Sonntag, 22. Dezember 2013

24 Gründe, warum du immer wieder Rückfälle bekommst-Teil 2

11. Du stellst unrealistisch hohe Anforderungen an dich. 

Unrealistische Ziele zu haben kann auch oft ein Zeichen dafür sein, dass man sie gar nicht erreichen will. Denn ein unmenschlich hohes Ziel kann niemand erreichen. Im Nachhinein kann man sich sagen: ok, dass ich das nicht erreichen konnte, war ja klar. Kleinere Ziele können auch schon eine Menge in Gang bringen. Statt sich vorzunehmen, nie wieder einen FA zu haben, könnte man sich vornehmen, eine Woche keinen FA mehr zu haben. So könnte man es beispielsweise schaffen, den Abstand zwischen den FAs immer weiter zu vergrößern.

12. Du kannst nicht mit deiner Vergangenheit abschließen. 

Wenn du an deine Vergangenheit denkst, kommen vor allem die negativen Erinnerungen hoch. Du denkst daran, wie dich in der 7. Klasse niemand als Banknachbarin haben wollte und du ganz alleine dastandst. Oder wie du an der Uni durch die Prüfung gefallen bist, auf die du wirklich viel gelernt hattest. Oder als dich dein Freund damals wegen einer Anderen verlassen hat und du dich einfach nur noch minderwertig vorkamst. Und wenn du Abends im Bett liegst und nicht einschlafen kannst, oder wenn dieses eine Lied im Radio gespielt wird, kommen all diese schlechten Erinnerungen wieder hoch.   Vor einiger Zeit habe ich eine hilfreichen Trick kennengelernt, der mir das Abschließen mit solchen schlimmen Erlebnissen erleichtert hat: die Rewriting-Technik.
Der Hintergrund: Meist verbindet man eine Person mit dem Ereignis. Wenn man also zurückdenkt, hegt man einen unendlichen Groll gegen diese Person. Der "Trick" besteht nun darin, dass man versucht, diese Erinnerung nach und nach anders im Gehirn zu verankern und andere Emotionen damit zu verbinden, damit sie nicht mehr belastend wirkt.
Es funktioniert so: man schreibt sich selbst aus der Sichtweise dieser Person einen Entschuldigungsbrief. Man stellt sich vor, dass diese Person einen gewissen Grund hatte, sich so zu verhalten, wie sie es getan hat. Ich habe diese Technik selbst angewandt und sie hat mir sehr geholfen. Vielleicht hilft sie euch ja auch.

13. Du hast Angst vor der Zukunft. 

Rückfälle können auch ganz oft ein Zeichen dafür sein, dass du dich nicht weiterbewegen willst und sozusagen lieber in eine Schockstarre verfällst. Du machst zwar weiter mit dem, was du gerade so machst, aber die Begeisterung ist schon lange verflogen, und du schwimmst nur noch so mit. Du weißt gar nicht mehr, warum du das eigentlich genau machen wolltest, und fängst an, alles schlecht zu machen. Im Studium ging es mir auch phasenweise so. Die Mitstudenten sind alle blöd, ihre Einstellungen passen einem nicht, sie sind alle arrogant und die Absolventen machen sowieso nicht das, was man selbst eigentlich mal machen möchte. Man weiß gar nicht mehr, was man mit diesem Studium eigentlich anfangen soll. Dann hilft es, nochmal auf "O" zurückzugehen. Warum habe ich dieses Studium gewählt? Wenn ich alles machen könnte was ich wollte, was wäre es?
Oft hilft es sehr, eine Bilanz zu ziehen und sich dann zu fragen, was daraus folgt. Wenn ich unzufrieden in meiner Beziehung bin, sollte ich mich trennen. Wenn mich mein Arbeitskollege wiederholt blöd anmacht, sollte ich ihm das sagen (und mich fragen, warum ich nicht schon früher etwas gesagt habe). Auf die Dauer führen solche Belastungen zu Rückfällen- das muss nicht sein, aber das Risiko ist gegeben.

14. Du lebst in einer ungesunden Umgebung. 

Dazu fällt mir spontan meine eigene Geschichte ein, als ich noch Zuhause wohnte. Ich hätte in dieser Umgebung niemals gesund werden können. Die Beziehung zu meinen Eltern war angespannt, es gab Erwartungshaltungen von beiden Seiten. Das beste war ein Umgebungswechsel, weg von den Eltern, hin in eine eigenständige Umgebung. Psychologen wissen, dass alleine ein anderes Setting eine Besserung hervorruft. Besonders wenn Betroffene noch zu Hause wohnen, fallen sie immer wieder in alte Verhaltensmuster zurück, weil immer wieder die gleichen Vorwürfe seitens der Eltern an sie herangetragen werden. Viele Eltern können sich auch oft nicht von den Kindern lösen. Dann entstehen Überforderungen, weil viele Kinder ihre Eltern nicht willentlich verletzen oder zurückweisen wollen.

