Samstag, 28. Februar 2015

5 Einstellungen für Erfolg vs. Misserfolg

Ich habe mal darüber nachgedacht, wie viele Bulimiker oft denken. Dabei ist mir aufgefallen, dass sich die Denkweisen oft ähneln und dass viele dieser Einstellungen gefährlich sind, weil sie nicht dabei helfen, aus der Bulimie zu kommen, sondern eher dazu führen, in der Bulimie verhaftet zu bleiben:

1) Die anderen sind schuld an meiner Bulimie, weil sie keine Rücksicht auf mich nehmen. 

"... Was sie immer von mir wollen regt mich so auf oder überfordert mich, so dass ich den FA brauche um mich zu beruhigen..."

Es ist egal, was andere von mir wollen. Ich kann es nicht beeinflussen, was andere sagen, machen oder denken. Ich kann nur beeinflussen, wie ich darauf reagiere. Darum kann ich ihnen einerseits klar sagen, was ich denke und muss es nicht runterschlucken und mich später darüber aufregen. Dann hat sich das Problem mit dem FA als Ausbalancierer erledigt.

2) Ich bin der Bulimie ausgeliefert und kann einfach nichts gegen sie machen

Das ist die Opferhaltung, die viele Bulimiker einnehmen. Nach dem Motto "Ich probiere es immer wieder, aber ich schaffe es einfach nicht. Ich glaube, dass das so hart ist, dass ich es nie schaffen werde. Es werden dafür übermenschliche Kräfte von mir verlangt. Dabei schwächt die Bulimie mich so sehr, dass ich doch so schon keine Kraft mehr übrig habe. Wie soll ich das also machen?"

Die Antwort auf diese Fragen ist: Wenn ich davon ausgehe, dass ich immer viel Disziplin aufbringen muss, dann mache ich etwas falsch und habe wahrscheinlich auch eine kontraproduktive und gefährliche Einstellung. Denn die Bulimie ist keine gottgegebene Sache. Ein FA ist in vielen Fällen sehr vorhersehbar, und basiert auf vielen Risikofaktoren, die jeder für sich genommen beeinflussbar ist. Schau zu, dass du dir ein strukturiertes Gerüst schaffst, das Rituale beinhaltet, und halte dich daran. Disziplin und Selbstbeherrschung braucht sich im Lauf des Tages auf, und darum kannst du dich nicht ständig "am Riemen reißen", sondern brauchst diese Struktur. Das habe ich in meinem Artikel "Ego-Depletion" schon beschrieben.

Möglicherweise herrscht in vielen Köpfen auch noch die Vorstellung, dass irgendwann ein Schalter im Kopf umgelegt wird, und dann ist man von einem auf den anderen Tag nicht mehr bulimisch. Ich bezweifle nicht, dass es solche Fälle gibt. Aber sie sind nicht an der Tagesordnung. Im Normalfall ist es ein längerer Weg mit vielen Höhen und Tiefen. Und das sollte ich von Anfang an wissen.

Ein Rückfall ist eigentlich auch kein Rückfall, sondern normaler Bestandteil des Heilungsprozesses.
Was ich sagen will: Niemand ist der Bulimie ausgeliefert, denn jeder kann es schaffen, gesund zu werden. Darum lass dir mir keinen BS einreden und mach dich auf den Weg!

3) Mein Körper ist bulimisch. Ich habe schon so lange Bulimie, dass mein Stoffwechsel schon gar nicht mehr normal funktioniert.

Ja, das ist teilweise sogar richtig. Der bulimische Stoffwechsel ist in vielen Fällen so aus dem Gleichgewicht geraten, dass es zunächst einige Zeit braucht, um ihn wieder zu stabilisieren. Das bedeutet, dass beispielsweise der Blutzucker stark abfällt, und man einige Stunden nach dem Essen wieder essen muss, weil man sonst das Gefühl hat umzukippen. Diese extremen Schwankungen lassen sich aber (Ausnahme: Diabetes) in den Griff bekommen. Dann ist es möglich, auch längere Pausen zwischen den Mahlzeiten zu lassen.

4) Ich brauche die Bulimie um die Erinnerungen an meine Vergangenheit zu verdrängen

"Meine Bulimie hat ihre Ursachen ganz klar in meiner Kindheit. Ich muss mich gegen meine familiären Wurzeln und meine Vergangenheit wehren. Das ist so hart, dass ich den FA brauche. Anders kann ich es nicht bewältigen." Wenn ich so denke, ist es klar, dass ich nicht nach vorne, sondern zurück schaue. Dann kann ich keine Vision, keine gute Vorstellung meiner Zukunft entwickeln, sondern bin immer nur auf der Suche nach Schuldigen.

Das ist gut in einem begrenzten Rahmen. Einen Überblick und eine grobe Vorstellung davon zu haben, was passiert ist, schadet nicht. Aber man sollte es irgendwann abschließen und nach vorne schauen. Niemand hatte eine völlig perfekte Kindheit. Auch wenn sie besonders schlimm war, ist das kein Grund, sich sein Leben vollständig vermiesen zu lassen! Schau nach vorne.

5) Ich kann nur gesund werden, wenn ich genau das gleiche wie andere esse.

Das ist eine sehr gefährliche Art zu denken. Einige der normalen Lebensmittel sollten zu riskanten Mahlzeiten gemieden werden. Dazu zählen Brot, alle Arten von Gebäck und Milchprodukte. Diese Lebensmittel wirken auf Bulimiker wie Drogen auf einen Drogenabhängigen. Sie machen Lust auf mehr. Du kannst sie mit anderen unbekümmert essen, wenn du in Gesellschaft anderer keine Probleme mit FAs hast.

