht fallen, dem FA-Druck nachzugeben, denn Zucker verleitet dich dazu, immer mehr essen zu wollen - auch wenn du eigentlich schon genug gegessen hast. Zucker unterdrückt also dein Sättigungsgefühl. An dieser Stelle brauche ich ja auch nicht zu erwähnen, dass es mit dem natürlichen Sättigungsgefühl bei Bulimie eh nicht so weit her ist. Halte dich also so gut es geht vom Zucker fern, und du bist schon einen großen Schritt weiter. Auch hier gilt: eine dogmenfreie Ernährung ist immer langfristig anzustreben, aber für den Weg der Heilung ist es meiner Meinung nach unerlässlich, Zucker zu meiden! Es ist besser, nicht gleich von Anfang an so zu essen wie alle anderen, sondern das zu essen, was dich weiterbringt und was dich vor dem nächsten FA bewahrt. Daher ist es ein super Zeichen, wenn du es schaffst, sehr wenig Zucker zu essen.

Du hast nur noch ab und zu Essanfälle
Die Anzahl der Essanfälle ist tatsächlich ein sehr guter Indikator dafür, wie schlimm es aktuell um deine Bulimie bestellt ist. In einigen Ausnahmefällen heißt es aber auch nur, dass du durch äußere Umstände gar keine Zeit für FAs hast- beispielsweise ein neuer Freund könnte ein Grund hierfür sein. Wenn das der Grund für die wenigen FAs ist, kann man das jedoch nicht als positives Zeichen werten. Wenn du aber nur noch ab und zu Essanfälle brauchst, um die emotionalen Spitzen deines Alltags auszugleichen, ist das ein positives Zeichen dafür, dass du schon einiges deines Bulimie-Hintergrunds aufgearbeitet hast.

Du kannst deine Emotionen beim Namen nennen
Wenn du es schaffst, dich nicht nur mehr "gut" oder "schlecht" zu fühlen, sondern deinen Gefühlen einen Namen zu geben, kannst du dir auf deine eigenen Schultern klopfen. Denn viele Bulimiker haben den Kontakt zu ihren Gefühlen verloren und können nicht genau sagen, was sie fühlen. Ob es nun ein Gefühl von Freude, Stolz, Scham oder Hass ist- viele kennen den Unterschied nicht. Dabei sagt jedes Gefühl etwas ganz besonderes über dein Leben aus, und gibt dir einen wichtigen Hinweis darauf was zu tun ist. Sagen zu können, welches Gefühl gerade Wohlbefinden oder Unbehagen auslöst, ist eine der Schlüsselfähigkeiten, die du auf deinem Weg aus der Bulimie brauchst.

Es gelingt dir „nein“ zu Dingen zu sagen, die dir nicht gut tun
Auch wenn es simpel klingt: Zu erkennen, was dir nicht gut tut, ist oft das Ergebnis nach einem langen Weg mit vielen Umwegen und Sackgassen. Die Dinge, die dir nicht gut tun, erscheinen äußerlich oft in einem recht vernünftigen Gewand. Es sind manchmal diese Dinge, die alle anderen auch tun, und die darum als besonders vernünftig gelten. Noch ein Praktikum machen? Ja klar, macht sich ja gut in meinem Lebenslauf. Da redet man sich das mulmige Gefühl schön, das man beim Vorstellungsgespräch hatte- ist sicherlich nur die eigene Angst, sich nicht verändern zu wollen. Um wirklich auf sein Bauchgefühl hören zu können, muss man es trainieren und immer wieder tun. Und wenn der neue Verehrer doch so einen respektablen Job hat, so gut aussieht und so unverschämt zuvorkommend ist- dann ist oft das eigene Bauchgefühl ins Hintertreffen geraten und wird mit rationalen Argumenten kleingeredet. Aber „nein“ zu sagen hat genau damit zu tun. „Nein“ zu Treffen mit Leuten zu sagen, die man eigentlich nicht mag; „Nein“ zu einem Vorschlag der Freundin zu einem Kinoabend zu sagen, wenn man schon ganz schlapp ist und lieber früh ins Bett geht.

Samstag, 7. Februar 2015

Kontakt zu anderen herstellen - eine Methode für Anfänger

Ich kann mich sehr gut an frühere Zeiten erinnern, in denen ich mich sehr einsam gefühlt habe. Die Hürde zwischen mir und "den anderen" erschien mir einfach viel zu groß, als dass ich mich dazu befähigt gefühlt hätte, sie zu überwinden. Um mir die Frustration einer Ablehnung zu ersparen, bin ich das Risiko der Kontaktaufnahme erst gar nicht eingegangen. Das ist im Nachhinein sehr schade, denn ich habe mir dadurch unterstützende, interessante und liebenswerte Kontakte gar nicht erst aufbauen können. Aber gibt es einen "einfachen" Weg, in Kontakt mit anderen Menschen zu treten?

Was ist Kontakt und wann kommen Menschen in Kontakt zueinander?
"Kontakt" ist eigentlich nur eine abstrakte Beschreibung des Umstands, dass man mit seiner Existenz auf die Existenz anderer Menschen trifft. Ich lebe also in meiner eigenen Welt, und die anderen Menschen leben ebenso in ihrer eigenen Welt. Um in Kontakt zu treten, müssen sich diese beiden Welten irgendwo überschneiden. Die Allround-Wissenschaftlerin und Motivationstrainerin Vera F. Birkenbihl hat das in Form von Inseln beschrieben. Jeder Mensch lebt auf seiner eigenen Insel, und je größer der Horizont und das Denken eines Menschen ist, desto größer ist seine Insel. Die Insel beschreibt die Persönlichkeit eines Menschen, seine Vergangenheit, seine Interessen, seine Vor- und Einstellungen und diese kann der Mensch nicht verlassen. Er kann sie umgestalten, aber nicht verlassen. Um in Kontakt zu einem anderen Menschen zu treten, muss ich also Kontakt zu seiner Insel aufnehmen.