15. Deine Tage haben keine Struktur. 

Dieses Problem haben vor allem Studenten oder Andere, die sich ihre Zeit hauptsächlich selbst einteilen können. Einerseits ist das natürlich oft schön, weil man die Dinge dann erledigen kann, wenn man selbst die Zeit und Lust dazu hat. Andererseits ist man auch oft damit konfrontiert, dass man gewisse Dinge aufschiebt und nicht in den Arbeitsfluss kommt. Oftmals gerät schon der ganze Tag ins Wanken, wenn man zu spät aufsteht, weil keine wichtigen Termine anstehen und man keine Vorstellung davon hat, wie der Tag ablaufen soll. Oft helfen hier schon ganz kleine Rituale, wie beispielsweise, am Abend vorher einen Tagesplan für den nächsten Tag oder am Sonntag Abend einen Wochenplan für die kommende Woche zu schreiben. Oder den Tag immer mit kleinen Ritualen zu beginnen, denn das kann helfen aus dem Bett zu kommen, wenn man sonst noch nicht genau weiß, wo der Tag hingehen soll. Mein kleines Ritual am Morgen ist einfach: aufstehen und duschen, danach eine Tasse Kaffee auf dem Sofa trinken, während ich noch den Bademantel anhabe. Dann überlege ich mir, was den Tag über so alles ansteht.

16. Du willst einen Körper, der nicht deiner ist. 

Hast du schonmal darauf geachtet, dass jede Frau ihre ganz eigenen Proportionen hat? Ich beispielsweise habe relativ breite Schultern und nicht das breiteste Becken. Das fand ich früher ganz schrecklich. Das ist ja gar nicht die frauliche Körperform, die man gemein hin als weiblich bezeichnen würde. Meine Schultern machen mir regelmäßig Probleme beim Hemden- und Blusenkauf, weshalb ich mich letztlich von Hemden und klassisch geschnittenen Blusen verabschiedet habe, weil schlicht die Schultern immer zu schmal geschnitten sind und die Ärmel viel zu weit innen beginnen und unter den Achseln kneifen. Der Hosenkauf ist für mich immer ein Graus, weil Jeans meist am Taillenbund viel zu weit sind, dafür an den Schenkeln wieder zu eng. Früher kam ich vom Klamottenkauf immer extrem gefrustet zurück. Heute, wo ich meinen Körper mit seinen feinen Eigenheiten akzeptiert habe, weiß ich um diese Herausforderungen und kann sie bequem umschiffen und anders darauf reagieren.

17. Du akzeptierst deine Persönlichkeit nicht. 

Wie schön wäre es, einen feinsinnigen Humor zu haben, Andere mit links unterhalten zu können, so dass sie an den eigenen Lippen hängen, oder der intellektuelle Gastgeber mit den Fähigkeiten eines Gourmetkochs zu sein? Es ist nicht einfach, die eigene Persönlichkeit zu entwickeln, aber ganz sicher ist es auch keine Arbeit, die auf einem leeren Blatt Papier beginnt. Dieses Blatt Papier ist nämlich schon beschriftet: mit Persönlichkeitsfragmenten, mit einem Nährboden, der diese besonderen Fähigkeiten und Eigenheiten zur Geltung bringen kann. Dafür müssen diese Fragmente allerdings zuerst anerkannt und gesehen werden. Stehe dazu, wenn du manchmal schwarzen Humor an den Tag legst oder aber besonders achtsam bist. Wenn du auf andere achtgibst und Rücksicht nimmst, statt dich wie so viele andere, unhöflich und ruppig mit den Ellenbogen durch den Alltag kämpfst.

18. Du weißt nicht, welche Ernährung gut für dich ist. 

Vor kurzem habe ich festgestellt, dass scharfe Lebensmittel mir nicht nur nicht schmecken, sondern mir darüber hinaus auch nicht gut tun. Ich hatte eine asiatische Thai-Curry-Paste gekauft, die sehr scharf ist. Ich habe sie dann zubereitet und die Portion auch gegessen, allerdings hatte ich danach das Bedürfnis, die Schärfe durch das Essen einer milden Speise zu kompensieren, obwohl ich schon satt war. Auf seinen Körper zu hören, herauszufinden, was er braucht, ist keine Sache, die man innerhalb weniger Minuten lernt. Man muss sich nach und nach vortasten, und das Spannende, was sich dadurch eröffnet, wertungsfrei ansehen.

