Montag, 10. Januar 2011

Angst vor Erfolg...

Eine sehr lange Zeit habe ich mich dahinter versteckt, mein Leben "eben nicht im Griff zu haben" und alleine diese Einstellung hat mir Sicherheit gegeben. Eine Sicherheit, die ich auch in meiner Essstörung gesucht, und damals auch gefunden habe. Es war eine trügerische Sicherheit. Im Nachhinein war die ES die einzige sichere Konstante in meinen Leben. Nach und nach hatte ich mich daran gewöhnt, nachzugeben, zu resignieren, "es einfach zu machen". Ich sah keinen Sinn darin, stark zu sein. Aber auch in allen anderen Bereichen meines Lebens sah ich mich selbst als Versager und keinen großen Sinn darin, das zu ändern. Ich hatte mich tatsächlich damit abgefunden. Tief in mir wusste ich aber, dass ich alles eigentlich viel viel besser könnte, dass ich mich nicht hinter anderen verstecken muss, sondern eine selbstständige Person sein kann, wenn ich das auch selbst will.
Der Wandel begann also zunächst damit, die Tatsache anzuerkennen, in welche Rolle ich mich selbst gebracht hatte: die Verlierer-Rolle. Dass ich absichtlich keinen Erfolg hatte, ich wollte es nicht, denn dann wäre ich plötzlich für mich selbst verantwortlich gewesen. Es hätte sich viel geändert, würde ICH plötzlich mal etwas gut machen, auf das ich stolz sein kann. Ich hatte regelrecht Angst davor. Diese Angst musste ich respektieren und ernst nehmen. Als das geschafft war, konnte ich klar sehen, seit einer sehr sehr langen Zeit war nicht mehr alles unmöglich, ich hatte die Zügel meiner Lebenskutsche selbst in der Hand, ich konnte bestimmen, wohin mein Weg führt.
Das war also der erste Schritt, herauszufinden, warum ich mich mit dieser Rolle abgefunden hatte und unbewusst nicht aus ihr heraus wollte und darum in Wirklichkeit auch nicht heraus konnte.
Dann folgte das Scheitern. Ich musste wieder lernen zu scheitern, wenn ich etwas gut machen wollte. Ohne Scheitern gibt es keinen Erfolg. Ich provozierte das Scheitern regelrecht, um keine Angst mehr davor zu haben. Erst durch meine Fehler habe ich erkannt, was Richtig ist, was ich nicht machen kann, und was in Folge dessen der richtige Weg ist. Nichts ist zu peinlich, um herauszufinden, was das richtige für mich ist....viele Dinge, die mir früher ultra-peinlich waren, sind mir heute einfach egal, ob ich jetzt z.B. mal ungeschminkt zum Bäcker gehe, ob ich dem Postboten mit ungewaschenen Haaren öffne, usw. Ob ich immer superfreundlich bin oder einfach nur höflich. Ob ich die immer gutgelaunte Nette spiele oder einfach so bin, wie ich bin.
Mit der Zeit habe ich auch herausgefunden, dass ich den meisten Respekt vor Leuten habe, die einfach sie selbst sind, und darum habe ich mir als Ziel gesetzt, mich anderen zuliebe nicht mehr zu verstellen. Ich glaube, das ist eine reine Übungssache. Kein Wunder, dass ich früher immer viel jünger geschätzt wurde, war ich doch immer nett und lieb wie ein kleines Mädchen. Heute bin ich ich selbst. Mit allen meinen Erfahrungen, mit positiven und negativen, sie ALLE haben mich geprägt.
So habe ich begonnen, dem Erfolg wieder zuzulächeln. Seitdem genieße ich das Gefühl, mein Bestes zu geben und wenn es klappt, dann freue ich mich, wenn nicht, habe ich alles getan, was in meiner Macht stand. Dann war ich wirklich "zu schlecht", "nicht geeignet", oder jemand anderes war besser. Aber dann muss ich mir keine Vorwürfe machen....sondern es einfach akzeptieren. Deckel zu, nächstes Thema....

4 Kommentare

  1. Hi Jo!
    Ich habe soeben deinen Blog entdeckt und finde ihn wirklich toll... also alles was ich bisher gesehn habe :-)
    Ich bin selbst Bulimikerin, seit mittlerweile 10 Jahren und mittlerweile wirklich auf dem Weg der Besserung :-)
    Eigentlich hatte ich dieselbe Idee, wie du und wollte einen Blog zum Thema starten... vll auch ein Selbsthilfeforum. Ich studiere Psychologie und mächte später selbst therapeutisch tätig werden und mit Essgestörten arbeiten.
    Deine Beiträge schreibst du oft um wissenschaftliche Befunde, die mir aus den Vorlesungen so oder so ähnlich bekannt vorkommen... mich würde dein Hintergrund interessieren.... hast du etwa auch Psychologie studiert?
    ichwürde mich freuen, wenn du mit Kontakt aufnehmen würdest.. sicher können wir uns gegenseitig bereichern!
    Viele Grüße

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  2. Hallo Sara!
    Wow, danke für den ersten Kommentar :)
    Das hört sich ja so an, als hätten wir beide eine ähnliche Idee gehabt! Ich studiere nicht Psychologie, hab mich nur jahrelang mit psychologischer Literatur beschäftigt und viel durch Selbstbeobachtung gelernt.
    Würde gerne irgendwann in der Zukunft ein Projekt starten, in dem ehemalige Betroffene etwas von ihrer Erfahrung weitergeben....
    Wie kann ich denn Kontakt mit dir aufnehmen?
    Viele liebe Grüße,
    Jo

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  3. Hey Jo!

    Ich geb dir jetzt einfach mal ne Mailadresse von mir und würde mich freun, wenn du dich meldest!
    s17081988@yahoo.de
    Viele liebe Grüße und ein dickes WEITER SO! Ich find deinen Blog super! 8-)

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  4. Hi Jo,
    Ich habe deinen Blog heute entdeckt und bin ebenfalls begeistert! Du hast definitiv eine Begabung die richtigen Worte zu finden und in jeden Eintrag neue Gedanken einzubringen, die letztlich, mit den Gedanken der anderen Beiträge, ein Ganzes ergeben. Ein rundes, positives, hoffnungsvolles Ganzes.
    Du hast mir wirklich Mut gemacht meinem Vorhaben die Bulimie hinter mir zu lassen (ist wie auch bei Sara schon seit 10 Jahren ein Problem) nun mit vollem Einsatz nachzugehen. Man sollte es für sich tun. Dieser letzte Anstoß hat mir gefehlt und ich danke dir dafür!

    Viele liebe Grüße,

    Sarah

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