Wie kann ich also Kontakt herstellen?
Gemäß dem Inselmodell nach V.F. Birkenbihl geht es nur darum, Überschneidungen dieser Inseln zu finden. Also gemeinsame Interessen, Ansichten und Meinungen. Ein gängiger Weg, die Chance der Überschneidung möglichst groß zu gestalten, ist Smalltalk. Auch wenn einige von euch jetzt die Nase rümpfen mögen- Smalltalk ist oberflächlich und genau darin liegt auch der Sinn. Denn je oberflächlicher, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich mit den angesprochenen Themen die Insel, also die Lebenswirklichkeit der Menschen berühre, denn mit dem Wetter, den gegebenen Umständen, der Räumlichkeit etc. haben alle Menschen zu tun.

Hier findet ihr nochmal eine ganz verständliche Version des Modells von Birkenbihl selbst:


Samstag, 31. Januar 2015

Ego-Depletion, oder: Warum Disziplin wichtig, aber trotzdem keine Lösung ist

Es ist ein äußerst schwieriges Thema: Bulimie und die Frage, ob und wie Disziplin etwas mit der Heilung zu tun hat. Ich habe dazu einige Erfahrungen gemacht, die ich gern mit euch teilen möchte.

Von welchen Grundvoraussetzungen sprechen wir bei der Bulimie? Der durchschnittliche Leser dieses Blogs hat mehrmals die Woche FAs und ist seit 5-10 Jahren betroffen. Man kann also nicht sagen, er wäre erst in die Krankheit gerutscht und findet ganz von alleine wieder zurück. Nach dieser Zeit heißt das auch, dass sein Gehirn in der Zwischenzeit gelernt hat, irgendetwas an der Bulimie so gut zu finden, dass er immer wieder FAs "produziert", um seinem Gehirn die gewünschte Dopaminladung zu liefern. Die FAs sind also zumindest zu einem gewissen Teil automatisiert. Zu behaupten, ein Bulimiker wäre seinen Anfällen machtlos ausgeliefert wäre dennoch falsch. Bulimiker sind nach wie vor zu voller kognitiver Leistung fähig und mit ein paar Tricks kann man seine Impulskontrolle auch durchaus beeinflussen- und das auch langfristig.

Aber zurück zur eigentlichen Frage: welche Rolle spielt Disziplin? Disziplin ist zunächst nötig, um sich selbst an dem FA zu hindern. Der Knackpunkt ist also, den Impuls, einem FA nachzugeben, zu kontrollieren. Das erfordert Willenskraft. Die Willenskraft ist aber nachweislich begrenzt, das besagt die "Ego-Depletion"-Theorie. Willenskraft steht jeden Tag nur in begrenztem Maß zur Verfügung. Stellt euch die menschliche Willenskraft wie ein gefülltes Wasserglas vor. Jedes Mal, wenn man also einen FA abwehren muss, wird das Wasser im Glas ein bisschen weiter aufgebraucht. Wenn man sich also den ganzen Tag gegen FAs wehrt, kann es sein, dass das Wasser am Nachmittag aufgebraucht ist und man gar keine Kraft mehr hat, sich zu wehren und dem FA sozusagen erliegt. Man macht es sich also einfacher, wenn man sich nicht dieser ständigen Abwehr aussetzt, sondern Strategien entwickelt, die die Gefahr schon im Vorfeld verhindern. Das können ganz einfache Dinge sein, wie zum Beispiel, keine verlockenden Lebensmittel zu lagern, oder nicht den ganzen Tag zuhause zu sitzen und sich ständig zu überlegen, ob man jetzt etwas isst oder nicht.

Man muss so lange Hilfsstrategien anwenden, bis das Gehirn langsam, aber sicher ein anderes Verhaltensmuster, d.h. eine Alternative zum FA erlernt hat. Und selbst in dieser schwierigen Zeit kann man sich selbst ein wenig von dieser Disziplin abnehmen, und zwar durch Escorten-Mahlzeiten.

Stellt man sich also vor, dass man die Entscheidung trifft, ab sofort 3 normale Mahlzeiten am Tag zu essen und weder FAs zu haben noch zu erbrechen, dann müsste man sich jeden Tag mindestens diese 3 Mal selbst kontrollieren, um nicht wieder in ein bulimisches Essverhalten zurückzufallen. Die eigene Willenskraft würde sich dann im Lauf des Tages immer weiter aufbrauchen. Würde man versuchen, das über mehrere Tage oder Wochen durchzuhalten, dann gäbe es ein sehr hohes Risiko, wieder rückfällig zu werden, weil man jeden Tag einem enorm hohen Druck ausgesetzt ist.

Ok- aber was soll man denn sonst tun, wirst du dich vielleicht fragen. Irgendwie muss ich mir doch ein normales Essverhalten aneignen. Wie komme ich da hin? Es ist doch anzustreben, diese 3 Mahlzeiten zu schaffen?

Eine Möglichkeit, die Willenskraft zu schonen, sind Gewohnheiten im Hinblick auf die Mahlzeiten. Gewohnheiten benötigen am Anfang natürlich Disziplin. Aber nach einer gewissen Zeit schaltet das Gehirn auf "Automatik-Modus" um und spult die entsprechenden Verhaltensweisen fast automatisch ab (dummerweise ist genau das eben auch bei den FAs der Fall, so dass man oft das Gefühl hat, ausgeliefert zu sein).