19. Du willst nicht nachdenken. 

Sich zu verändern, ist eine echt harte Sache. Man darf es nicht auf die leichte Schulter nehmen. Nachdenken gehört dazu, Selbstreflektion- das ist nicht jedermanns Sache. Aber es ist notwendig, um ein zufriedenes Leben zu führen, ein Leben, das dir gerecht wird. Sich mit Essen zu betäuben ist genau das Gegenteil von Selbstreflektion. Also erkenne an, dass du dir Gedanken machen musst, um deine Situation zu ändern. Und schließlich kann man das Denken lernen. Man kann lernen, seinen eigenen Gedanken auf den Grund zu gehen und so an sich selbst arbeiten.

20. Du willst keine Verantwortung übernehmen. 

Das zählt auch wieder ein Stück weit zum Punkt "Nachdenken". Wie oft habe ich in Bulimiker-Biografien gelesen, dass sie nicht in der Lage waren, Verantwortung für sich zu übernehmen. Aber warum ist so? Ich glaube, diese Unfähigkeit liegt schon in der Natur der Bulimie: man übergibt sich und übernimmt somit nicht die Verantwortung für das zuviele Essen. Würde man die Verantwortung übernehmen, würde man sich nicht übergeben. 

6 Kommentare

  1. Danke für diesen post, sehr hilfreich und setzt nochmal ein ausrufezeichen in meinem kopf als erinnerung, was ich besser tun und lassen sollte. :'D

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  2. Anonym03 Januar

    Hallo! Ich bin heute auf deinen Blog gestoßen und du gibst mir ein wenig Mut zurück....ich hätte aber noch Fragen bezüglich der 2-3 Jahre 'entwöhnungsphase'...wie liefen die genau ab? Und du hast jetzt Normalgewicht oder? Ich würde mich sehr über eine Antwort freuen!
    Ich fange gerade mit der Ernährungsempfehlung aus 'Zucker und bulimie' an und es ist extrem anstrengend und schwer...

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    1. Hallo!

      Die Umstellung lief bei mir natürlich auch nicht exakt ab wie geplant. Ich hatte auch schwierige Phasen mit Rückfällen und habe irgendwann erkannt, dass die Rückfälle immer weniger wurden, je mehr ich auf Zucker und Weißmehl verzichtet habe. Sonst hatte ich immer ein mittelgroßes Problem mit einem schwankenden Blutzuckerspiegel. Wenn er zu niedrig war, wurde ich leicht panisch und verfiel wieder in alte Muster.
      Ich hatte und habe Normalgewicht (früher auch mal UG und auch leichtes Übergewicht, aber das ist beides wieder etwas länger her).

      Ich kann dir in der Hinsicht nur raten, dich nicht gleich "perfektionieren" zu wollen. Also nicht zu denken, du müsstest ab sofort immer die richtige Kalorienanzahl essen und das jeden Tag. Diese Vorstellung hat zumindest mich immer extrem eingeengt und beängstigt. Das schien eine so große Herausforderung zu sein, dass sie mich richtig eingeschüchtert hat. Und wenn man weiß, dass es eben nicht gleich alles "normal" sein muss, dann fällt es vielleicht auch leichter, überhaupt anzufangen oder weiterzumachen.

      Aber am besten kann ich dir wahrscheinlich helfen, wenn du ein paar konkretere Fragen hast, so ganz verallgemeinert ist es schwierig. Melde dich also gern wieder!

      Liebe Grüße
      Jo

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  3. Anonym05 Januar

    Herzlichen Dank für die beiden Posts, ich finde diese Gedankenanstöße sehr hilfreich. Danke dafür!

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  4. Ich habe deine antwort erst heute gelesen ubd es ist alles wieder eine Katastrophe bei mir.
    Fa's ohne Ende und as übliche...ich kann nicht mehr und hab niemanden der mich versteht...
    Mein Körper ist auch total mitgenommen..fühle mich schwach und schlapp
    Ach ich bewundere dich so! J.

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  5. Wie bist du selber eigentlich auf die idee gekommen "clean" zu werden? Was war deine motivation aufzuhören?

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