Es gibt auch andere Gelegenheiten, in denen viele Lebensmittel gar keinen besonderen Reiz ausüben und dann ganz normal gegessen werden können. In Situationen aber, in denen FAs auftreten (vor allem zuhause wenn man alleine ist) solltest du auf andere Nahrungsmittel zurückgreifen.

Die genannten Arten zu denken bringt dich also nicht weiter. Erfolgsversprechend sind hingegen die folgenden 5 Denkweisen:

1) Die Vergangenheit anerkennen und das sein lassen, was sie ist: vergangen.

Ich weiß, dass früher nicht alles einfach war. Aber ich kann mein Leben jetzt selbst gestalten und lasse mich von den alten Verhaltensmustern nicht länger bestimmen. Ich habe mein Leben selbst in der Hand. Genau wie ich mich jederzeit für oder gegen einen FA entscheiden kann. 

2) Anderen Grenzen setzen

Vielleicht ist der Begriff des Grenzensetzens eher weniger bekannt. Ein Beispiel ist diese Szene: ich freue mich auf mein Wochenende. Ich will mich mit einer Freundin treffen und mich in die Sonne in ein Café setzen. Ich will das Wochenende auch dazu nutzen, mich endlich mal auszuschlafen, denn meine Woche war stressig und ich habe nicht viel Schlaf abbekommen. Außerdem will ich noch einen Vortrag für den nächsten Montag vorbereiten, den ich nicht verschieben kann.

Dann ruft mich eine Bekannte an und frägt, ob ich ihr am Samstag bei einem Umzug helfen kann, den ganzen Tag lang. Denn sie hat selbst kein Auto und braucht meines. Ich könnte jetzt denken, es wäre doch nett, ihr zu helfen, denn ich weiß dass sie sonst niemanden kennt, der ein Auto hat. Oder ich sehe es als meine Pflicht, und schließlich habe du ja nicht so viel vor. Also sage ich ihr zu. Mein Samstag ist jetzt anstrengend, den Termin mit der Freundin sage ich ab, denn am Sonntag hat sie keine Zeit mehr, und ich selbst sitze am Sonntag an meinem Vortrag. Von meinem Wochenende ist nicht viel übrig geblieben, und ich starte die neue Woche nicht entspannt, sondern eher genervt und gestresst.

Was ich dir damit sagen will: Wenn ich nicht erkenne, dass ich meine eigene Zeit nicht wertschätze und leichtfertig an andere verschleudere, dann kann ich auch keine Grenzen setzen und nein sagen. Der erste Schritt ist zu erkennen, dass ich Zeit für mich alleine brauche, um meine Batterien aufzuladen. Diese Zeit ist heilig und ich verschenke sie darum nicht an andere.

Zum anderen betrifft es auch die Kommunikation mit anderen. Wenn jemand offensichtlich meine Grenzen übertritt, dann muss ich es ihm sagen. Ich muss zunächst erkennen, dass jemand meine Grenzen missachtet und dann darauf reagieren. Beides muss trainiert werden.

3) Proaktiv statt reaktiv sein

Weil ich mich nicht gern von anderen Menschen zu sehr abhängig mache und immerzu darauf warte, dass sie den ersten Schritt machen und ich dann notgedrungen nichts anderes tun kann als auf sie zu reagieren, bin ich proaktiv. Das bedeutet, dass ich den ersten Schritt gehe und den Dingen, die mir wichtig sind, selbst eine Richtung gebe. So bin ich nicht an die anderen gebunden und handle eigenständig und unabhängig.

4) Den Stoffwechsel durch die Ernährung bewusst neu gestalten

Ich weiß, welche Nahrungsmittel meinen Körper die absolute Dröhnung verschaffen können. Ich weiß aber auch, wie ich meinen Körper wieder in einen gesunden Modus zurückbringen kann. Weil ich auch weiß, dass mein Körper "unter Strom" nur schwer auf rationales Denken anspricht (also wenn ich zum Beispiel einen FA verhindern will), nehme ich es auf mich, ihn durch wirklich gesunde Ernährung neu zu programmieren, damit ich den Weg der Heilung überhaupt erst beschreiten kann.

Eine gesunde Ernährung orientiert sich nicht an Kalorien, sondern an seinen Bestandteilen, wozu sehr viel Gemüse (!) und Obst gehört. Die neue Art mich zu ernähren ziehe ich durch und weiß, dass es mitunter einige Wochen dauern kann, bis mein Körper wieder gut funktioniert.

5) Entspannung am Abend über alles andere stellen

Bevor ich zuhause meine Pflichten erledige muss ich meinen Stresspegel reduzieren, um keinen FA zu bekommen. Weil ich auf dem Weg der Heilung bin, habe ich bereits erkannt, dass sich genau an diesem Punkt die Spreu vom Weizen trennt.

Abends runterzukommen und die Anspannung des Tages von mir abfallen zu lassen ist immens wichtig und auf gar keinen Fall zu unterschätzen. Es hilft mir dabei, verschiedene Methoden auszuprobieren und letztlich verhindert es so nicht nur den FA, sondern ermöglicht mir auch, dass ich mich abends im Bett nicht von einer Seite auf die andere drehe sondern gut einschlafen kann.

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