Um sich verlässliche und hilfreiche Gewohnheiten im Hinblick auf die Mahlzeitenstruktur anzueignen, stellt man also einige Überlegungen dazu an, wie das Essverhalten in Zukunft konkret aussehen soll. Das betrifft zum einen die Uhrzeit, die Anzahl, aber auch die Zusammensetzung der Mahlzeiten. Am besten machst du dir hierzu einen ehrlichen Plan, der folgende Fragen beantwortet:

- Wie oft esse ich?
- Wo esse ich?
- Gibt es ein bestimmtes Besteck oder Geschirr, das ich gerne benutze?
- Wann esse ich?
- Was esse ich?

Wenn du eine Antwort auf diese Fragen gefunden hast, dann mach einen 1-Woche-Test. Das heißt, du hältst dich eine Woche lang an diesen Plan, und anschließend schaust du, ob es dir gut getan hat, oder was du daran gern verbessern würdest.

Klar, mit einem "normalen Essverhalten" hat so ein Essen nach Plan absolut nichts zu tun. Man sollte es sich aber auch vielmehr als Transformationshilfe vorstellen, wie eine Art Stützräder, um dann irgendwann durch die Hilfe dieses künstlichen Mittels wieder selbst fahren zu können.

Samstag, 17. Januar 2015

Den FA verhindern- eine Methode, die dir sofort hilft!

Was bewirkt die Methode?
Die Methode basiert auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen, denen zufolge bei jeder Art von Sucht permanent gegen die "Verführung" - also das Suchtmittel - angekämpft wird. Im Fall der Bulimie ist das offensichtlich der FA bzw. das übermäßige Essen. Dieses permanente Ankämpfen verursacht Stress. Und um diesen Stress zu reduzieren, wird zum Suchtmittel gegriffen. Dies erhält den Teufelskreis der Bulimie aufrecht. Die Methode "zerschneidet" die Verbindung zwischen Stress und dem FA nachzugeben und stellt also ein Werkzeug dar, das du nutzen kannst, um mit negativen Emotionen umzugehen.

Vorsicht- wenn du dich wirklich verändern willst, musst du an dir arbeiten.
Die Methode, die ich dir gleich vorstellen werde, hat vielleicht nur bedingt etwas damit zu tun, wie du bisher mit drohenden FAs umgegangen bist. Wenn du willst, dass die Methode bei dir funktioniert, musst du dir eine neue Art des Denkens aneignen. Du bist mit dir selbst konfrontiert- das solltest du wissen und bereit sein, dich darauf einzulassen. Dann kann dir die Methode auch bei einem langfristigen Ausstieg helfen- das garantiere ich dir. Ich selbst habe damit meine größten Erfolge erreicht.

Der Hintergrund der Methode
Es handelt sich um die Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (Mindfulness- Based Relapse Prevention / MBRP), das vom Molekularbiologen Jon Kabat-Zinn in den 70er Jahren entwickelt wurde. Achtsamkeit ist auch in der östlichen Philosophie ein wesentliches Element und hat in den vergangenen Jahren auch in der westlichen Ratgeberliteratur Beachtung gefunden. Auf Planet Wissen findet ihr ein ganz gutes Einführungsvideo zu diesem Thema.

Wirkt die Methode tatsächlich? Das Experiment.
Die Wirksamkeit der Methode wurde 2009 sehr anschaulich in zwei Experimenten mit einer Gruppe von Rauchern [1] und Personen, die Probleme mit Disziplin beim Thema Essen hatten [2], demonstriert.

Die Raucher-Testpersonen wurden gebeten, zum Experiment eine volle Packung ihrer Lieblingszigaretten und ein Feuerzeug mitzubringen. Beides legten sie auf den Tisch vor sich. Anschließend wurden sie dazu aufgefordert, die Packung zu öffnen. Dann mussten sie 2 Minuten warten. Daraufhin sollten sie eine Zigarette aus der Packung nehmen, und wieder 2 Minuten warten. Dann sollten sie an der Zigarette riechen und wieder warten. Anschließend sollten sie die Zigarette in den Mund nehmen und 2 Minuten warten. Das ganze Prozedere zog sich über eine ganze Stunde hin. Während der Pausen schrieben sie jeweils auf, wie stark das Verlangen war, wie sie sich körperlich fühlten und wie ihre Stimmungslage war. Nach einer Stunde durften sie schließlich rauchen.

Die Probanden der Essensgruppe bekamen eine Packung Pralinen, die jeweils einzeln verpackt und markiert waren, so dass keine Praline unerkannt entnommen werden konnte, ohne dass es im Nachhinein aufgefallen wäre. Sie mussten diese Packung 48 Stunden mit sich herumtragen und durften keine einzige Praline essen. Auch hier wurde der einen Hälfte die Methode beigebracht, der anderen nicht.

Doch es gab einen großen Unterschied zwischen den Probanden, denn einer Hälfte wurde vorher eine Methode beigebracht, die sich "Surfing the Urge" nennt. Dabei lernt man, das körperliche Unwohlsein auszuhalten, das sich einstellt, wenn man nach etwas verlangt (z.B. dem Suchtstoff Nikotin). Dabei lernt man, auf sich zu vertrauen und zu glauben, dass man das Unwohlsein aushalten kann, und dass es vorübergeht. Jedes ungute Gefühl und jeder FA-Druck kann also vorübergehen- wie eine Welle (daher "surfing" the urge). Die andere Gruppe blieb auf sich allein gestellt oder wurde abgelenkt.

