Samstag, 3. Mai 2014

Erhöhtes Cortisol bei Bulimie: Bulimiker im Dauerstress

Bei vielen Bulimikern wird im Rahmen der Blutuntersuchungen ein erhöhter Cortisolspiegel nachgewiesen. Dies rührt daher, dass Bulimiker auf Stress schlecht reagieren: sie bauen das Stresshormon Cortisol, das in solchen Situationen ausgeschüttet wird, langsamer und schlechter ab als gesunde Menschen. Welche Folgen hat ein dauerhaft erhöhter Cortisolspiegel? Nun, eigentlich ist Cortisol ein sehr wichtiges und nützliches Hormon: im Ernstfall, wie früher beim Angriff eines wilden Tieres, hat es den Körper schnell in Fluchtstimmung gebracht. Es versetzt das Gehirn in eine Art Notfallmodus, das Blut schießt aus dem Kopf in die Muskeln, so dass man schnell wegrennen kann. Man bekommt einen Scheuklappenblick, so dass man sich auf das Wesentliche, das Wegrennen oder den Kampf, konzentrieren kann und sich nicht um Nebensächlichkeiten wie den vorbeifliegenden Vogel kümmern muss. Im Dauerzustand kann die erhöhte Cortisolausschüttung allerdings zu ernsthaften körperlichen Schädigungen führen, dazu zählen ein Verlust an Knochen- und Muskelmasse, Schädigungen des Bindegewebes, Förderung degenerativer Erkrankungen in allen Geweben und Organen, hoher Blutzuckerwerte und Bluthochdruck, Wassereinlagerung, Förderung von Insulinresistenz, gehemmte Bildung der Geschlechtshormone (dadurch verringerte Fortpflanzungsfähigkeit und Abnahme der Libido) und schlechtere Wundheilung. Auf der kognitiven Ebene kann es zu Schwierigkeiten beim Umgang mit komplexen Problemen führen- was beispielsweise auch das Phänomen des Blackouts erklärt, wenn bei Prüfungsangst der Lerninhalt plötzlich nicht mehr abgerufen werden kann.

Wie beinflusst Bulimie den Cortisolspiegel?
Bulimiker weisen überdurchschnittlich oft einen erhöhten Cortisolspiegel auf. Dies liegt an der o.g. schlechteren Stressverarbeitung, aber auch am Essverhalten: werden kohlenhydratreiche Lebensmittel verzehrt und nicht erbrochen, setzt nach kurzer Zeit ein starker Blutzuckeranstieg und dann ein Blutzuckerabfall ein, woraufhin Cortisol freigesetzt wird.
Werden die kohlenhydratreichen Lebensmittel verzehrt und dann wieder erbrochen, wird dennoch Insulin freigesetzt, um den Zucker aus der Nahrung zu verarbeiten. Bei Zuständen der Unterzuckerung- die auch nach einer zuckerreichen Mahlzeit nach dem Abfall des Blutzuckerspiegels auftreten kann- schüttet der Körper vermehrt Stresshormone aus.
Vor allen Dingen jedoch ist der erhöhte Cortisolspiegel ein Henne-Ei-Problem, denn der erhöhte Cortisolspiegel führt zu einer dauerhaft größeren Aufmerksamkeit / Schreckhaftigkeit, was zu noch höherem Cortisol führt, da ständig von äußerliche Reize aufgenommen werden, die gesunde Menschen automatisch ausblenden.

Was ist der Ausweg?
Du wirst es schon ahnen: die einzige Möglichkeit, diesem Teufelskreis (beziehungsweise Teil des Teufelskreises, der die Bulimie aufrechterhält) zu entkommen, ist, keine Ess- und Brechanfälle mehr zu haben. Dann kann der Körper wieder ins Gleichgewicht kommen und seine Cortisolproduktion runter fahren. Helfen kann natürlich auch das Anwenden von Entspannungstechniken, Yoga, etc. Aber das sollte nur eine Prothese sein; ohne endgültiges Loslassen der Bulimie wird sich, so meine Meinung, nicht sehr viel verbessern lassen.

Wenn ihr weitere Tipps habt, wie man einen hohen Cortisolspiegel normalisieren kann, schreibt mir gerne in den Kommentaren!

Literatur: 
K. R. Bruce et. al.: Cortisol responses on the dexamethasone suppression test among women with Bulimia-spectrum eating disorders: Associations with clinical symptoms. In: Progress in Neuro-Psychopharmacology & Biological Psychiatry 38, S. 241-261. 2012.

1 Kommentar

  1. Anonym07 August

    Ja, an dem Zusammenhang zwischen Stress und Bulimie ist auf alle Fälle was dran. Aber manchmal frage ich mich, ob der Zusammenhang nicht eher dieser ist: Bulimiker haben irgendeine Art von Neuro-Defekt, weswegen sie Stress weniger gut ausblenden können als andere. Deswegen brauchen sie etwas womit sie sich abreagieren können, nämlich den Bulimieanfall.

    Wenn der Zusammenhang so wäre, würde das auch erklären, warum viele von einer Sucht (Ess-Brech-Sucht) in andere Süchte rutschen (Selbstverletzung, Alkohol,…) auch wenn die anderen Süchte nichts mit Zucker / Insulinspiegel zu tun haben…?!

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