Die Ergebnisse des Experiments
Die Raucher, die die "Surfing the Urge"-Methode erlernt hatten, rauchten in der darauffolgenden Woche (ohne dass sie es mussten oder dazu aufgefordert worden waren) 40% weniger als die Gruppe der Raucher, die die Methode nicht beigebracht bekommen hatten. Die Kontrollgruppe veränderte ihr Rauchverhalten gar nicht. Die Probanden der Essensgruppe schafften es, während der 48 Stunden keine einzige Praline zu essen und sich währenddessen entspannter zu fühlen, während die Kontrollgruppe eher nachgab und sich dabei gestresster fühlte.

Wie "Surfing the Urge" funktioniert - Schritt für Schritt
Im Wesentlichen gibt es 4 Schritte:
  1. Wie reagiert dein Körper, wenn du einen FA willst? Welche körperlichen Symptome zeigen sich? Fühle in deinen Bauch, deine Hände, deine Füße, deinen Kopf. Welche Bereiche sind angespannt, wo zeigt sich eine besondere Veränderung?
  2. Sag dir: "Ich kann diese körperlichen Symptome aushalten. Sie werden von alleine verschwinden."
  3. Stell dir vor, dass das Verlangen nach dem FA wie eine Welle ist, die an dir vorüber fließt. Sie kommt und geht.
  4. Atme ein und aus. Warte. Atme wieder ein und aus. Warte, bis die körperlichen Erscheinungen verschwunden sind. 
Auch wenn dir diese Methode im ersten Moment fremd erscheint, probier es einmal aus. Du wirst sehen, dass du auch schon beim ersten Mal einen Unterschied feststellen wirst. Je öfter du die Methode anwendest und auf deinen Körper achtest und so Achtsamkeit übst, desto leichter wird es dir auch langfristig fallen, auf die FAs zu verzichten. Nur Mut- du kannst nichts falsch machen!

Links: 

Ein Video zum Experiment von Kelly McGonigal findet ihr auch hier ab ca. Minute 45:00.

[1] Bowen & Marlatt (2009). Surfing the Urge: Brief Mindfulness-Based Intervention for College Student Smokers. In: Psychology of Addictive Behaviours. 

[2] Forman et al. (2007). A Comparison of Acceptance- and Control-Based Strategies for Coping with Food Cravings. In: Behaviour Research and Therapy.

Samstag, 22. November 2014

Zwischenmahlzeiten- ja oder nein?

Allerorts hört man die Empfehlung, eine gesunde und vor allem normale Ernährung müsste in etwa aus 3 Hauptmahlzeiten und 2 Zwischenmahlzeiten bestehen. Aber sind Zwischenmahlzeiten wirklich vorteilhaft, wenn man von den FAs loskommen will?

Wenn die Zwischenmahlzeit einmal mehr zum FA verleitet
Unsere westliche Gesellschaft hat sich auf 3 Mahlzeiten geeinigt und viele Abläufe richten sich genau danach aus: Bevor man morgens aus dem Haus geht, stärkt man sich mit einem nahrhaften Frühstück; das Mittagessen stellt die erholsame Pause von der Arbeit dar, das abendliche Essen bringt die Familie an einen Tisch oder man trifft sich mit abends der neuen Bekanntschaft zu einem romantischen Dinner. Wir gehen davon aus, dass 3 Mahlzeiten zu einem normalen Tag dazugehören. Soweit, so gut. Aber wie sieht das mit den Zwischenmahlzeiten aus? Müssen sie sein und gehören sie auch zu einem normalen Tag dazu- Stichwort "Morgens halb 10 in Deutschland..."? Ich kann euch an dieser Stelle aus meiner eigenen Erfahrung heraus sagen, dass jede Mahlzeit das Risiko für einen FA erhöht. Je mehr Mahlzeiten ihr also in euren Tag einplant, desto eher könnt ihr irgendwann nicht nein sagen und die Mahlzeit endet im FA.

Feste Mahlzeiten und längere Phasen ohne Gedanken ans Essen
Wenn 3 feste Mahlzeiten den Tag durchstrukturieren, kann man sich viel einfacher auf andere Dinge konzentrieren. Man kann auch mal ein paar Stunden arbeiten, lesen oder alles sonst machen, was sonst durch ständige Gedanken ans Essen erschwert wird. Auch im normalen Alltag kommt es oft vor, dass nicht alle 1-2 Stunden Zeit für eine Pause ist.

Die Zwischenmahlzeit reduziert das Hungersignal
Ein weiterer Grund, weshalb ich von Zwischenmahlzeiten abrate, ist die Wirkung auf das Hunger- und Sättigungsgefühl. Bei Bulimie ist das normale Hunger- und Sättigungsgefühl größtenteils abhanden gekommen - kann aber wieder antrainiert werden. Dazu ist es erforderlich, seinen Magen nicht alle 2 Stunden mit Nahrung zu belasten, sondern ihm Zeit zu geben, weil der Magen dem Gehirn erst "Hunger" signalisieren kann, wenn dieser leer ist. Und das ist, abhängig von der Beschaffenheit der Nahrung, ungefähr nach 4 Stunden der Fall. 

Verlangsamte Verdauung
Viele Bulimiker, besonders langjährig Betroffene, haben eine verlangsamte Verdauung. Dazu gehört auch, dass die Nahrung länger im Magen verweilt als bei Gesunden. Es ist daher nur logisch, dass der Magen länger braucht, um ein Hungersignal ans Gehirn zu senden. Und zu essen, ohne wirklich hungrig zu sein, ist nicht Sinn der Sache. Sinn der Sache ist es, die Signale des Körpers wieder wahrzunehmen und sich entsprechend zu verhalten - zu essen, wenn man Hunger hat und aufzuhören, wenn der Körper sagt "ich habe genug".

Zwischen-Getränke statt Zwischenmahlzeiten
Ich habe die schöne Erfahrung gemacht, dass auch eine Pause mit einem (warmen) Getränk eine willkommene Abwechslung im Alltag darstellt. Es muss nicht immer etwas zu essen sein. 

Aber was meint ihr- sind Zwischenmahlzeiten hilfreich, wenn man von den FAs loskommen will? 

Samstag, 15. November 2014

5 Tipps für den Umgang mit dem emotionalen Chaos bei FA-Abstinenz

1. Gedanken in Worte fassen
Versuche deine Situation und was in dir vor geht in Worte zu fassen. Schreib dir selbst eine Notiz oder eine Email. Egal, in welcher Form du deine Gedanken niederschreibst- die Hauptsache ist, dass du es machst. Du musst dir dazu auch keine ultraschwierige neue Angewohnheit zulegen- mach es einfach in Situationen, in denen du das Gefühl hast dass es dir etwas bringen würde.

2. Der Blick von "oben"
Ich weiß gar nicht, wie ich auf diese Methode gekommen bin. Ich weiß nur, dass es mir unglaublich geholfen hat, mir die Situation als Außenstehender im Geist bildlich vorzustellen. Ich kann dann wirklich sehen, wie ich mich im Supermarkt stehend beobachte und mir dann selbst wie einem guten Freund auch besser sagen kann, was mir gut tun würde. Diese Methode hilft auch gut dabei, Konflikte zu relativieren und sich sagen zu können "alles halb so schlimm, ich bekomme das schon hin".

3. Sich unterhalten oder ausheulen
Ja, eine gute Unterhaltung mit einer nahestehenden Person kann manchmal schon den größten Druck und auch den schlimmsten Schmerz ertragbar machen. Alleine zu wissen, dass da jemand ist, der zuhört und der sich im besten Fall auch mit hutgemeinten Ratschlägen zurückhalten kann, hilft ungemein dabei, seine eigenen Gedanken und Gefühle wieder zu ordnen. Dabei ist es nicht wesentlich, in welcher Beziehung diese Person zu euch steht: Hauptsache, ihr könnt ihr (oder ihm) vertrauen.

4. Es gibt keine schlechten Gefühle
Die meisten Menschen würden sagen, dass man Gefühle in die Kategorien "gut" und "schlecht" einordnen kann. Meiner Meinung nach ist dir damit aber überhaupt nicht geholfen. Denn wenn du davon ausgehst, dass es tatsächlich schlechte Gefühle gibt, dann wirst du alles tun, um diese zu vermeiden. Dabei haben alle Gefühle ihre Berechtigung und auch alle Gefühle werden dir auf dem Weg der Heilung helfen, wenn du sie zulässt. Es gibt keine schlechten und auch keine guten Gefühle. Es sind einfach Gefühle, die man unterschiedlichen Zwecken zuordnen kann. Ein Gefühl wie Hass oder Angst zeigt dir immer, in welchem Bereich es bei dir aktuell "brennt", und wo der dringendste Handlungsbedarf besteht. Wenn du allerdings solch ein Gefühl als "schlecht" abstempelst, verurteilst und wegschiebst, dann wirst du dein Problem nie angehen, sondern immer nur damit beschäftigt sein es zu verdrängen.

5. Bewegung 
Zwar löst Bewegung direkt keine Probleme, aber viele Probleme entstehen auch erst durch einen zu hohen Level an Stresshormonen (Cortisol) im Blut. Entspannende Sportarten oder Spazierengehen in der Natur bauen die Hormone ab, und darum ist Bewegung bei Bulimie auch so ein tolles Mittel: denn Betroffene haben im Schnitt einen zu hohen Cortisolspiegel. Wenn also kein FA bei zu hoher Anspannung "eingesetzt" wird, bleibt der Spiegel hoch und man hat Probleme damit, sich zu entspannen und runterzukommen.

Und zum Abschluss noch ein kleiner Anhang, bitte entschuldigt dass ich ihn nicht nochmal zusammenfasse (via http://yourborderlinepersonality.tumblr.com/post/66310321076):

Samstag, 8. November 2014

Wie gestalte ich mein Wochenende, ohne einen FA zu riskieren?

Das Wochenende stellt für viele Bulimiker eine besondere Herausforderung dar. Eigentlich sollte das Wochenende der Erholung dienen; man hat im Normalfall genug Zeit, um sich mal um sich selbst zu kümmern, um Spaß zu haben oder einfach die Seele baumeln zu lassen.
Für viele Bulimiker ist es jedoch genau das nicht: die endlos erscheinenden Stunden, das Alleinsein, der unstrukturierte Tagesablauf sind dann keine Erholung, sondern Überforderung. Der Tag, der vor einem liegt, wartet nicht darauf, erkundet und ausgefüllt, sondern vielmehr überstanden zu werden. Früher oder später findet die Ausgestaltung der "leeren" Zeit dann - noch mehr als sonst - mit dem gewohnten Verhalten statt: einem Essanfall.

Wie lassen sich Essanfälle am Wochenende vermeiden? 

Die eigenen Bedürfnisse wahrnehmen
Der erste Schritt liegt darin, in sich hineinzuhören: Was brauche ich? Möchte ich mich am Wochenende vielleicht körperlich verausgaben, will ich mich zurückziehen, oder will ich mit anderen Menschen umgeben? Ist es von allem ein bisschen?

Ankerpunkte setzen
Selbst wenn ich mich entscheide, vielleicht den ganzen Sonntag lang für mich sein zu wollen, so kann ich mir dennoch eine gewisse Orientierung verschaffen, indem ich mich beispielsweise darauf festlege, am Abend einen Film zu schauen, oder am Nachmittag einen Spaziergang zu machen. So kann ich meine Zeit besser einteilen - und Vorfreude ist die schönste Freude.

Sich um sich selbst kümmern
Das kann der Tee sein, den ich mir mache, ein Schaumbad, ein schönes Buch oder die kuschlige weiche Hose, die ich nur zuhause trage. Schon mit Kleinigkeiten kannst du dir selbst signalisieren, dass es ok ist, mal nichts zu machen und einfach zu entspannen. So kann man besser abschalten und der Druck, der vielleicht an Wochentagen auf einem lastet, kann leichter abfallen.

Keine FA-auslösenden Lebensmittel im Haus haben
Es ist schön und gut, sich den gefährlichen Dingen im Leben auszusetzen, sich daran zu testen und zu wachsen. Aber im Fall der Bulimie ist es zunächst wichtig, den bulimischen Stoffwechsel wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Die von einigen "Safe Foods" genannten Lebensmittel, als solche, die nicht zum FA verleiten, sind genau dazu geeignet. Zucker-, Kohlenhydrat- und manchmal auch fettarme Lebensmittel lassen den Blutzuckerspiegel nur langsam ansteigen und sind im Fall von Obst und Gemüse auch noch sehr gesund. Es ist ratsam, sich mit diesen Lebensmitteln zur Genüge einzudecken, um keinem hungerbedingten FA zum Opfer zu fallen. Lasst euch nichts einreden, Mädels. Die Idee von "Clean Eating" geht übrigens auch in die Richtung.

Samstag, 1. November 2014

Was Selbstwirksamkeit ist und wie du sie stärken kannst

Wenn man die Bulimie angehen möchte und erfolgreich im Sinne eines vollständigen Loslassens der Symptomatik sein will, muss man selbst daran glauben, das auch schaffen zu können. Den Glauben an die eigenen Fähigkeiten und den eigenen Erfolg nennt man Selbstwirksamkeitserwartung. Sie ist die Grundlage für Motivation. Weil sie auf dem Weg der Heilung so ein wichtiger Faktor ist, will ich euch heute ein bisschen mehr dazu erzählen und euch zeigen, wie ihr sie stärken könnt.

Selbstwirksamkeit wird in der Psychologie als wichtige Ressource betrachtet. Wenn man vor der Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Handlung oder ein Verhalten steht, wägt man die Anforderungen und die Einschätzung der eigenen Fähigkeiten gegeneinander ab. Außerdem beeinflusst die Selbstwirksamkeiterwartung den Schwierigkeitsgrad der ausgewählten Handlungen, die investierte Anstrengung der Zielerreichung, die Ausdauer und auch den Grad des Handlungserfolgs.

Wichtig ist auch zu wissen, dass die Psychotherapie insgesamt 4 Quellen ausmacht, die die Selbstwirksamkeitserwartung beeinflussen:

1) Die direkte Erfahrung: Man erfährt, dass das eigene Handeln wirkungsvoll und erfolgreich ist, und dass man eine schwierige Aufgabe meistern kann

2) Die stellvertretende Erfahrung: Man beobachtet andere beim Handeln und zieht Rückschlüsse auf die eigene Kompetenz, nach dem Motto: "Was der kann, kann ich auch"

3) Die sprachliche Überzeugung: Wenn man über einen positiven "Selftalk" verfügt, hat dieser positiven Einfluss und stärkt den Glauben an die eigenen Fähigkeiten

4) Physiologische Reaktionen: Ein merklich schneller Puls kann körperliches Feedback über den emotionalen Stand geben und so die Selbstwirksamkeitserwartung sowohl positiv als auch negativ beeinflussen

Wie kann die Selbstwirksamkeitserwartung also aktiv gestärkt werden? Was könnt ihr also tun, um den Glauben an die eigenen Fähigkeiten zu festigen?

Am wirksamsten wird die Erwartung an die eigene Selbstwirksamkeit über direkte Bewältigungserfahrungen gestärkt. Das kann das Erreichen eines unerreichbar erscheinden Ziels sein, aber eben auch das Meistern vieler kleiner alltäglicher Herausforderungen. Wichtig ist auch zu wissen, dass sich der Erfolg in kleinen Schritten einstellt. Es ist wie in so vielen anderen Bereichen: Man beginnt mit dem ersten Schritt und kaum versieht man sich, hat man schon eine lange Reise getan. Also geht es langsam an: setzt euch kleine Ziele, und macht es euch auch vor allem bewusst, wenn ihr ein Ziel erreicht habt und erfolgreich wart.

Zum Nachlesen (PDF): web.ev-akademie-tutzing.de/cms/get_it.php?ID=1229

Samstag, 25. Oktober 2014

Was du tun kannst, wenn du Aggressionen gegen dich selbst richtest

--- Vorbemerkung: Der folgende Artikel richtet sich nicht an SVV-Betroffene! ---

Auch wenn man gern übergreifende Erklärungsmodelle hätte, die alle möglichen Einflussfaktoren für ein Phänomen berücksichtigen - wie es bei dem von mir gesuchten Erklärungsmodell für die Bulimie der Fall ist - so muss ich doch immer wieder feststellen, wie wertvoll es ist, den Fokus auf ein kleines Teilgebiet zu lenken, um die Komplexität zu reduzieren und den einzelnen Sachverhalt greifbar zu machen.

So kam mir heute der Gedanke, dass viele Bulimiker die - untertrieben formuliert- schlechte Angewohnheit haben, Aggressionen anstatt nach außen gegen sich selbst zu richten. Das ist natürlich in zweierlei Hinsicht von Nachteil: einerseits bestraft man sich selbst und beeinflusst seinen Gemütszustand zumindest kurzfristig negativ, und andererseits bekommt derjenige, der eigentlich die Reaktion verdient hätte, nichts davon mit, dass er dich verärgert, gekränkt oder sich in einer Weise verhalten hat, die dich negativ beeinflusst. Natürlich kann man den eigenen Gefühlszustand nicht auf einen einzigen Auslöser zurückführen, und eben schon gar nicht spezifisch immer auf eine andere Person. Es gibt genügend Situationen, in denen einfach viele Faktoren zusammentreffen, und niemand Schuld daran trägt. Natürlich ist es auch dann nicht zielführend, die Aggression an sich selbst auszulassen.

Die gute Nachricht ist: Man kann es lernen, niederdrückende Gefühle nach außen zu leiten, anstatt sie gegen sich selbst zu richten (ich weiß, ihr habt das schon verstanden: das sind bei Bulimikern die FAs :D) Die Lösung des Dilemmas ist meiner Erfahrung nach ziemlich simpel. Sie liegt, wie bei so vielen anderen Dingen auch, zunächst im Erkennen, dem Registrieren der Situation. Oftmals ist es schon schwierig genug, den eigenen Gefühlszustand in Worte zu beschreiben, aber auch hier macht Übung den Meister. Ist es Wut, Eifersucht, Neid, gekränkter Stolz, Anspannung, Scham, Unsicherheit oder etwas anderes? Im nächsten Schritt kann man der Sache wirklich konkret auf den Grund gehen: Wie kam es dazu? Wer ist Schuld? Gibt es überhaupt jemanden, der Schuld hat? Bin ich selbst Schuld? Wenn ja, was kann ich daraus lernen?  Und wie mache ich es dann nächstes Mal anders? Und man darf in diesen Situationen auch sehr wohl fluchen, schimpfen und seinem Ärger Platz verschaffen.

Sobald sich dieses Denkmuster erst einmal eingeprägt hat und an die Stelle des impulsiven FA-Handelns tritt, ist ein riesen Schritt getan. Dann muss der FA keine Alibi-Funktion mehr erfüllen.

Samstag, 18. Oktober 2014

Warum die Zeit zwischen 20 und 30 genau die richtige ist, um die Bulimie hinter sich zu lassen

Die amerikanische Psychologin Meg Jay beschreibt in ihrem Buch "The Defining Decade" - und auch in ihrem TED-Talk -, wie sich 20-30-Jährige den eigenen Lebensabschnitt trivialisieren und nicht ernst genug nehmen. Dabei sei genau diese Phase höchst transformativ und weichenstellend für das restliche Erwachsenenleben. Denn nur weil die scheinbar wichtigen Dinge wie Heiraten und Familiengründung heute meist erst jenseits der 30 geschehen, heißt das nicht, dass man die Zeit vorher verbummeln sollte.
"We know that 80 percent of life´s most defining moments take place by age 35. [...] We know that the brain caps off its second and last growth spurt in your 20s as it rewires itself for adulthood, which means that whatever you want to change about yourself, now is the time to change it. We know that personality changes more during your 20s than at any other time in life [...]"
Wer noch glaubt, er hätte noch alle Zeit der Welt- hm, nope. Ich selbst habe mich eigentlich erst mit Mitte 20 fest dazu entschlossen, mein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Ich wusste, dass ein harter Weg vor mir liegt, aber ich hatte Lust auf ein selbstbestimmtes Leben. Darum habe ich es gemacht, auch wenn es nicht immer einfach war- "nicht immer" ist an dieser Stelle auch schon wieder leicht untertrieben. Es ist nie zu spät, und man lernt immer dazu, natürlich auch später noch. Dennoch  - die Zeit zwischen 20 und 30 ist ausgezeichnet geeignet für dramatische Veränderungen im Leben wie das Loslassen der Bulimie. Im Gegensatz zu Jugendlichen unter 20 hat man ein paar Jahre später auch schon eine gewisse Weitsicht und kann Dinge wie die eigene Persönlichkeit besser einschätzen und daher Entscheidungen langfristig besser treffen.

Hier noch der TED-Talk zu genau diesem Thema und der Fragestellung, warum man die Dekade zwischen 20 und 30 ernstnehmen sollte anstatt sie als verlängerte Spielphase und Bummelzeit zu betrachten:




Samstag, 11. Oktober 2014

Lebenstüchtigkeit und was Bulimie damit zu tun hat

Neulich bin ich in einem Managementbuch über den Begriff Lebenstüchtigkeit gestolpert. Weil ich in der Vergangenheit selbst schonmal darüber nachgedacht habe, ob man für die Heilung der Bulimie so etwas wie lebenstüchtig werden muss, habe ich mich darüber irgendwie gefreut. Denn unter Lebenstüchtigkeit verstehe ich die Fähigkeit eines Menschen, sich selbst so zu organisieren und dementsprechend zu verhalten, dass er sein Leben entsprechend seinen Vorstellungen meistern kann.

Im Englischen wird dieser Begriff oft mit Self-Empowerment übersetzt, und das finde ich sehr treffend. Empowerment nämlich befähigt einen Menschen zu eigenverantwortlichem und selbstbestimmtem Handeln und gibt ihm darüber hinaus das Gefühl der Selbstwirksamkeit- jemand glaubt wieder daran, selbst Einfluss auf sein Leben zu haben und eben nicht hilflos zu sein. Genau das ist auch wesentlich im Begriff der Selbstkompetenz enthalten: 
"Bereitschaft und Fähigkeit, als individuelle Persönlichkeit die Entwicklungschancen, Anforderungen und Einschränkungen in Familie, Beruf und öffentlichem Leben zu klären, zu durchdenken und zu beurteilen, eigene Begabungen zu entfalten sowie Lebenspläne zu fassen und fortzuentwickeln. Sie umfasst Eigenschaften wie Selbstständigkeit, Kritikfähigkeit, Selbstvertrauen, Zuverlässigkeit, Verantwortungs- und Pflichtbewusstsein. Zu ihr gehören insbesondere auch die Entwicklung durchdachter Wertvorstellungen und die selbstbestimmte Bindung an Werte." Quelle
Folgende Fähigkeiten sind es, die unter dem Begriff der Selbstkompetenz fallen:
  • Selbstvertrauen
  • Eigeninitiative
  • Entschlusskraft
  • Resilienz (Widerstandsfähigkeit)
  • Flexibilität
  • Reflexionsfähigkeit
  • Kritikfähigkeit
  • Selbstdisziplin
  • Motivation
  • Entschlossenheit
Eigentlich ist es genau das, was jeder normale Erwachsene für ein selbstbestimmtes Leben können muss. Und noch wichtiger ist es für jemanden, der von Bulimie betroffen ist. Bulimie raubt die Fähigkeit zur Selbstbestimmtheit - Bulimie macht ausgeliefert und hilflos. Gegen die Bulimie anzukämpfen erfordert daher das Erlernen vieler unterschiedlicher Kompetenzen, und diese müssen nicht nur Betroffene beherrschen, sondern auch Normalesser, wenn sie mit ihrem Leben in der gegenwärtigen Welt mit all seiner Komplexität gut klarkommen wollen. 

Hilfreiche Tools zur Integration der Selbstkompetenz im Alltag findet ihr hier.

Samstag, 4. Oktober 2014

Loving your lady parts as a path to success, power & global change

Welchen Einfluss kann es auf das eigene Leben haben, wenn man seinen Körper kennt? Und spielt die Ernährung im Hinblick auf den weiblichen Hormonhaushalt eine Rolle? Die US-amerikanische Ernährungswissenschaftlerin Alisa Vitti betreibt eine Praxis in Manhattan und kann mit einigen sehr beeindruckenden Beispielen aufwarten, bei denen sie einen aus dem Gleichgewicht geratenen Hormonhaushalt nur durch eine individuelle Ernährung wieder gerade rücken konnte und bei denen dadurch letztlich die Akzeptanz des Körpers zugenommen hat.

Interessant finde ich auch die "Nutritional Genomics", die sie während ihres Vortrags kurz erwähnt. Es gibt keine direkte deutsche Übersetzung (soweit ich weiß), aber es bedeutet, dass man durch die Ernährung Einfluss auf die eigene Genausprägung / die Epigenetik nehmen kann.




Samstag, 27. September 2014

Eine gute Methode für den Weg aus der Hilflosigkeit

Früher dachte ich, dass Erfolg im Leben und eine gewisse Selbstbestimmtheit etwas sein müsse, das einem zufällt. Etwas wie eine Persönlichkeit, mit der man geboren wird. Ich habe mir nie groß Gedanken darüber gemacht, weshalb manche Leute scheinbar immer das bekommen, was sie wollen und andere nicht.

Heute weiß ich, dass man in viel mehr Bereichen Einfluss auf sein Leben nehmen kann, als es mir damals bewusst war. Der Schlüssel dazu heißt Proaktivität. Proaktiv zu sein bedeutet, selbst die Initiative zu ergreifen, anstatt sich von anderen zu seinen Handlungen entreiben zu lassen, oder überhaupt sein Leben weitestgehend fremdbestimmen zu lassen. Also sich aktiv statt reaktiv zu verhalten.

Das Ganze mag im ersten Moment recht komplex klingen und vielleicht auch etwas abstrakt und wenig greifbar. Daher versuche ich, das Konzept an einem Beispiel deutlich zu machen: Stell dir vor, du wirst von einem Freund gefragt, in welchen Kinofilm du gern gehen möchtest. Du bist normalerweise so darauf eingestellt, andere für dich "machen" zu lassen, also sagst du: "Keine Ahnung? In welchen Film würdest du denn gerne gehen?" und dein Freund wird vermutlich sagen: "Ich schau mal nach, was so läuft. Dann ruf ich dich nachher nochmal an."

Aber stell dir doch mal deine Reaktion anders vor. Stell dir vor, du ergreifst selbst die Initivative und schlägst ihm vor, dass du nach ein paar Filmen suchst und du dich dann bei ihm meldest. Dann kann er aus deiner Vorauswahl einen Favoriten auswählen. So triffst du eine Entscheidung über die Vorauswahl und schlägst deinem Freund nur die Filme vor, die dich interessieren. Du reagierst also nicht auf ihn, sondern nimmst die Zügel selbst in die Hand. Du handelst vorausschauend, anstatt auf einen Impuls zu reagieren, der von außen kommt und daher nur begrenzt von dir gesteuert werden kann.

Es geht dabei gar nicht so sehr darum, dass der Film letztendlich toller ist, wenn du die Vorauswahl triffst. Sondern es geht darum, dass du dich unvergleichbar besser fühlen wirst, wenn du nicht nur auf Andere reagierst, sondern selbst Vorschläge machst und überhaupt etwas von dir aus tust.

Ich selbst habe es mir im Laufe der letzten Jahre angewöhnt, mich proaktiv zu verhalten anstatt auf Andere zu warten. Und es hat mir gezeigt, dass ich mir mein Leben damit selbst gestalten kann anstatt mich fremdbestimmt fühlen zu müssen.